OGH 3Ob172/54

OGH3Ob172/5424.3.1954

SZ 27/79

Normen

ABGB §922
ABGB §928
EO §1 Z12
EO §9
ABGB §922
ABGB §928
EO §1 Z12
EO §9

 

Spruch:

Bescheidmäßig ergangene Anordnungen der Baupolizei auf Herstellung des bauordnungsmäßigen Zustandes sowie auf Zahlung der Kosten für eine wegen nicht rechtzeitiger Erfüllung baupolizeilicher Aufträge angedrohte Ersatzvornahme sind Schulden und Rückstände im Sinne des § 928 letzter Satz ABGB. Aufträge der Baubehörden, durch welche auf Erfüllung der dem Hauseigentümer nach der Bauordnung obliegenden Verpflichtungen gedrungen wird, sind jedem Eigentümer des betreffenden Hauses gegenüber wirksam und vollstreckbar.

Entscheidung vom 24. März 1954, 3 Ob 172/54.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Die beklagte Partei war Eigentümerin der Liegenschaft EZ. 637 Kat.Gem. L., bestehend aus einem Wohnhaus und einem Garten. Da das Haus einen Bombenschaden erlitten hat, verkaufte sie es um 62.000 S an die beiden Kläger. Das Eigentumsrecht für die Kläger wurde am 26. Juli 1952 einverleibt. Nach dem Kaufvertrag hat die beklagte Partei für das Ausmaß und für eine besondere Beschaffenheit des Kaufobjektes nicht gehaftet, wohl aber dafür, daß das Kaufobjekt frei von allen Lasten und Besitzrechten dritter Personen übergeben wird. Die Beklagte verpflichtete sich, die Käufer diesbezüglich vollkommen klag- und schadlos zu halten.

Schon vor dem Kaufabschluß hat das Baurechtsamt des Magistrates Graz die Beklagte aus feuerpolizeilichen Gründen zu Instandsetzungsarbeiten an dem Kaufobjekt verhalten. Die beklagte Partei hat diesem Auftrag nur zum kleineren Teil entsprochen. Mit einem weiteren Bescheid, ebenfalls vor Kaufabschluß, wurde der Beklagten daher aufgetragen, als Vorauszahlung für die Kosten der Ersatzvornahme einen Betrag von 6000 S binnen 14 Tagen zu leisten. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

Am 28. Juli 1952 (der Kaufvertrag ist am 8. Mai 1952 geschlossen worden) erging an die Kläger die Auforderung, den Betrag von 6000 S auf Grund des Bescheides vom 23. November 1951 zu bezahlen. Die Kläger haben darauf die vom Magistrat Graz angeordneten Reparaturen durchführen lassen und hiefür einen Betrag von 5385 S ausgelegt.

Das Erstgericht gab der Regreßklage der Käuferin gegen die Verkäuferin statt.

Infolge Berufung der beklagten Partei hat das Berufungsgericht das Ersturteil in dem Sinn geändert, daß es die beklagte Partei nur der Zahlung der Kosten des Verfahrens vor der Baupolizei schuldig erkannte, das Begehren um Ersatz der Kosten der Instandsetzungsarbeiten an den Kaminen aber abwies.

Der Oberste Gerichtshof stellte das Ersturteil wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Oberste Gerichtshof schließt sich der Auffassung des Erstgerichtes an, daß bescheidmäßig ergangene Anordnungen der Baupolizei auf Herstellung des bauordnungsmäßigen Zustandes sowie auf Zahlung der Kosten für eine wegen nicht rechtzeitiger Erfüllung baupolizeilicher Aufträge angedrohte Ersatzvornahme Schulden und Rückstände im Sinne des § 928 letzter Satz sind. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Budwinski, 1908, Nr. 6287; 1910, Nr. 7657, Amtl. Slg. Nr. 14.277 A u. v. a.) sind Aufträge der Baubehörden, durch welche auf Erfüllung der dem Hauseigentümer nach der Bauordnung obliegenden Verpflichtungen gedrungen wird, jedem Eigentümer des betreffenden Hauses gegenüber wirksam und vollstreckbar. Die Entscheidungen aus dem Jahre 1908 und 1910 betreffen allerdings Anordnungen auf Grund der Prager Bauordnung. Der in Betracht kommende § 119 dieser Bauordnung hat aber im wesentlichen denselben Inhalt wie § 83 der Grazer Bauordnung, auf den im vorliegenden Fall die Baupolizeibehörde ihre Aufträge grundete. An der Rechtslage, daß derlei baupolizeiliche Aufträge das Objekt selbst betreffen und daher als auf der Sache selbst haftende Schulden und Rückstände anzusehen sind, hat sich durch das Verwaltungsvollstreckungsgesetz nichts geändert. Schulden und Rückstände bilden nach § 928 ABGB. keinen Gewährleistungsmangel, sie sind vom Veräußerer auf jeden Fall, wenn nichts Gegenteiliges im Vertrag vereinbart wird, zu vertreten. Da die Kläger diese auf der Sache haftende Verbindlichkeit erfüllt haben, können sie von der beklagten Partei den Ersatz verlangen.

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