OGH 3Ob162/97p

OGH3Ob162/97p21.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei H***** Bank E.G, ***** vertreten durch Dr.Stefan Herdey und Dr.Roland Gsellmann, Rechtsanwälte in Graz, wider die verpflichtete Partei Adelheid L*****, wegen Zwangsversteigerung einer Liegenschaft (betriebene Forderungen insgesamt 215.977,74 DM sA = 1,525.558,77 S sA) infolge Revisionsrekurses und Rekurses der Einschreiterin Dagmar G*****, vertreten durch Dr.Siegfried Leitner, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluß des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgerichts vom 6.Februar 1997, GZ 4 R 26/97s und 4 R 27/97p-39, womit der Rekurs der Einschreiterin gegen den Beschluß des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 27.Juni 1996, GZ 50 E 51/95w-21, zurückgewiesen und der Beschluß des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 19.November 1996, GZ 50 E 51/95w-33, in seinem Punkt 2.) aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs gegen Punkt I.) des angefochtenen Beschlusses wird nicht Folge gegeben.

Die Einschreiterin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Der Rekurs gegen Punkt II.) des angefochtenen Beschlusses wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Aufgrund eines rechtskräftigen und vollstreckbaren ausländischen Exekutionstitels zur Hereinbringung vollstreckbarer Forderungen von insgesamt 215.977,74 DM sA = 1,525.558,77 S sA bewilligte das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz der betreibenden Partei mit Beschluß vom 8.Februar 1995 die Zwangsversteigerung der im Eigentum der verpflichteten Partei stehenden Liegenschaft EZ ***** Grundbuch 63106 J*****.

Anläßlich der Schätzung der Liegenschaft wurde eine fehlerhafte Beschreibung des Exekutionsobjekts und der Liegenschaft der Einschreiterin im Grundbuch offenbar. Die angeführte Flächengröße weicht von der bei richtiger Grundstücksbezeichnung tatsächlich anzunehmenden um 1 m2 ab. Als Grundstücksadresse des Exekutionsobjekts ist "L*****gasse 24" eingetragen. Dessen richtige Anschrift ist dagegen "L*****gasse 24a". Nach der materiellrechtlichen Rechtslage gehört zum Gutsbestand des Exekutionsobjekts überdies nicht das eingetragene Grundstück 701/2, sondern das Grundstück 701/1. Das Grundstück 701/2 bildet dagegen den wahren Gutsbestand der im Eigentum der Einschreiterin stehenden Liegenschaft EZ ***** Grundbuch 63106 J***** mit der tatsächlichen Grundstücksadresse L*****gasse 24. Als Gutsbestand ist dagegen dort das Grundstück 701/1 und als Grundstücksadresse "L*****gasse 24a" eingetragen. Die Ursache für diese Verwechslung liegt in den beiden Kaufverträgen vom 8.Jänner 1985, die der Einverleibung des Alleineigentums für die Einschreiterin an der (nunmehr abgeteilten) Restliegenschaft EZ ***** Grundbuch 63106 J*****, die (noch ungeteilt) schon vor dem 8.Jänner zu bestimmten Anteilen in deren Miteigentum stand, und für die Verpflichtete an der als Grundbuchskörper neu geschaffenen Trennfläche EZ ***** Grundbuch 63106 J***** zugrundeliegen. Bereits in diesen Verträgen wurden die Nummern der jetzt zum jeweiligen Gutsbestand der Liegenschaften EZ ***** und EZ ***** je KG J***** gehörenden Grundstücke vertauscht.

Nach Aufklärung dieser Unrichtigkeiten in der Beschreibung des Exekutionsobjekts durch den gerichtlichen Sachverständigen ordnete das Erstgericht mit Beschluß vom 13.November 1995 die Schätzung der "Liegenschaft EZ ***** GB 63106 J*****", bestehend aus dem Grundstück 701/1 Baufläche "mit dem (Hinter-) Haus L*****gasse 24a" an. Am 13. Juni legte die betreibende Partei die Versteigerungsbedingungen vor und beantragte deren Genehmigung. Sie bezeichnete darin die Liegenschaft EZ ***** Grundbuch 63106 J*****, bestehend aus dem "GStNr. 701/92 (offenbar gemeint 701/2), Baufl. 229 m2, richtig jedoch: GStNr. 701/1 Baufl. 228 m2, mit Hofgebäude L*****gasse 24a Graz" als Exekutionsobjekt.

Mit Beschluß vom 27.Juni 1996 bestimmte das Erstgericht den Schätzwert und stellte die Versteigerungsbedingungen fest. Das Exekutionsobjekt wurde entsprechend den vorgelegten Versteigerungsbedingungen beschrieben und dazu im besonderen auf einen bestimmten Bericht des gerichtlichen Sachverständigen und dessen Gutachten verwiesen. Auch im Versteigerungsedikt vom 27. September 1996 erfolgte die Beschreibung des Exekutionsobjekts wie in den Versteigerungsbedingungen.

Am 19.November 1996 gab die Einschreiterin einen Rekurs gegen den Beschluß vom 27.Juni 1996 auf Festsetzung des Schätzwerts und Feststellung der Versteigerungsbedingungen zu gerichtlichem Protokoll.

Mit Beschluß vom selben Tag stellte das Erstgericht das Zwangsversteigerungsverfahren "von amtswegen" ein, weil eine "exekutive Verwertung des ins Auge gefaßten Grundstücks ausgeschlossen" sei, könne doch einem allfälligen Ersteher "beim bestehenden Grundbuchsstand" nicht das Eigentum am Exekutionsobjekt verschafft werden.

Das Gericht zweiter Instanz wies den Rekurs der Einschreiterin zurück, gab jedoch dem Rekurs der betreibenden Partei gegen die Einstellung des Zwangsver- steigerungsverfahrens statt, behob den angefochtenen Beschluß und trug dem Erstgericht auf, "mit der Exekution ... in gesetzmäßiger Weise zu verfahren". Es sprach im Verhältnis zur Einschreiterin aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands 50.000 S übersteige, und ließ in Hinsicht auf beide Rechtsmittelerledigungen den "(ordentlichen) Revisionsrekurs" zu. Nach dessen Rechtsansicht entbehre die Einschreiterin der Rechtsmittelbefugnis. Rechte Dritter, die die Exekution unzulässig machten, seien mittels Klage gemäß § 37 EO geltend zu machen. Hier erscheine es jedoch fraglich, ob die rechtlichen Interessen der Einschreiterin mit einer solchen Klage durchgesetzt werden könnten. Dritten komme im Exekutionsverfahren nur dann Parteistellung zu, wenn deren Rechtsstellung durch Maßnahmen des Exekutionsgerichts gesetzwidrig belastet oder sonst ohne gesetzliche Grundlage in deren Rechte eingegriffen werde. Es sei nicht zu leugnen, daß die Rechtssphäre der Einschreiterin durch die Beschreibung des Exekutionsobjekts berührt werde, sei doch bei der Beschreibung des Exekutionsobjekts aufgrund der Eintragungen im Grundbuch nach wie vor das materiellrechtlich zu deren Gutsbestand gehörende Grundstück 701/2 erwähnt. Grundbücherliche Eintragungen seien jedoch immer im Zusammenhang "mit den sie rechtfertigenden Urkunden zu sehen". Danach liege die von den Vertragspartnern beabsichtigte Gestaltung der materiellrechtlichen Rechtslage auf der Hand. Der Zuschlag an einen allfälligen Ersteher stelle daher "bloß die Fortschreibung der schon jetzt bestehenden Fehlerhaftigkeit dar", weshalb in die Rechtssphäre der Einschreiterin "nicht erst durch das Zwangsversteigerungsverfahren eingegriffen" worden sei. Der den Versteigerungstermin leitende Richter werde auf die vom Grundbuchsstand abweichende materiellrechtliche Rechtslage hinzuweisen haben. Ein allfälliger Ersteher werde demnach "nicht anders gestellt (sein) als derzeit die Verpflichtete gegenüber der Rekurswerberin". Ein gewisses "Restrisiko", daß sich ein allfälliger Ersteher auf den Grundbuchsstand berufe, bleibe jedoch bestehen. Der angefochtene Einstellungsbeschluß sei dagegen schon deshalb zu beheben gewesen, weil die Einstellung eines Exekutionsverfahrens von amtswegen nicht ohne vorherige Anhörung der Parteien und sonstigen Beteiligten erfolgen dürfe. Hier sei aber eine Anhörung der betreibenden Partei unterblieben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Einschreiterin (vgl zur Qualifikation des Rechtsmittels als Revisionsrekurs: JBl 1994, 264 und Kodek in Rechberger, Kommentar zur ZPO Rz 5 zu § 526) ist nicht berechtigt, deren Rekurs gegen die Aufhebung des Einstellungsbeschlusses ist dagegen unzulässig.

1) Zum Revisionsrekurs:

Die den grundbücherlichen Eintragungen zugrundeliegenden Vertragsurkunden, die für die Verwechslung von Grundstücksnummern und die daraus folgende fehlerhafte Beschreibung des Gutsbestands der Liegenschaften EZ ***** und EZ ***** je Grundbuch 63106 J***** ursächlich sind, beruhen offenbar auf reinen Fehlbezeichnungen, ohne daß sachlich eine Fehlvorstellung über den jeweiligen Vertragsgegenstand bestanden hätte, bezog sich doch der natürliche Konsens der Vertragsparteien darauf, daß zum Gutsbestand der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch 63106 J***** das Grundstück 701/2 und zum Gutsbestand der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch 63106 J***** das Grundstück 701/1 gehören sollen. Demnach erfaßt die vertragliche Bindung nach herrschender Ansicht nicht das fehlerhaft Erklärte, sondern das von allen Vertragsparteien tatsächlich Gewollte (JBl 1988, 714; Rummel in Rummel, ABGB2 Rz 6 zu § 871; ders, Von durchschauten Irrtümern, falschen Bezeichnungen und aufzuklärenden Mißverständnissen, JBl 1988, 1 [2]; Apathy in Schwimann, ABGB Rz 3 zu § 871; Koziol/Welser, Grundriß I10 122 f; Schlemmer, Erkannter Irrtum und irrtümliche Erkenntnis, JBl 1986, 149 [151 f]; Zemen, Zum Grundsatz "falsa demonstratio non nocet" im Vertragsrecht, JBl 1986, 756 [763] mzN aus der Rsp). Eine Berichtigung der die materiellrechtliche Rechtslage unzutreffend wiedergebenden Grundbuchseintragungen setzt hier jedoch eine entsprechende rechtsgeschäftliche Korrektur in Ansehung der seinerzeitigen Eintragungsgrundlagen - also jener Verträge, die die fehlerhafte Wiedergabe des Gutsbestands der Liegenschaften EZ ***** und EZ ***** je Grundbuch 63106 J***** verursachten - voraus.

Im Zwangsversteigerungsverfahren wurde bereits im Beschluß auf Feststellung der Versteigerungsbedingungen und im Versteigerungsedikt die Abweichung der materiellrechtlichen Rechtslage von den Grundbuchseintragungen klargestellt. Es kann daher nicht mehr zweifelhaft sein, welches - derzeit bloß noch unrichtig bezeichnetes - Grundstück in der Natur den Gutsbestand des Exekutionsobjekts bildet und versteigert werden soll, wird doch der Gegenstand der Versteigerung durch den Inhalt der Versteigerungsbedingungen und jenen des Versteigerungsedikts festgelegt (SZ 57/166 mwN). Aufgrund dieser Prämissen ist es praktisch auszuschließen, daß ein allfälliger Ersteher die Liegenschaft EZ ***** Grundbuch 63106 J***** mit der - in der Natur und nach der im Exekutionsverfahren offengelegten materiellrechtlichen Rechtslage zur Liegenschaft EZ ***** Grundbuch 63106 J***** gehörenden - Baufläche 701/2 im Vertrauen auf den Buchstand (vgl dazu: Schubert in Rummel aaO Rz 1 und 3 zu § 1500 mzN aus der Rsp) erwerben könnte.

Der erkennende Senat teilt daher die Ansicht des Rekursgerichts, daß das auf die Liegenschaft der Verpflichteten EZ ***** Grundbuch 63106 J***** bezogene Zwangsversteigerungsverfahren nicht in die Rechtssphäre der Einschreiterin als Eigentümerin der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch 63106 J***** eingreift. Ein allfälliger Ersteher im Zwangsversteigerungsverfahren wird vielmehr - jedenfalls soweit als Rechtsnachfolger - nur in jene Rechtsposition der Verpflichteten eintreten, die deren materiellrechtliche Beziehung zur Einschreiterin - im hier maßgeblichen Punkt - schon jetzt bestimmt. Sofern daher die Einschreiterin an einer der materiellrechtlichen Rechtslage entsprechenden Richtigstellung des Buchstands interessiert ist, wird es an ihr liegen, die Schaffung der dafür erforderlichen Eintragungsgrundlagen zu veranlassen und bei der Errichtung grundbuchsfähiger Vertragsurkunden mitzuwirken. Der Ersteher wird zwar gemäß § 237 EO durch Zuschlag Eigentümer jener Grundfläche werden, auf der das Hofgebäude L*****gasse 24a in der Natur errichtet ist, allein aufgrund eines solchen Eigentumserwerbs erledigt sich jedoch noch nicht das auf zwei Grundbuchskörper bezogene Richtigstellungsproblem.

In der Ansicht des Rekursgerichts, die Einschreiterin sei im vorliegenden Zwangsversteigerungsverfahren zur Erhebung von Rechtsmitteln nicht berechtigt, ist somit kein Rechtsirrtum zu erblicken, sind doch die in der Entscheidung EvBl 1993/53 = WBl 1993, 161 = RPflSlgE 1993/85 für die Rechtsmittellegitimation einer Person, die nicht Partei des Exekutionsverfahrens ist, beschriebenen Voraussetzungen - wegen der bereits dargestellten Gründe - hier nicht erfüllt.

2) Zum Rekurs:

Die Entscheidung zu Punkt 1) diente der Klärung der Frage, ob die Einschreiterin berechtigt ist, im vorliegenden Zwangsversteigerungsverfahren Rechtsmittel zu erheben. Da deren Rechtsmittelbefugnis verneint wurde, ist sie auch nicht legitimiert, die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz in ihrem Punkt II. zu bekämpfen.

Der gegen die Aufhebung des erstgerichtlichen Einstellungsbeschlusses gerichtete Rekurs ist demnach als unzulässig zurückzuweisen.

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