Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Dem Berufungsgericht wird die Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Text
Begründung
Das Berufungsgericht wies die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil mit der Begründung zurück, diese habe ungeachtet dessen Verkündung in Anwesenheit beider Parteien das Rechtsmittel nicht angemeldet.
Tatsächlich hatte die Beklagte nach Zustellung der Protokollsabschrift am 28. November 2007 eine schriftliche Berufungsanmeldung erstattet, die am 10. Dezember 2007 beim Erstgericht einlangte (Einlaufstampiglie) und ihr irrtümlich wieder zurückgestellt wurde. Eine Bedienstete des Erstgerichts holte den Schriftsatz beim Vertreter der Beklagten ab und fügte ihn als ON 10 mit der Seitenzahl 43a in den Akt ein. Zur Zeit der Entscheidung zweiter Instanz war er nicht im Akt. Dessen nunmehrige - mittlerweile gestrichene - Ordnungsnummer trug die Zustellverfügung auf der letzten Seite von ON 9.
Die Vorinstanzen legten den Rekurs der beklagten Partei mit dem an das Berufungsgericht gerichteten Antrag, seinen Beschluss aufzuheben und sodann über die Berufung zu entscheiden, dem Obersten Gerichtshof mit einer kurzen Darstellung der nunmehrigen und früheren Aktenlage zur Entscheidung vor. Der Kläger machte von der ihm gebotenen Möglichkeit zur Stellungnahme dazu innerhalb der ihm gesetzten Frist nicht Gebrauch.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig (RIS-Justiz RS0098745) und berechtigt. Das Berufungsgericht sah sich ungeachtet des ausdrücklichen Antrags der Beklagten offenbar nicht veranlasst, ihrem Rekurs selbst nach § 522 ZPO stattzugeben. Dass sie einen ausdrücklichen Antrag auf Fällung der begehrten Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof für diesen Fall nicht stellte, hindert eine Entscheidung desselben nicht (5 Ob 13/05f vom 10. Mai 2005), wäre doch ein Verbesserungsverfahren ein unnötiger Formalismus, wenn der gestellte Rekursantrag ohnehin nicht anders verstanden werden kann. Schließlich kann bei einer anwaltlich vertretenen Partei die Kenntnis vom Rekurs als grundsätzlich aufsteigendem Rechtsmittel (§ 522 Abs 2 ZPO) und von der Judikatur, wonach kein Recht auf Stattgebung nach § 522 Abs 1 ZPO besteht, vorausgesetzt werden.
Aus dem dargelegten Sachverhalt ergibt sich, dass die Zurückweisung des Rechtsmittels durch das Gericht zweiter Instanz, die aufgrund der unvollständigen Aktenlage erfolgte, rechtsirrig war. Das Rechtsmittel der Beklagten gegen das erstgerichtliche Urteil erweist sich nicht als wegen unterbliebener (rechtzeitiger) Berufungsanmeldung unzulässig.
Weist ein Gericht zweiter Instanz ein Rechtsmittel wegen Verspätung zurück, kann die Partei durch Rekurs an den Obersten Gerichtshof (nicht Berichtigungsantrag: RIS-Justiz RS0041597) geltend machen, dass die Zurückweisung auf der unrichtigen Annahme der Verspätung beruhte. Nichts anderes kann für den vergleichbaren Fall der Zurückweisung eines Rechtsmittels wegen Verstoßes gegen § 461 Abs 2 ZPO als unzulässig gelten (vgl die Gleichbehandlung von Zurückweisungen wegen Unzulässigkeit und Verspätung in § 522 ZPO), wenn das Vorliegen der Voraussetzungen einer Unzulässigkeit eines Rechtsmittels zu Unrecht angenommen wurde. Trifft letzteres nach den Erhebungsergebnissen (hier: schon nach der korrigierten Aktenlage) zu, hat der Oberste Gerichtshof eine Sachentscheidung aufzutragen (stRsp, 7 Ob 593/92 mwN ua; zuletzt 5 Ob 13/05f; RIS-Justiz RS0041391).
Rekurskosten hat die beklagte Partei nicht verzeichnet.
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