OGH 3Ob148/89

OGH3Ob148/8913.12.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter T***, Arbeiter, Wien 12., Eichenstraße 18/1/3, vertreten durch Dr. Adolf Kriegler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Hilde G***-S***, Private, Wien 10., Schleyergasse 14, vertreten durch Dr. Andreas Smicka, Rechtsanwalt in Wien, wegen Widerspruch gegen eine Räumungsexekution, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 19. Mai 1989, GZ 48 R 208/89-8, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 19. Jänner 1989, GZ 8 C 2507/88d-3, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.634,24 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 439,04 S Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Erika T*** war Hauptmieterin einer Wohnung im Haus der Beklagten und bewohnte diese zusammen mit dem Kläger, ihrem Ehemann. Am 29. Dezember 1983 brachte sie gegen den Kläger eine Scheidungsklage ein und stellte den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Mit Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 3. Jänner 1984 wurde dem Kläger das sofortige Verlassen der Wohnung aufgetragen. Nach Eintritt der Rechtskraft führte Erika T*** zur Erzwingung des Anspruchs auf Verlassen der Wohnung Exekution. Mit Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 21. Jänner 1985, bestätigt mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 24. September 1985, wurde die Ehe geschieden. Erika T*** gestattete nach der unbekämpften Feststellung des Erstgerichtes dem Kläger auch nach der Scheidung den Zutritt zur Wohnung nicht. Am 3. Februar 1986 verstarb Erika T***.

Am 24. März 1986 brachte die Beklagte gegen die Verlassenschaft nach Erika T*** die gerichtliche Kündigung mit Geltendmachung des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 5 MRG ein. Das später gegen die Alleinerbin fortgeführte Kündigungsverfahren, dem der Kläger auf Seite der beklagten Partei als Nebenintervenient beigetreten war, endete mit einer Wirksamerklärung der Kündigung (Urteil des Revisionsgerichtes vom 1. März 1988, 2 Ob 626/87).

Am 26. Juni 1986 beantragte der Kläger unter anderem die Zuteilung der Ehewohnung nach den §§ 81 f EheG. Mit Teilentscheidung des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 25. September 1986, bestätigt mit Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 20. Februar 1987, wurde ausgesprochen, daß der Kläger in die Mietrechte an der Ehewohnung eintritt.

Nach rechtskräftiger Beendigung des Kündigungsstreites wurde der beklagten Partei die Räumungsexekution wider die Erbin nach Erika T*** bewilligt. Der Kläger widerspricht dieser Exekution mit der Begründung, ihm stehe auf Grund der Entscheidung im Aufteilungsverfahren ein Mietrecht an der zu räumenden Wohnung zu. Er wohne seit vielen Jahren in dieser Wohnung und verfüge über keine andere Wohnmöglichkeit; die von ihm während des Scheidungsverfahrens benützte Wohnung stelle nur ein Ausweichquartier dar. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie bestritt den Bestand des geltend gemachten Mietrechtes. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige und die Revision nicht zulässig sei. Die beiden Vorinstanzen vertraten die Rechtsansicht, daß sich die Übertragung des Mietrechtes im Aufteilungsverfahren nur auf das schon wirksam aufgekündigte Mietverhältnis erstrecken und nicht über den Zeitpunkt der Räumung hinaus wirken könne. Dem Kläger sei daher nur ein schon gerichtlich gekündigtes Mietrecht übertragen worden, wobei nur die Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung noch nicht rechtskräftig gewesen sei. Der geschiedene Ehegatte sei im übrigen kein Eintrittsberechtigter im Sinne des § 14 MRG.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist ungeachtet des Ausspruches des Berufungsgerichtes zulässig, aber nicht berechtigt. Grundsätzlich ist in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes anerkannt, daß ein Eintrittsberechtigter den Bestand seines Mietrechtes trotz rechtskräftig gegen die Verlassenschaft ausgesprochener Kündigung mit Klage nach § 37 EO geltend machen kann (MietSlg 20749; RZ 1969, 135; RPflSlgE 1969/205; JBl 1970, 94). In einigen Entscheidungen findet sich die Einschränkung, daß dies jedenfalls dann gelte, wenn der Eintrittsberechtigte am Bestandverfahren nicht beteiligt war (EvBl 1955/48; EvBl 1959/279). Für den Fall, daß der Eintrittsberechtigte im Kündigungsprozeß als Nebenintervenient beteiligt war, hatte der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SZ 18/33 ausgesprochen, daß der Eintrittsberechtigte kein streitgenössischer Nebenintervenient nach § 20 ZPO sei. Dieser Entscheidung lag nicht der vorliegende Fall eines geschiedenen Ehegatten zugrunde, sondern es ging um eine Lebensgefährtin. In der Entscheidung MietSlg 6107 = IX/49 vertrat der Oberste Gerichtshof hingegen die Auffassung, einer geschiedenen Ehefrau, die einen Antrag auf Zuweisung der Ehewohnung gestellt habe, komme die Stellung einer streitgenössischen Nebenintervenientin zu. Ein Unterschied liegt darin, daß im einen Fall das Mietrecht des Nebenintervenienten schon kraft Gesetzes durch die Sonderrechtsnachfolge des Eintrittsberechtigten entstanden ist, während im anderen Fall das Mietrecht des Nebenintervenienten erst durch Richterspruch im Aufteilungsverfahren geschaffen werden soll.

Wie der Oberste Gerichtshof in der angeführten Entscheidung ausführte, ist der aufrechte Bestand des Mietverhältnisses über die Ehewohnung eine Voraussetzung dafür, daß die geschiedene Ehefrau in den Genuß der ihr durch die Bestimmungen über die Zuteilung der Ehewohnung eröffneten Rechte treten könne. Ähnlich dem dem Kündigungsprozeß gegen den Hauptmieter als Nebenintervenient beigetretenen Untermieter (Judikat 31 neu = SZ 10/55) wirke sich hier der Ausgang des Kündigungsstreites unmittelbar auf die Rechtsstellung des Nebenintervenienten aus. Eine ähnliche Position wird hiezu, wenn auch nicht gerade auf eine Kündigung nach § 30 Abs 2 Z 5 MRG abgestellt, im Schrifttum vertreten (Rechberger-Simotta, ZPO3 Rz 140, Beispiel 10).

Für den vorliegenden Fall, wo durch die Entscheidung im Aufteilungsverfahren zwar noch nicht im Zeitpunkt der Einbringung der Kündigung oder des darin geltend gemachten Kündigungstermins, wohl aber im Verlaufe des Rechtsstreites die strittige Ehewohnung dem Kläger zugewiesen wurde, sind diese Überlegungen gleichfalls am Platze. Die Zuweisung der Ehewohnung nach § 87 Abs 2 EheG wirkt ex nunc, sie kann nicht rückwirkend Rechtsverhältnisse gestalten. Ein schon wirksam gekündigtes Mietverhältnis kann daher nur mit dieser Beschaffenheit übertragen werden. Die Wirksamkeit einer Kündigung ist aber nach dem Zeitpunkt der Einbringung der Kündigung zu beurteilen. Somit erstrecken sich die Wirkungen des im Kündigungsprozeß ergehenden Urteils auch in einem solchen Fall kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses auf die Rechtsstellung des Nebenintervenienten (Fasching, ZPR, Rz 406 mit dem vergleichbaren Beispiel eines zukünftigen Rechtsnachfolgers). Wenn sich daher der geschiedene Ehegatte im Kündigungsprozeß gegen die Verlassenschaft oder die Erben nach dem verstorbenen anderen geschiedenen Eheteil als Nebenintervenient beteiligt, steht die Rechtskraft der im Kündigungsprozeß ergangenen Entscheidung einer neuerlichen Prüfung des Eintrittsrechtes des geschiedenen Ehegatten in einem Exszindierungsprozeß entgegen, es besteht Bindung an das Urteil des Kündigungsstreites.

Es ist daher nicht dazu Stellung zu nehmen, ob entgegen der in 2 Ob 626/87 vertretenen Auffassung der geschiedene Ehegatte ähnlich wie bei der Abtretung des Mietrechtes iSd § 12 Abs 1 MRG (MietSlg 37.606/9 ua) auch nach dem Tod des geschiedenen Ehegatten einem eintrittsberechtigten Ehegatten solange gleichzuhalten wäre, bis über den Anspruch auf Zuteilung der Ehewohnung entschieden ist. Gleichfalls ist in dieser Rechtssache nicht zu untersuchen, wie die Rechtslage wäre, wenn der geschiedene Ehegatte dem Kündigungsstreit nicht als Nebenintervenient beitritt.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Die Bemessungsgrundlage beträgt gemäß § 5 Abs 2 RATG iVm § 10 Z 2 lit b RATG 12.000 S. Die Bewertung durch das Berufungsgericht nach § 500 Abs 2 Z 2 ZPO ändert daran nichts.

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