Spruch:
Das Mitgliedschaftsrecht an einer Genossenschaft m. b. H. ist pfändbar.
Entscheidung vom 11. Dezember 1963, 3 Ob 148/63.
I. Instanz: Bezirksgericht Mistelbach; II. Instanz: Kreisgericht Korneuburg.
Text
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei Folge und wies den Antrag der Verpflichteten auf Einstellung der Exekution durch Pfändung des Geschäftsanteiles der Verpflichteten an der gemeinnützigen Bau- und Siedlungsgenossenschaft F. reg. Gen. m. b. H. ab.
Das Erstgericht hat die Exekution durch Pfändung des den Verpflichteten gegen die "Gemeinnützige Bau- und Siedlungsgenossenschaft "F.", reg. Gen. m. b. H." zustehenden Geschäftsanteiles gemäß § 39 (1) Z. 8 EO. eingestellt.
Das Rekursgericht änderte den erstrichterlichen Beschluß dahin ab, daß die Exekution durch Pfändung des den Verpflichteten gegen die gemeinnützige Bau- und Siedlungsgenossenschaft F. zustehenden Geschäftsanteils als Summe aller Mitgliedschaftsrechte gemäß § 39
(1) Z. 2 EO. eingestellt wird, soweit sie nicht den Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben betrifft. Die Pfändung des Anspruches der Verpflichteten auf das Auseinandersetzungsguthaben wird weiterhin aufrecht erhalten. Dem Exekutionsgericht wird aufgetragen, den betreibenden Parteien auf deren Antrag die Ermächtigung im Sinne des § 333 EO. zu erteilen. Dazu führte das Rekursgericht aus, daß die Frage der Pfändbarkeit des Geschäftsanteiles einer Genossenschaft mit beschränkter Haftung in der Rechtsprechung verschieden behandelt worden sei. Es sei zunächst zu prüfen gewesen, ob nicht die Exekution von Amts wegen wegen Unzulässigkeit der Exekution auf die gepfändeten Rechte gemäß § 39 (1) Z. 2 EO. einzustellen war. Eindeutig regle das Genossenschaftsgesetz diese Frage für die Genossenschaften mit unbeschränkter Haftung (§ 56 Genossenschaftsgesetz). Auf Grund dieser Bestimmung sei eine Exekution nur auf dasjenige gestattet, was der Genossenschafter selbst an Zinsen und an Gewinnanteilen zu fordern berechtigt ist und was er im Falle der Auflösung der Genossenschaft oder des Ausscheidens aus derselben bei seiner Auseinandersetzung beanspruchen kann. Die Exekution auf das Mitgliedschaftsrecht sei aber auch bei einer Genossenschaft mit beschränkter Haftung nicht zulässig. Die Exekution auf ein genossenschaftliches Mitgliedschaftsrecht könnte nur nach § 331 EO. erfolgen, da die Mitgliedschaftsrechte zu den in der 4. Abteilung des 2. Abschnittes der EO. genannten "anderen Vermögensrechten" gehören. Die Exekution erfolge durch Zustellung des Gebotes an den Verpflichteten, sich jeder Verfügung über das Recht zu enthalten. Dadurch werde ein Pfandrecht begrundet, zu dessen Realisierung aber mangels einer dem § 256 EO. entsprechenden Bestimmung keine Frist bestehen würde. Dadurch wäre der Verpflichtete aber außerstande gesetzt, die Mitgliedschaft an der Genossenschaft durch Austritt aufzugeben und er wäre der persönlichen Haftung im Sinne des § 76 GenG. ausgesetzt. Dem Verpflichteten müsse die Möglichkeit gewahrt werden, sich durch Austritt aus der Genossenschaft von der ihn treffenden Haftung zu befreien. Das genossenschaftliche Mitgliedschaftsrecht sei ein Vermögensobjekt beschränktester Negotiabilität, der Kreis der möglichen Erwerber eines solchen Mitgliedschaftsrechts ein äußerst beschränkter. Es sei daher die Exekution, soweit sie nicht das Auseinandersetzungsguthaben betreffe, von Amts wegen nach § 39 (1) Z. 2 EO. einzustellen gewesen. Die Unübertragbarkeit des genossenschaftlichen Mitgliedschaftsrechts stehe aber der Übertragbarkeit des Anspruches auf das Auseinandersetzungsguthaben, also auf dasjenige, was dem Genossenschafter im Falle der Auflösung der Genossenschaft oder im Falle des Ausscheidens aus derselben zukommt, nicht entgegen. Denn hier scheide der Übertragende nicht aus der Genossenschaft aus und der Erwerber mache keine Mitgliedschaftsrechte geltend, sondern im Falle der Auseinandersetzung nur den Anspruch in jener Höhe und zu jener Zeit, wie ihn der zedierende Genossenschafter hätte geltend machen können. Aus der Übertragbarkeit des Auseinandersetzungsguthabens folge die Möglichkeit einer Exekution auf dasselbe. Mit der Exekution auf den Geschäftsanteil als Summe aller Mitgliedschaftsrechte sei den betreibenden Parteien auch die Exekution auf das Auseinandersetzungsguthaben der verpflichteten Parteien als Bestandteil der Mitgliedschaftsrechte bewilligt worden. Mit Zustellung des Zahlungsverbotes an die gemeinnützige Bau- und Siedlungsgenossenschaft "F." haben die betreibenden Parteien ein Pfandrecht an der Forderung auf das Auseinandersetzungsguthaben bereits erworben. Die Pfändung dieses Auseinandersetzungsguthabens müsse daher von der Einstellung der Exekution ausgenommen werden. Da sich die betreibenden Parteien mit jeder Form der Verwertung einverstanden erklärt haben, hätte das Exekutionsgericht die gesamte Exekution nicht nach § 39 (1) Z. 8 EO. einstellen dürfen, bevor nicht festgestanden wäre, daß bei ordnungsgemäßer Verwertung des gepfändeten Anspruches auf das Auseinandersetzungsguthaben ein die Kosten der Exekution übersteigender Betrag nicht zu erwarten sein werde. Eine Verwertung der gepfändeten Forderung sei nur im Wege der Überweisung möglich. Eine Verwertung durch Verkauf sei unzulässig, da es an einem den Ausrufpreis bildenden Nennwert (§ 318 EO.) fehle. Das Exekutionsgericht habe dabei vielmehr nach § 333 EO. vorzugehen. Diese Bestimmung gewähre den betreibenden Gläubigern die Möglichkeit, im Wege der Kündigung usw. das Recht des Verpflichteten geltend zu machen, das diesem kraft des gepfändeten Rechtes zusteht. Die betreibenden Parteien seien daher zu ermächtigen, das den verpflichteten Parteien zustehende Recht auf Kündigung der Genossenschaft auszuüben, wenn der aus dem Genossenschaftsverhältnis entspringende Anspruch der Verpflichteten auf dasjenige, was ihnen bei Lösung dieses Verhältnisses zukommt, in Exekution gezogen wird.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der betreibenden Parteien mit dem Antrag, die Pfändung der den Verpflichteten zustehenden Geschäftsanteile als Summe aller Mitgliedschaftsrechte aufrecht zu erhalten.
Rechtliche Beurteilung
Dem Revisionsrekurs kommt Berechtigung zu.
Die Frage der Pfändbarkeit eines Genossenschaftsanteiles wird in Lehre und Rechtsprechung nicht einheitlich behandelt. Der Oberste Gerichtshof hat in früherer Zeit zu dieser Frage öfters Stellung genommen. Dabei wurde, worauf schon Pisko (Gerichtszeitung Jahrgang 1908 Nr. 25 und Nr. 26) hingewiesen hat, unter "Geschäftsanteil" nicht immer das gleiche verstanden. So erklärt Adler - Clemens 753 die Exekution für nicht zulässig mit der Begründung, daß der Geschäftsanteil zum Genossenschaftsvermögen gehört und deshalb darauf von den Privatgläubigern nicht gegriffen werden kann. Die Entscheidung hat offensichtlich die vom Genossenschafter geleistete Geldeinlage im Auge, die in das Vermögen der Genossenschaft gekommen ist. Noch deutlicher kommt dies in Adler - Clemens 1807, 2024 und 2623 zum Ausdruck, in welchen Entscheidungen die Exekution für nicht zulässig erklärt wird, weil die "Einlage" im Eigentum der Genossenschaft steht bzw. der "eingezahlte" Geschäftsanteil nicht im Eigentum des Verpflichteten steht. In keiner dieser Entscheidungen wird der Geschäftsanteil als Inbegriff der dem Genossenschafter zustehenden vermögensrechtlichen Ansprüche und herrschaftlichen Befugnisse verstanden. Über die Pfändbarkeit dieses Mitgliedschaftsrechtes bei Genossenschaften mit beschränkter Haftung ist daher durch die zitierten Entscheidungen nicht abgesprochen. Dagegen hat der Oberste Gerichtshof in zahlreichen anderen Entscheidungen die Zulässigkeit einer solchen Exekution bejaht. So in Adler - Clemens 982, 1376, 1774, 2021, 2249, 2286, 2376 und GlUNF. 2443. In neuerer Zeit hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SZ. XVI 81 diese Frage berührt und ausgesprochen, daß der betreibende Gläubiger durch eine Exekution nach den §§ 331, 333 EO. die Rechte ausüben kann, die das Genossenschaftsmitglied der Genossenschaft gegenüber hat, vor allem die Mitgliedschaft zur Genossenschaft kundigen kann. Die Lehre hat sich der Ansicht Piskos angeschlossen und ohne nähere Begründung die Unpfändbarkeit des Genossenschaftsanteils erklärt. Walker (österr. Exekutionsrecht, S. 321) beruft sich auf § 56 des Genossenschaftsgesetzes; Kollross (Die Exekution auf Vermögensrechte und Unternehmungen, S. 98) erklärt die Mitgliedschaftsrechte an einer Genossenschaft für unübertragbar, ebenso Heller - Trenkwalder (Exekutionsordnung, S. 1193, Fußnote 5) unter Bezugnahme auf Pisko, Gerichtszeitung 1908. Dasselbe gilt für Neumann - Lichtblau (Kommentar zur EO., S. 917).
Die angeführten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes begrunden die Zulässigkeit der Exekution damit, daß die Bestimmung des § 56 GenG. nur für Genossenschaften mit unbeschränkter Haftung gilt, daher eine Beschränkung der Exekution bei Genossenschaften mit beschränkter Haftung nicht besteht. § 83 GenG., der die grundsätzliche Übertragbarkeit des Genossenschaftsanteils ausspricht, wurde schon in der Entscheidung Adler - Clemens 1774 für exekutive Übertragungen anwendbar erklärt. Pisko erklärt die Pfändung für unzulässig, weil der Verpflichtete dadurch außerstande gesetzt wird, die Mitgliedschaft an der Genossenschaft durch Austritt aufzugeben, wodurch er der persönlichen Haftung im Sinne des § 76 GenG. ausgesetzt würde. Diese Erwägung allein vermag aber die Pfändbarkeit nicht aufzuheben. Durch die Pfändung erleidet der Verpflichtete auch in anderen Fällen Nachteile. Sie fallen gerade bei einer Genossenschaft mit beschränkter Haftung im Gegensatz zu Genossenschaften mit unbeschränkter Haftung nicht ins Gewicht und können jedenfalls die Pfändung nicht hindern. Das Mitgliedschaftsrecht an einer Genossenschaft ist ein Vermögensrecht und muß daher - sofern das Gesetz nicht ausdrücklich das Gegenteil anordnet - auch dem Zugriff der Gläubiger freigegeben werden. § 83 GenG. erklärt bei der Genossenschaft mit beschränkter Haftung den Anteil des Genossenschafters für übertragbar, sofern in der Satzung nichts anderes angeordnet ist. Als Anteil ist nach § 83 GenG. das Mitgliedschaftsrecht selbst zu verstehen und nicht nur das Auseinandersetzungsguthaben. Damit steht der Genossenschaftsanteil auf gleicher Stufe mit dem Geschäftsanteil an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (§ 76 Ges. m. b. H.-Gesetz). Auch die Erwägung, daß es sich um ein an die Person gebundenes Gesellschaftsrecht handelt, vermag keine Lösung zu rechtfertigen, die entgegen der Bestimmung des § 83 GenG. zu einer Unübertragbarkeit des Anteils führen würde. Der persönlichen Bindung hat der Gesetzgeber bereits dadurch Rechnung getragen, daß er die Übertragung an die Zustimmung der Genossenschaft gebunden hat. Das Fehlen einer Frist wie im § 256 EO. ist bei der Exekution auf "andere Vermögensrechte" allgemein; dagegen bietet die Möglichkeit, die Schuld zu bezahlen und damit die Exekution zur Einstellung zu bringen oder bei Vorliegen der Voraussetzungen etwa die Beseitigung der Exekution als bloßes Druckmittel zu erreichen (RZ. 1959, S. 33), Schutz.
Das Rekursgericht hat daher zu Unrecht die Exekution nach § 39 (1) Z. 2 EO., aber auch das Erstgericht zu Unrecht auf Grund der Äußerung der Genossenschaft die Exekution nach § 39 (1) Z. 8 EO. eingestellt. Aus der von der Genossenschaft vorgelegten Satzung geht hervor, daß die Übertragung des Geschäftsguthabens mit Zustimmung des Vorstandes möglich ist (§ 8). Durch eine solche Übertragung scheidet das Mitglied aus der Genossenschaft aus. Die weitere Folge dieses Ausscheidens in Verbindung mit der Übertragung des Geschäftsguthabens kann nur sein, daß der Übernehmer als Mitglied der Genossenschaft beitritt. Von einer Unübertragbarkeit des Anteiles kann daher keine Rede sein. Auch einem Dritten kann seitens der Genossenschaft in diesem Falle die Zustimmung zur Übernahme des Anteiles erteilt werden. Dem steht auch § 13 der Satzung nicht entgegen. Wenn es dort heißt, daß das Recht zur Nutzung eines Hauses der Genossenschaft durch die Mitgliedschaft bedingt ist, so bedeutet dies nur, daß zunächst die Mitgliedschaft erworben werden muß, um ein Haus der Genossenschaft zur Nutzung erhalten zu können. Der Einstellungsantrag war demnach zur Gänze abzuweisen.
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