Spruch:
Dem Unterhaltsanspruch ist das gesamte Vermögen des Unterhaltspflichtigen zugrunde zu legen, mag er auch dieses inzwischen in Benachteiligungsabsicht einem Dritten übertragen haben. Wird letzteres erwiesen, so ist auch im Unterhaltsprozeß die Übertragung dem Schuldner gegenüber als unwirksam anzusehen.
Entscheidung vom 16. März 1955, 3 Ob 148/55.
I. Instanz: Bezirksgericht Weyer; II. Instanz: Kreisgericht Steyr.
Text
Die Klägerin, die Gattin des Beklagten, begehrt dessen Verurteilung zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von 500 S ab Klagstagmit der Begründung, der Beklagte habe die Klägerin nach Beendigung eines von ihm anhängig gemachten, mit der Abweisung seiner Scheidungsklage abgeschlossenen Scheidungsstreites nicht mehr in den gemeinsamen Haushalt aufgenommen und sei zur Leistung des Unterhaltes in Geld verpflichtet. Bereits in der Klage brachte die Klägerin vor, es sei möglich, daß der Beklagte in Benachteiligungsabsicht, um sie um ihren Unterhaltsanspruch zu bringen, in seinem Vermögen Veränderungen vorgenommen habe, die aber im Verhältnis zur Klägerin, falls ein derartiger Einwand vom Beklagten erfolge, angefochten würden. Im Zuge des Rechtsstreites anerkannte der Beklagte seine Verpflichtung zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von 275 S, worauf die Klägerin das Begehren auf Leistung eines Unterhaltsbeitrages von weiteren 225 S einschränkte.
Das Prozeßgericht wies das eingeschränkte Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß der Beklagte auf Grund des Übergabsvertrages vom 20. Mai 1954, somit einen Monat vor Klagseinbringung, sein Vermögen an seine Tochter Marie H. übertragen habe, daß die Klägerin zwar einredeweise diesen Vertrag anfechte, daß aber diese Einrede nur gegenüber dem Anfechtungsgegner, nicht aber gegenüber dem Schuldner erhoben werden könne und daß deshalb der Unterhaltsbemessung nur das noch tatsächlich vorhandene Vermögen oder Einkommen zugrunde gelegt werden könne. Letzteres rechtfertige aber nur die Auferlegung eines Unterhaltsbeitrages von 275 S monatlich, welchen Betrag der Beklagte anerkannt und um welchen die Klägerin das Begehren eingeschränkt habe.
Das Berufungsgericht hob das Urteil des Prozeßgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Prozeßgericht zurück. Es war der Ansicht, daß sich der geltend gemachte Anspruch als Schadenersatzanspruch darstelle, da nach dem Vorbringen der Klägerin die Vermögensübertragung in Benachteiligungsabsicht erfolgte, um ihren Unterhaltsanspruch zu schmälern, und ein solches Verhalten gegen die guten Sitten verstoße. Damit habe aber die Klägerin ihr Begehren auch auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes gestützt, und es hätte daher das Prozeßgericht Beweise über die absichtliche Benachteiligung der Klägerin und die Veräußerung des Vermögens zu einem zu niedrigen Preis aufnehmen müssen.
Der Oberste Gerichtshof wies den Rekurs des Beklagten zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Ansicht des Berufungsgerichtes, die Klägerin habe ihren Anspruch in erster Instanz auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes gestützt, kann nicht beigepflichtet werden. Die Klägerin macht in ihrer Klage einen Anspruch auf den gesetzlichen Unterhalt nach § 91 ABGB. geltend. Sie hat wohl bereits in der Klage vorgebracht, es sei möglich, daß der Beklagte inzwischen an seinem Vermögen irgendwelche Änderungen vorgenommen habe, die aber im Verhältnis zur Klägerin angefochten würden, weil diese Veränderungen nur deshalb erfolgten, um die Klägerin um ihren Unterhaltsanspruch zu bringen, und hat auch im Verfahren dann behauptet, der Beklagte habe sein Vermögen in der Absicht auf seine Tochter bertragen, um die Klägerin hinsichtlich ihres Unterhaltsanspruchs zu benachteiligen; der Übernahmspreis sei absichtlich zu niedrig gehalten worden und stehe in keinem Verhältnis zum Werte des Vermögens. Damit hat aber die Klägerin ihren Anspruch nicht auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes gestützt, sondern lediglich geltend gemacht, daß die Einwendung des Beklagten, er habe kein Vermögen mehr, dieses vielmehr an seine Tochter übertragen, ihr gegenüber nicht wirksam sei, da die Übertragung in Benachteiligungsabsicht erfolgte, so daß das bis zur Übertragung vorhanden gewesene Vermögen der Unterhaltsbemessung zugrunde zu legen sei. Es ist zwar richtig, daß eine Anfechtungsklage im Sinne der AnfO. nur gegen denjenigen erhoben werden kann, zu dessen Gunsten eine anfechtbare Handlung vom Schuldner gesetzt wurde; eine solche Anfechtungsklage setzt aber einen vollstreckbaren Anspruch voraus. Gegen den Beklagten kann aber die Klägerin im vorliegenden Fall nur dann einen vollstreckbaren Exekutionstitel erwirken, wenn, soferne die Vermögensübertragung in Benachteiligungsabsicht erfolgte, bei der Bemessung des Unterhaltes, das Vermögen, in dessen Besitz sich der Beklagte bis zur Übertragung befunden hat, bei der Unterhaltsbemessung berücksichtigt wird. Gegen den Schuldner aber bedarf es keiner Anfechtungsklage nach der Anfechtungsordnung, um zu erwirken, daß die Vermögensübertragung dem Gläubiger gegenüber insofern als nicht erfolgt anzusehen ist, als bei der Bemessung des gesetzlichen Unterhalts das in Benachteiligungsabsicht an einen Dritten, hier an die Tochter des Beklagten, übertragene Vermögen zu berücksichtigen ist. Wäre man anderer Ansicht, so wäre dadurch in Unterhaltsprozessen Vermögensverschiebungen des Unterhaltspflichtigen zu Lasten des Unterhaltsberechtigten Tür und Tor geöffnet. Dem Unterhaltsanspruch ist das gesamte Vermögen des Unterhaltspflichtigen zugrunde zu legen, mag er auch dieses inzwischen in Benachteiligungsabsicht einem Dritten übertragen haben. Eine Anfechtungsklage soll lediglich bewirken, daß Rechtshandlungen, die das Vermögen des Schuldners betreffen und in der Absicht, die Befriedigung eines Gläubigers zu vereiteln oder zu benachteiligen, erfolgten, dem jenigen gegenüber, zu dessen Gunsten die anfechtbare Rechtshandlung vorgenommen wurde, für unwirksam erklärt werden, so daß gegen den durch die anfechtbare Handlung Begünstigten Exekution zur Befriedigung des Gläubigers geführt werden kann. Wird erwiesen, daß die Rechtshandlung, hier die Übertragung des Vermögens, in der Absicht vorgenommen wurde, den Unterhaltsanspruch der Klägerin zu vereiteln oder zu benachteiligen, so ist auch im Unterhaltsprozeß die Übertragung dem Schuldner gegenüber als unwirksam anzusehen und der Unterhaltsbemessung das Vermögen des Schuldners vor Setzung der anfechtbaren Rechtshandlung zugrunde zu legen, weshalb übrigens die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteiles zu Recht erfolgte.
Jedenfalls handelt es sich aber nur um die Frage, ob bei der Bemessung des Unterhaltes das erwähnte Vermögen zu berücksichtigen ist. Das Berufungsgericht hat diese, Frage unter der Voraussetzung bejaht, daß die Übertragung in Benachteiligungsabsicht erfolgte. Das Rechtsmittel des Beklagten richtet sich somit lediglich gegen die Bemessung des Unterhaltes, zu der nach dem Judikat Nr. 60 neu die Beurteilung, der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen (Vermögen, Einkommen usw.) gehört.
In einem solchen Falle ist aber nicht nur eine Revision oder ein Revisionsrekurs nach § 14 Abs. 2 AußStrG., sondern nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, so JBl. 1947 S. 263, 2 Ob 106/52, 3 Ob 196/53 u. v. a., jedes Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof unzulässig und kann auch dadurch nicht zulässig werden, daß das Berufungsgericht seinem Aufhebungsbeschluß den Rechtskraftvorbehalt beigesetzt hat.
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