OGH 3Ob141/52

OGH3Ob141/5212.3.1952

SZ 25/67

Normen

ABGB §364b
ABGB §364b

 

Spruch:

Umfang der Haftung nach § 364b ABGB.

Entscheidung vom 12. März 1952, 3 Ob 141/52.

I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Der Kläger begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung eines Betrages von 37.099.60 S samt Anhang mit der Begründung, er sei Eigentümer des Hauses F. in Klagenfurt und betreibe in diesem auch eine Bäckerei; die beklagte Partei habe auf dem Nachbargrundstück einen Neubau an Stelle des durch Bombeneinwirkung zerstörten Sparkassengebäudes aufgeführt; durch die von der Beklagten vorgenommene Abtragung des Erdreiches auf dem Nachbargrundstück seien Risse und Sprünge an dem Hause des Klägers entstanden, der Backofen habe sich gesenkt, die Rauchkanäle seien verlegt und der Backofen undicht geworden, sodaß er habe abgerissen und neu aufgebaut werden müssen. Die Kosten der Abtragung und Aufstellung des Backofens betrügen 25.000 S, die vom Kläger während der Zeit des Niederreißens und des Aufbauens des Ofens zu bezahlenden Löhne 4299.60 S, der Verdienstentgang des Klägers während dieser Zeit mindestens 4800 S und die Kosten der Behebung der durch Erdarbeiten am Nachbargrundstück am Hause des Klägers entstandenen übrigen Schäden 3000 S, insgesamt somit 37.099.60 S, zu deren Ersatz an den Kläger die Beklagte verpflichtet sei.

Das Prozeßgericht erkannte mit Zwischenurteil, daß der eingeklagte Anspruch dem Gründe nach zu Recht bestehe. Es stellte fest, daß die von der beklagten Partei vorgenommenen Unterfangungsarbeiten technisch richtig, der Erfahrung und den derzeitigen Hilfsmitteln entsprechend mit aller Vorsicht vorgenommen worden seien, daß aber dennoch durch die Arbeiten der Beklagten eine Senkung des Hauses des Klägers unvermeidlich geworden sei und daß auch der Backofen und seine Konstruktionsteile sich hiedurch um 4 - 5 cm gesenkt hätten, wodurch das Gefüge des Backofens stark schadhaft und undicht geworden sei; schließlich, daß die Instandsetzung des Backofens nur durch vollkommenes Abreißen und den sodann vorzunehmenden Neuaufbau möglich sei. Für die Haftung nach § 364b ABGB. sei ein Verschulden nicht vorausgesetzt, diese Gesetzesstelle statuiere vielmehr eine Erfolgshaftung. Die beklagte Partei hafte daher für den durch die Bauführung entstandenen Schaden zur Gänze.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil teilweise dahin ab, daß der Anspruch des Klägers dem Gründe nach nur soweit zu Recht bestehe, als er sich auf den Ersatz des unbrauchbar gewordenen Backofens und den Ersatz der an den anderen Gebäudeteilen durch Sprünge entstandenen Schäden beziehe, daß der Anspruch aber insofern nicht zu Recht bestehe, als er den Ersatz der Kosten der Betriebsstillegung und den Verdienstentgang betreffe. Es teilte die Rechtsansicht des Prozeßgerichtes, daß das Risiko einer Bauführung den bauführenden Gründeigentümer treffe und daß § 364b ABGB., der hier zur Anwendung zu kommen habe, eine reine Erfolgshaftung festsetze, ohne Rücksicht darauf, ob den bauführenden Gründeigentümer des Nachbargrundstückes ein Verschulden daran treffe, daß durch die Bauführung das Gebäude des Nachbars die erforderliche Stütze verliere. Dies gelte jedoch nur für die Beschädigung des Backofens und die sonstigen Beschädigungen des Hauses des Klägers. Hingegen wäre die beklagte Partei zum Ersatze der Kosten der Betriebsstillegung und des Verdienstentganges des Klägers nur bei Verschulden verpflichtet. Ein solches Verschulden liege jedoch nach den vom Berufungsgerichte übernommenen Feststellungen des Prozeßgerichtes nicht vor.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge und stellte das Zwischenurteil des Prozeßgerichtes im vollen Umfange wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Auch ohne Verschulden oder Voraussehbarkeit des Schadens besteht für jene Fälle des § 364b ABGB. eine Erfolgshaftung, bei denen die gleichen Voraussetzungen wie die des § 364a ABGB. vorliegen. Wenn auf Grund einer rechtskräftigen baubehördlichen Genehmigung ein Bau aufgeführt wird, liegt der Fall ganz ähnlich, wie wenn eine gewerbliche Anlage auf Grund einer gewerbebehördlichen Genehmigung errichtet wird. Die Bauführung eines der Baubewilligung entsprechenden Baues erfolgt nicht schuldhaft, aber der Bauführer baut auf seine eigene Gefahr, nicht auf die des Nachbarn und haftet ohne Rücksicht auf ein allfälliges Verschulden für den Schaden, der durch seine Bauführung verursacht wurde. Der Ersatzanspruch ist daher in solchen Fällen unter den gleichen Voraussetzungen zu gewähren, wie sie in § 364a ABGB. vorgesehen sind. Der Ersatzanspruch besteht in einer Ausgleichung der Einbuße im Vermögen des Nachbarn, hier des Klägers, dessen Backofenanlage unbrauchbar gemacht wurde und an dessen Haus Sprünge verursacht wurden. Da die Natur des Ersatzanspruches dem Entschädigungsanspruch aus Anlaß einer Enteignung gleichzuhalten ist, besteht der Ersatzanspruch nach § 364b ABGB. in einem solchen Falle in der vollen Schadloshaltung,

u. zw. nicht wegen einer schuldhaften oder unerlaubten Handlung, sondern aus dem Gründe eines nachbarrechtlichen Anspruches nach § 364b ABGB. (Klang, 2. Aufl., zu § 364c ABGB., S. 178; SZ. VII/115, SZ. XI/233, SZ. XX/184, ZBl. 1919 Nr. 107). Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes gelangt daher das Revisionsgericht zu dem Schlusse, daß im Falle eines Entschädigungsanspruches nach § 364b ABGB. dem Eigentümer des durch die Bauführung beeinträchtigten Nachbargrundstückes auch ohne Nachweis eines Verschuldens der Anspruch auf volle Schadloshaltung, somit auch auf Ersatz der Kosten der durch die Beschädigung verursachten Betriebsstillegung und des hiedurch bedingten Verdienstentganges zusteht.

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