OGH 3Ob123/65

OGH3Ob123/652.9.1965

SZ 38/128

Normen

EO §7 (1)
Wohnhauswiederaufbaugesetz §20 (2)
ZPO §411
EO §7 (1)
Wohnhauswiederaufbaugesetz §20 (2)
ZPO §411

 

Spruch:

Das Anbieten nach § 20 (2) lit. a WWG. "zu den gleichen Bedingungen" hat zur Voraussetzung, daß seit den Anboten an die übrigen Wohnungseigentümer nicht eine Veränderung in den Umständen eingetreten ist, die bewirkt, daß ein derartiges Anbot für den Liegenschaftseigentümer bzw. Wohnungseigentümer unzumutbar ist

Entscheidung vom 2. September 1965, 3 Ob 123/65

I. Instanz: Exekutionsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien

Text

Nachdem die Klägerin in dem Verfahren 28 Cg. . . des Landesgerichtes für ZRS. Wien rechtskräftig schuldig erkannt worden war, dem Beklagten ein Anbot auf Abschluß eines Vertrages zur Erwerbung des Wohnungseigentums an der Wohnung Nr. 15 im Hause W., F.straße 23, gemäß § 20 (2) WWG. zu stellen, bewilligte das Erstgericht zur Erwirkung des Anbotes die Exekution gemäß § 354 EO. Die Klägerin beantragte hierauf in der vorliegenden, auf § 35 EO. gestützten Klage, den Anspruch des Beklagten als erloschen zu erklären. Sie machte geltend, daß sie das Anbot bereits gestellt habe. Der Beklagte wendete ein, daß das Anbot weder den gesetzlichen Bestimmungen noch dem Exekutionstitel entspreche.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und legte im wesentlichen folgenden Sachverhalt seiner Entscheidung zugrunde:

Der Beklagte war Hauptmieter der Wohnung Nr. 29/30 des Hauses W., F.Straße 23, das durch Bombeneinwirkung zerstört wurde. Die Hausruine gehörte bis zum Jahre 1950 dem Karl und der Hermine R. und hierauf der Firma B. & Co. Auf Grund des Kaufvertrages vom 7. März 1952 wurde das Eigentumsrecht an dem Hause für eine große Anzahl von Wohnungseigentumsinteressenten zu bestimmten Anteilen im Grundbuch eingetragen, darunter auch für Walter F., der am 16. Februar 1958 seinen Miteigentumsanteil an die Klägerin verkaufte. Der Miteigentumsanteil der Klägerin beträgt 115/4710, ihr Eigentumsrecht an diesem wurde am 6. Juni 1959 einverleibt. W. F. zahlte als Kaufpreis 8800 S, die Klägerin 14.000 S. Das Haus wurde aus Mitteln des Wohnhaus-Wiederaufbaufonds wiederhergestellt. Der Wiederaufbau begann im Jahre 1959 und war im September 1961 beendet. Die Beschränkung des Miteigentums der Klägerin zugunsten der übrigen Miteigentümer und ihr Wohnungseigentum an der Wohnung Nr. 15 des Hauses wurden am 23. Februar 1961 im Grundbuch eingetragen. Die Klägerin bezog die Wohnung, die der ehemaligen Wohnung des Beklagten entspricht, am 29. September 1961. Mit dem Schreiben vom 12. August 1963 machte sie dem Beklagten ein die Eigentumswohnung betreffendes Anbot mit dem Preise von 100.000 S. Nachdem dieses vom Beklagten abgelehnt worden war, nahm sie eine Detaillierung des Anbotes in der Weise vor, daß der Preis für eine gleichartige Wohnung mit 85.000 S und die Höhe der Investitionen der Klägerin in der Wohnung mit 15.227.05 S beziffert wurden und das Anbot mit dem Preise von 100.000 S aufrecht blieb. Nach einer weiteren Ablehnung des Beklagten präzisierte die Klägerin ihr Anbot noch eingehender. Der Beklagte lehnte es jedoch weiterhin ab. Der ortsübliche Preis für den Liegenschaftsanteil mit der Eigentumswohnung hatte im Jahre 1961 die Höhe von 130.000 S, der Betrag von 15.000 S entspricht den von der Klägerin in der Wohnung gemachten Investitionen.

In rechtlichen Beziehung gelangte das Erstgericht zu folgenden Ergebnissen. Die Klägerin hätte das Anbot spätestens am 29. September 1961 stellen sollen, nämlich an dem Tag, an dem sie die Wohnung bezogen hat. Für die Höhe des Anbotes seien nicht die Bedingungen maßgebend, zu denen die anderen Miteigentümer ihre Miteigentumsanteile erworben haben, da ihnen im September 1961 solche nicht angeboten worden seien und sie den Grundpreis damals schon längst bezahlt gehabt haben. Die Höhe des Preises des Anbotes müsse vielmehr nach dem im September 1961 ortsüblichen Preise berechnet werden. Da aber das von der Klägerin gestellte Anbot sogar unter diesem Preise liege und es der Beklagte nicht angenommen habe, sei dessen auf § 20 WWG. gegrundetes Recht als Altmieter erloschen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge, hob das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und erteilte der ersten Instanz den Auftrag, das Verfahren zu ergänzen. Es legte dar, daß die Klägerin nicht verpflichtet sei, dem Beklagten die Eigentumswohnung zu den gleichen Bedingungen anzubieten, zu denen im Jahre 1952 die anderen Wohnungen an die übrigen Wohnungseigentümer vergeben worden seien. Maßgebend sei vielmehr der ortsübliche Preis in dem Zeitpunkt der erstmaligen Übernahme der Wohnung in Eigenbenützung. Dieser Zeitpunkt sei aber im Gesetz nicht genau festgelegt. Im Sinne der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes EvBl. 1958 Nr. 148 sei es derjenige, in dem das Haus im Rohbau fertiggestellt worden sei und die Installationen begonnen haben. Sollte im vorliegenden Fall dieser Zeitpunkt nach dem 23. Februar 1961 liegen, wäre er für die Berechnung des Preises maßgebend. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre die Berechnung nach dem ortsüblichen Preise am 23. Februar 1961 vorzunehmen, da die Klägerin erst damals Wohnungseigentümerin geworden sei und sie früher eine Anbotspflicht nicht getroffen habe. Da jedoch der Sachverständige bei seinen Berechnungen den 29. September 1961 als den maßgebenden Tag angesehen habe, sei eine Ergänzung des Sachverständigengutachtens erforderlich.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung, allenfalls nach ergänzender Verhandlung, an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Beklagte wendet sich in seinem Rekurs gegen die Meinung des Berufungsgerichtes, daß die Höhe des Preises des Anbotes nach dem ortsüblichen Preis für einem Liegenschaftsanteil gegenständlicher Art in dem Zeitpunkt der Fertigstellung des Rohbaues des Hauses und des Beginnes der Installationen zu berechnen sei. Er ist der Ansicht, daß von dem Grundpreis ausgegangen werden müsse, zu dem die anderen Wohnungseigentümer ihre Miteigentumsanteile erworben haben.

Diese Ausführungen sind jedoch unstichhältig. Es ist nur der Rekursantrag gerechtfertigt, den Beschluß des Berufungsgerichtes aufzuheben und der zweiten Instanz eine neuerliche Entscheidung aufzutragen.

§ 20 (2) lit. a WWG. enthält die Bestimmung, daß dem Altmieter der Erwerb des Wohnungseigentums an den von ihm ehemals benützten Räumen zu den gleichen Bedingungen wie den übrigen Wohnungseigentümern des Hauses angeboten werden muß, falls die Bedingungen für den Altmieter nicht ungünstiger als die ortsüblichen sind. Das Anbieten nach § 20

(2) lit. a WWG. "zu den gleichen Bedingungen" hat aber zur Voraussetzung, daß seit den Anboten an die übrigen Wohnungseigentümer nicht eine Veränderung in den Umständen eingetreten ist, die bewirkt, daß ein derartiges Anbot für den Liegenschaftseigentümer bzw. Wohnungseigentümer unzumutbar ist. Aus den Gesetzmaterialien ist zu erkennen daß der Gesetzgeber von dem Fall eines ungefähr gleichzeitigen Anbietens an den Altmieter und die übrigen Wohnungseigentümer ausging. In dem betreffenden Bericht und Antrag des Handelsausschusses (238 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, VI. GP. S. 5) wird ausgeführt, daß zur Vermeidung einer Schlechterstellung des Altmieters gegenüber anderen Personen, die im gleichen Hause Wohnungseigentum erwerben wollen, vorgesehen sei, daß dem Anbot an ihn keine ungünstigeren Bedingungen zugrunde gelegt werden dürfen. Aus dem Worte "wollen" ist aber zu schließen, daß nicht auch Anbote heranzuziehen sind, die schon vor einer Reihe von Jahren gestellt und angenommen worden sind. Im vorliegenden Falle ist bereits durch die Verringerung der Kaufkraft des Schillings in der Zeit vom Jahre 1952 bis zu dem gemäß § 20 WWG. maßgebenden Zeitpunkt durch die in dieser Zeit erbrachten Leistungen der Miteigentümer und durch den inzwischen erfolgten Wiederaufbau des Hauses eine solche Veränderung eingetreten, daß der Klägerin nicht zugemutet werden kann, ihrem Anbot die Bedingungen zugrunde zu legen, zu denen die Anbote im Jahre 1952 gestellt worden sind. Was der Beklagte zu erreichen beabsichtigt, ist nicht die Erwerbung des mit dem Wohnungseigentum verbundenen Liegenschaftsanteiles zu den Bedingungen, zu denen die übrigen Wohnungseigentümer ihre Anteile erworben haben, sondern ein Erwerb zu wesentlich besseren Bedingungen; denn er will nur einen der Höhe nach und nicht auch einen der Kaufkraft des Geldes nach gleichen Geldbetrag als Grundstückspreis bezahlen. Sind jedoch nicht die Bedingungen für die übrigen Miteigentümer als Grundlage des Anbotes heranzuziehen, so ist es nach den ortsüblichen Bedingungen, das ist nach dem Verkehrswert, zu berechnen.

Dieser bestimmt sich nach den Preisen, die am maßgeblichen Ort zur maßgeblichen Zeit für Eigentumswohnungen der gleichen Art regelmäßig erzielt worden sind (MietSlg. Nr. 7604 u. a.). Die Beurteilung, welcher Zeitpunkt als der maßgebliche anzusehen ist, hat nicht mehr zu erfolgen, da dies bereits im Titelverfahren geschehen ist, in dem über den Anspruch auf Anbotstellung rechtskräftig entschieden wurde. Wenn auch für diese Frage aus dem Urteilsspruch nichts zu ersehen ist, so sind doch die Urteilsgrunde für die Auslegung der Tragweite des Spruches heranzuziehen (SZ. XXV 121, 6 Ob 122/62 u. a.). Aus den Entscheidungsgründen der Urteile der zweiten und dritten Instanz ist jedoch zu erkennen, daß als der maßgebliche Zeitpunkt der 29. September 1961 betrachtet wurde. Das Erstgericht ist demnach mit Recht von diesem Zeitpunkt ausgegangen und es liegt kein Grund vor, der ersten Instanz aufzutragen, eine Ergänzung des Sachverständigengutachtens für einen anderen Zeitpunkt zu veranlassen.

Da aber die Lösung der Frage, welche Preise zur maßgebenden Zeit für Eigentumswohnungen der gegenständlichen Art regelmäßig in W. erzielt worden sind und wie hoch daher der Verkehrswert des Miteigentumsanteiles damals war, in den Bereich der Beweiswürdigung gehört und die diesbezügliche Beweiswürdigung des Erstgerichtes bekämpft wurde, hätte sich das Berufungsgericht mit den Ausführungen der beklagten Partei zum Berufungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung zur Gänze beschäftigen sollen. Es wird dies in einem ergänzenden Verfahren nachzuholen haben und neuerlich entscheiden müssen.

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