Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Mit Anerkenntnisurteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 23. März 1982, 31 C 64/82 -3, wurde der Verpflichtete in aufrechter Ehe schuldig erkannt, der betreibenden Partei ab 1. März 1982 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 2.000,-- zu zahlen.
Das Begehren der betreibenden Partei, der Verpflichtete sei schuldig, ihr anstelle dieses Unterhaltsbetrages vom 1. Februar 1984 bis 27. Mai 1986 einen weiteren monatlichen Unterhaltsbetrag von S 800,--, somit insgesamt S 2.800,--, und ab 28. Mai 1986 einen weiteren monatlichen Unterhaltsbetrag von S 1.000,--, insgesamt daher S 3.000,-- monatlich zu bezahlen, wies das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht mit Urteil vom 23. April 1987 ab, weil die betreibende Partei, wie in den Entscheidungsgründen ausgeführt wird, ihren Unterhaltsanspruch gegenüber dem Verpflichteten verwirkt habe (2 R 127/87-45 in 31 C 29/86 des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz). Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 23. September 1986 wurde der betreibenden Partei auf Grund des Anerkenntnisurteiles vom 23. März 1982 zur Hereinbringung des rückständigen Unterhalts von S 2.000,-- für die Zeit vom 1. bis 30. September 1986 und der ab 1. Oktober 1986 am Ersten eines jeden Monats fällig werdenden Unterhaltsbeträge von je S 2.000,-- die Lohnexekution bewilligt. Am 2. Juni 1987 stellte der Verpflichtete den Antrag, diese Exekution gemäß § 39 Abs 1 Z 1 EO einzustellen, weil das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz mit dem erwähnten Urteil vom 23. April 1987 zu Recht erkannt habe, daß die betreibende Partei ihren Unterhaltsanspruch verwirkt habe.
Das Erstgericht bewilligte diesen Antrag; die zweite Instanz wies ihn ab und sprach aus, daß der Revisionsrekurs zulässig sei. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz habe im Verfahren 31 C 29/86 nicht über den gesamten Unterhaltsanspruch der betreibenden Partei, sondern nur über ein Erhöhungsbegehren zu erkennen und sich mit der Frage der Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nur als Vorfrage zu befassen gehabt. Die in einer gerichtlichen Entscheidung enthaltene Beurteilung einer Vorfrage erwachse nicht in Rechtskraft und könne daher auch keine Bindungswirkung entfalten. Das Anerkenntnisurteil vom 23. März 1982 sei weder für ungültig erkannt noch aufgehoben oder sonst für unwirksam erklärt worden.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Verpflichteten ist nicht berechtigt. Gegenstand des Verfahrens 31 C 29/86 des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz war allein das Begehren der betreibenden Partei, der Verpflichtete sei schuldig, den ihr zu leistenden Unterhaltsbetrag um monatlich S 800,-- bzw. S 1.000,-- zu erhöhen. Die Abweisung dieses Begehrens hat keinerlei Auswirkungen auf den der betreibenden Partei mit dem Anerkenntnisurteil vom 23. März 1982 zugesprochenen Unterhalt. Gewiß geht aus der Begründung der Berufungsentscheidung hervor, daß die betreibende Partei nach Ansicht des Berufungsgerichtes ihren Unterhaltsanspruch gegenüber dem Verpflichteten schlechthin verwirkt habe, doch kann sich diese Beurteilung nur auf jenes Begehren auswirken, über das zu entscheiden war. Die Rechtskraftwirkung eines Urteils erstreckt sich grundsätzlich nur auf den Spruch; die Entscheidungsgründe werden der Rechtskraft nicht teilhaftig. Die in der Entscheidung enthaltene Beurteilung von Vorfragen erwächst ebensowenig in Rechtskraft wie die Tatsachenfeststellungen des Gerichtes, die es zur Gewinnung des für die Subsumption erforderlichen Tatbestandes benötigt (JBl 1984, 489; Fasching III 712). Nur dann, wenn auch die Lösung der Vorfrage zum Gegenstand des Urteils werden muß, weil ein Zwischenfeststellungantrag gestellt wurde, erwächst dieser Urteilstenor in Rechtskraft; dann aber handelt es sich um keine Vorfrage mehr, denn durch den Zwischenfeststellungsantrag wird das Begehren auf Feststellung des Bestandes oder Nichtbestandes des präjudiziellen Rechtsverhältnisses zum selbständigen Entscheidungsgegenstand. Das Gericht hat daher in einem zweiten Prozeß, in dem es die in einem Vorprozeß bloß als Vorfrage beurteilte Rechtsfrage entweder als Hauptsache oder wieder als Vorfrage neuerlich zu entscheiden hat, dies ohne Rücksicht auf die bereits erfolgte Beurteilung der Vorfrage zu tun (Fasching aaO). Zwar führt ein Urteil eines Vorprozesses auch dann, wenn es mangels Identität des Begehrens keine formelle Rechtskraftwirkung übt, doch zufolge der von ihm geschaffenen materiellen Rechtskraft zu einer inhaltlichen Bindung des später entscheidenden Gerichtes. Das ist etwa dann der Fall, wenn Parteien und rechtserzeugender Inhalt identisch sind und beide Prozesse in einem so engen inhaltlichen Zusammenhang stehen, daß die Gebote der Rechtssicherheit und der Entscheidungsharmonie eine widersprechende Beantwortung derselben, in beiden Fällen entscheidenden Rechtsfragen nicht gestatten (MietSlg. 22.618, RZ 1977/49, 7 Ob 680/78 ua; Fasching III 705 f). Daß aber eine andere Beurteilung der Frage, ob die betreibende Partei ihren Unterhaltsanspruch gegen den Verpflichteten verwirkt hat, in einem Folgeprozeß zu einem untragbaren Ergebnis führen würde, so daß die Beurteilung dieser Frage durch das Berufungsgericht mit Urteil vom 23. April 1987 als auch für den Folgeprozeß mit bindender Wirkung entschieden angesehen werden mÜßte, kann keineswegs gesagt werden.
In allen behandelten Fällen aber - auch in jenem, in dem die Lösung der Vorfrage durch Stellung eines Zwischenfeststellungsantrages zum Gegenstand des Urteils gemacht wird - darf nicht übersehen werden, daß der Vorprozeß nicht ein weiteres Verfahren mit entscheidet, sondern die Frage nur sein kann, ob und unter welchen Voraussetzungen die Beurteilung eines Sachverhalts in einem Vorverfahren für ein weiteres Verfahren bindend ist, ob also hier der Richter in dem vom Verpflichteten bereits anhängig gemachten Oppositionsverfahren (11 C 13/87 des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz) an die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes im Verfahren 31 C 29/86 des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz gebunden ist. Das Anerkenntnisurteil vom 23. März 1982 könnte in keinem Fall bereits durch das Urteil des Berufungsgerichtes in dem genannten Verfahren beseitigt werden. Ein weiterer Rechtsstreit wäre nur bei Identität des Begehrens entbehrlich (Fasching aaO 702).
Aus der vom Rekursgericht und dem Rechtsmittelwerber zitierten Abhandlung von Wit, Probleme der Teileinklagung und Rechtskraft unter besonderer Berücksichtigung der Unterhaltsansprüche, JBl 1981, 406 ff, kann für die vorliegende Rechtsfrage nichts gewonnen werden; soweit der nicht aus dem vierten Absatz auf S 408 im Sinne des Rekurswerbers zu verstehen wäre, könnte ihr aus den obigen Gründen nicht gefolgt werden.
Mit Recht hat daher das Rekursgericht den Einstellungsantrag des Verpflichteten abgewiesen.
Die Kostenentscheidung erfolgte nach § 78 EO, §§ 40 und 50 ZPO.
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