Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil zu lauten hat:
„Der Anspruch aus dem Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 30. Juni 2008, AZ 54 C 810/05a, zu dessen Hereinbringung der beklagten als betreibenden Partei wider die klagende als verpflichtete Partei mit Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 14. Dezember 2010, AZ 19 E 5531/10k, die Exekution bewilligt wurde, ist hinsichtlich 375.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 28. April 2005 erloschen.
Das Mehrbegehren, der oben genannte Anspruch sei auch hinsichtlich der Kosten von 63.798,81 EUR und der Anspruch aus dem Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 29. Juli 2009, AZ 38 R 238/08m, von 3.970,14 EUR sowie der Anspruch aus dem Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 12. Oktober 2009, AZ 19 E 5840/09z, von 2.250 EUR seien ebenfalls erloschen, wird hingegen abgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 6.033,77 EUR bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens (darin 989,46 EUR USt und 97 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen, die klagende Partei der beklagten Partei umgekehrt 8.492,12 EUR (darin 1.415,35 EUR USt).“
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 7.038,56 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 1.138,76 EUR USt und 204 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Am 14. Mai 2008 war die Beklagte Mieterin einer Liegenschaft, deren Eigentümerin die Liegenschaft nicht nur in Kenntnis des aufrechten Mietvertrags, sondern auch der dort bestehenden Abfallentsorgungsprobleme erworben hatte.
Die Klägerin hatte diese Liegenschaft von der Beklagten in Untermiete erhalten.
Am 19. Mai 2009 verkaufte die Eigentümerin die Liegenschaft an eine andere Gesellschaft und hielt im Vertrag fest, dass die Liegenschaft bestandfrei übergeben wird. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war die Beklagte nicht mehr Mieterin und hatte den Bestandgegenstand an die Vermieterin zurückgestellt. Die Beklagte leistete ihrer Vermieterin keinen Ersatz für Entsorgungskosten und wurde dazu auch nicht gerichtlich verpflichtet, ein darauf abzielendes Verfahren ist auch nicht anhängig. Die Beklagte hat auch weder den gefährlichen Brandschutt und sonstigen Abfall beseitigt, noch Kosten hiefür getragen.
Mit Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 30. Juni 2008, GZ 54 C 810/05a‑87, wurde die Klägerin verpflichtet, der Beklagten 375.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 28. April 2008 und 63.798,81 EUR an Verfahrenskosten zu ersetzen (Schluss der mündlichen Verhandlung 14. Mai 2008). Diesem Urteil lag die Feststellung zugrunde, dass Entsorgungskosten in Höhe des Klagebetrags anfallen, wenn die Folgen eines Großbrands auf der Liegenschaft beseitigt werden. Die Klägerin war verpflichtet, der Beklagten die in Unterbestand übergebenen Liegenschaftsflächen geräumt von eigenen Fahrnissen zu übergeben. Die rechtliche Beurteilung des Urteils verweist auf die Haftung der Beklagten als Bestandnehmerin gegenüber der Liegenschaftseigentümerin, weshalb sie gegenüber der Klägerin die Entsorgungskosten, zu deren Ersatz sie selbst verpflichtet ist, im Sinn des § 1111 ABGB ihrerseits von ihrer verantwortlichen Untermieterin ersetzt verlangen kann. Die Klägerin treffe aufgrund der mietvertragswidrigen Lagerung auch ein haftungsbegründendes Verschulden.
Mit Beschluss vom 14. Dezember 2010 wurde der Beklagten wider die Klägerin aufgrund des vorgenannten Urteils sowie des zugehörigen Berufungsurteils wider die Klägerin zur Hereinbringung von 375.000 EUR Kapital samt 4 % Zinsen ab 28. April 2005 sowie der Verfahrenskosten von 63.798,81 EUR (Ersturteil) und 3.043,14 EUR (Berufungsurteil vom 29. 7. 2009), je samt 4 % Zinsen, sowie für die mit 2.063 EUR bestimmten Kosten des Exekutionsverfahrens die Fahrnisexekution bewilligt.
Am 21. April 2011 erhob die Klägerin eine Impugnationsklage mit der Behauptung, dass die Beklagte bislang keine Entsorgungsleistungen erbracht habe, weshalb die Leistungsverpflichtung der Klägerin noch nicht fällig geworden sei. Das Impugnationsklagebegehren wurde mit Urteil vom 5. Jänner 2012 rechtskräftig abgewiesen. Das in diesem Verfahren später erhobene Vorbringen, die im Urteil ausgesprochene Verbindlichkeit der Klägerin sei später weggefallen, wurde unter Hinweis auf die Eventualmaxime nicht berücksichtigt.
Am 3. Februar 2012 erhob die Klägerin Oppositionsklage mit dem Vorbringen, nach der letzten mündlichen Verhandlung des erstinstanzlichen Verfahrens (14. Mai 2008), das zum Titelurteil geführt habe, sei die dem Titelurteil zugrunde liegende Ersatzpflicht der Beklagten gegenüber der Liegenschaftseigentümerin endgültig weggefallen. Die die titulierte Forderung betreibende Beklagte sei von ihrer Vermieterin nicht auf Ersatz des Brandbeseitigungsschadens gemäß § 1111 ABGB geklagt worden und habe ihr diesen auch nicht ersetzt. Spätestens am 18. Mai 2010 sei die Präklusivfrist des § 1111 ABGB abgelaufen und daher der Anspruch der Vermieterin gegen die Beklagte endgültig erloschen. Die Beklagte sei durch den endgültigen Wegfall der Verbindlichkeit von ihrem (fiktiven) Schaden befreit, damit sei die entscheidende Voraussetzung für den betriebenen Exekutionstitel weggefallen.
Die Beklagte bestritt, dass sie ihr Vermieter nicht mehr in Anspruch nehmen könne. Für die Rückforderung einer Zahlung der Klägerin, die aufgrund einer Judikatschuld erfolgt sei, gebe es keine Grundlage. Derartige Einwendungen hätte die Klägerin schon im Titelverfahren erheben können und müssen. Darüber hinaus ergebe sich auch aus dem Abfallwirtschaftsgesetz eine Beseitigungsverpflichtung der Beklagten.
Das Erstgericht erklärte den Anspruch aus dem Urteil vom 30. Juni 2008 zur Hereinbringung der Kapitalforderung von 375.000 EUR sA, zu dessen Hereinbringung der Beklagten die Exekution bewilligt worden sei, für erloschen. Der Schaden der Beklagten habe nur in einer Verbindlichkeit gegenüber ihrer Vermieterin bestanden. Da die Vermieterin die Frist des § 1111 ABGB ungenützt verstreichen habe lassen und die Beklagte den eingetretenen Schaden nicht selbst behoben habe, komme ‑ wenn sie Ersatz leisten würde ‑ ein Anspruch nach § 1435 ABGB in Betracht, wenn eine materiell‑rechtliche Grundlage des Urteils durch eine nachträgliche Sachverhaltsänderung beseitigt worden sei.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinn der Klageabweisung ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung dazu fehle, inwieweit der Wegfall von Entscheidungsprämissen im Titelverfahren einen tauglichen Oppositionsgrund bilde. Die Überprüfung des Wegfalls der rechtlichen Prämissen des Titelverfahrens komme der inhaltlichen Überprüfung des Titelverfahrens gleich, die im Oppositionsverfahren nicht möglich sei. Der Sachverhalt habe sich nach dem Titelverfahren nicht verändert. Weder damals noch heute seien gegen die Beklagte Schadenersatzansprüche erhoben worden.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des Ersturteils anstrebt, ist zulässig und berechtigt.
1. Gegenstand der mit der Oppositionsklage erhobenen Einwendungen ist derjenige Anspruch, welcher der Exekutionsbewilligung zugrunde liegt. Das ist der im Exekutionstitel festgelegte Anspruch. Entscheidend für den Erfolg der Oppositionsklage ist allein, ob dieser Anspruch durch die eingewendeten Tatsachen erloschen oder gehemmt ist. Es ist daher dem Oppositionsbeklagten verwehrt, dem Vorbringen des Klägers, der Anspruch, zu dessen Gunsten Exekution geführt werde, sei erloschen, entgegenzusetzen, derselbe Betrag gebühre aufgrund einer anderen Anspruchsgrundlage (RIS‑Justiz RS0032964). Es ist im vorliegenden Fall daher allein zu prüfen, ob der mit Urteil vom 30. Juni 2008 zugesprochene Schadenersatzanspruch, der der den Gegenstand dieser Oppositionsklage bildenden Exekution zugrundeliegt, durch nachträgliche Sachverhaltsänderung erloschen ist.
Dem Oppositionstitel lag ausschließlich der Ersatz jenes Schadens zugrunde, der der Beklagten dadurch entstand, dass sie durch die Handlungen und Unterlassungen der Klägerin als ihrer Untermieterin Ersatzforderungen der Liegenschaftseigentümerin im Sinn des § 1111 ABGB ausgesetzt war (Entsorgungskosten infolge vertragswidriger Ablagerung und nach einem Großbrand). Ob die Beklagte aufgrund weiterer Sachverhaltsumstände, etwa aufgrund behördlicher Entsorgungsverfügungen oder sonstiger Ansprüche aus ihrem Verhältnis zur Liegenschaftseigentümerin Ansprüche gegenüber der Klägerin hat, ist hingegen nicht zu prüfen, weil sie nicht Grundlage des Exekutionstitels waren.
2. Entgegen der dem Berufungsurteil zugrunde liegenden Annahme, die Tatsachengrundlage habe sich nach Titelentstehung nicht geändert, ist im vorliegenden Fall insoweit nach Titelentstehung eine maßgebliche Sachverhaltsänderung eingetreten, als die Präklusivfrist für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen im Sinne des § 1111 ABGB abgelaufen ist. Der erkennende Senat hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass die eingetretene Verjährung des vollstreckbaren Anspruchs einen Oppositionsgrund bildet (RIS‑Justiz RS0001244, RS0000337).
Dies muss ebenso (umso mehr) für den Ablauf einer Präklusivfrist gelten.
Die Klägerin macht hier zutreffend geltend, dass der Wegfall des vorher zuerkannten Schadenersatzanspruchs ein tauglicher Oppositionsgrund ist, weil sie sich auf Tatsachen stützt, die nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz im Titelverfahren eintraten (Rückgabe des Bestandobjekts und Ablauf der Frist nach § 1111 ABGB für die vom Liegenschaftseigentümer gegen die Beklagte als Mieterin möglichen Schadenersatzansprüche). Von einer im Oppositionsverfahren nicht zulässigen „Überprüfung des Titelverfahrens“ kann daher keine Rede sein. Die zum damaligen Zeitpunkt noch nicht abgelaufene Präklusivfrist hätte die Klägerin im Titelverfahren nicht einwenden können.
Gemäß § 1111 ABGB haften Mieter und Pächter sowohl für ihr eigenes als auch des Afterbestandnehmers Verschulden bei Beschädigung des Miet‑ oder Pachtstücks. Der Bestandgeber muss den Ersatz aus dieser Haftung längstens binnen einem Jahr nach Rückstellung des Bestandstücks gerichtlich fordern. Es handelt sich um eine Präklusivfrist (RIS‑Justiz RS0020483), die auch für Ersatzansprüche wegen Nichtwiederherstellung des ursprünglichen Zustands oder Fehlens von Inventar gilt (KBB ABGB 4 Rz 3 zu § 1111 mwN zur Rsp); die Frist findet auch dann Anwendung, wenn der Schadenersatzanspruch aus Vereinbarungen im Mietvertrag abgeleitet wird, die die Übernahme einer Zufallshaftung zum Gegenstand haben (RIS‑Justiz RS0020791). Die von der Beklagten angesprochene Ausnahme, wonach § 1111 ABGB auf die vertraglich vereinbarte Kostenersatzpflicht des Bestandnehmers für die vom Bestandgeber übernommene Beseitigung der vom Bestandnehmer verursachten Bodenverunreinigung durch Mineralöl nicht anzuwenden ist (8 Ob 117/00i = SZ 74/136), ist hier nicht anzuwenden, weil dem Exekutionstitel keine vertraglich übernommene Verpflichtung zugrunde liegt.
3. Das Erlöschen des Anspruchs ist nach dem Zeitpunkt zu beurteilen, in dem die den Anspruch aufhebende oder hemmende Tatsache wirksam wurde. Es ist daher möglich, dass eine Exekutionsbewilligung im Zeitpunkt der Bewilligung begründet war und erst durch die später eintretende Tatsache, die den Anspruch aufhebt oder hemmt, unzulässig wird. In einem solchen Fall kann die Exekution nur bezüglich des Kapitals und der Zinsen für unzulässig erklärt werden, während die Exekution zur Hereinbringung von Klagekosten weiter zu führen ist. In diesem Fall ist die Exekution nach § 39 Z 5 und § 43 EO nur einzuschränken. Bezüglich der Exekutionskosten ist nicht im Oppositionsprozess, sondern vom Exekutionsgericht gemäß § 75 EO zu entscheiden. Die Entscheidung hängt wieder von dem Zeitpunkt ab, in dem die aufhebende oder hemmende Tatsache wirksam wurde; vor diesem Zeitpunkt entstandene Exekutionskosten bleiben aufrecht. Auf nachher entstandene Exekutionskosten hat der betreibende Gläubiger keinen Anspruch (RIS‑Justiz RS0001356). Zum Zeitpunkt der hier maßgeblichen Exekutionsbewilligung (14. Dezember 2010) war der dem Exekutionstitel zugrunde liegende Schadenersatzanspruch aber bereits gemäß § 1111 ABGB verfristet, hat das zugrunde liegende Bestandverhältnis festgestelltermaßen doch spätestens am 19. Mai 2009 geendet. Die den Anspruch vernichtende Tatsache ist daher bereits vor der Exekutionsbewilligung eingetreten. Über die Kosten der Exekutionsbewilligung ist im Oppositionsprozess aber nicht zu entscheiden. Die Verfahrenskosten, die vor dem Wegfall der Grundlage des Exekutionstitels im Mai 2010 aufgelaufen sind, sind hingegen nicht Gegenstand der Aufhebung des Exekutionstitels (Erlöschen des Anspruchs), weshalb die Oppositionsklage insoweit abzuweisen ist.
4. Da vom Berufungsgericht verneinte Nichtigkeiten und Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens nicht im Revisionsverfahren neuerlich geltend gemacht werden können, ist auf die Revisionsausführungen zum Bestehen allfälliger Prozesshindernisse (Streitanhängigkeit, ne bis in idem) nicht Stellung zu nehmen.
5. Da der von der Klägerin erhobenen Oppositionsklage sohin teilweise Berechtigung zukommt, ist das ihr stattgebende Ersturteil ‑ mit der genannten Ausnahme in Ansehung der Verfahrenskosten ‑ wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf §§ 43 Abs 2 und 50 ZPO.
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