Spruch:
Dem Revisonsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz wird dahin abgeändert, daß der Aufschiebungsbeschluß des Erstgerichtes mit der Änderung wiederhergestellt wird, daß die Sicherheitsleistung von 20.000 S auf 80.000 S erhöht wird.
Die Aufschiebungswerber sind schuldig, der betreibenden Partei binnen 14 Tagen die mit 16.345,80 S bestimmten Kosten des Rekurses an die zweite Instanz (darin 2.724,80 S Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Die betreibende Partei ist schuldig, den Aufschiebungswerbern binnen 14 Tagen die mit 27.528,48 S bestimmten Kosten des Revisionsrekurses (darin 4.588,08 S Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Text
Begründung
Zur Hereinbringung von 99.450 DM sA wurde der betreibenden Partei die Zwangsversteigerung der laut Grundbuchsstand im Eigentum des Verpflichteten stehenden 54/456-Anteile an einer Liegenschaft, mit welchen Wohnungseigentum verbunden ist, bewilligt. Acht der übrigen neun im Grundbuch eingetragenen Miteigentümer und Wohnungseigentümer erheben nur gegen die betreibende Partei eine Exszindierungsklage und beantragen, gestützt auf diese Klage, die Aufschiebung des Zwangsversteigerungsverfahrens, in welchem schon das Versteigerungsedikt erlassen worden ist.
In ihrer Exszindierungsklage machen die Aufschiebungswerber geltend, die 54/456-Anteile des Verpflichteten stünden entgegen dem Grundbuchsstand im gemeinsamen Miteigentum aller Exszindierungskläger und eines nicht mitklagenden neunten Miteigentümers und Wohnungseigentümers, weil es sich bei der zu versteigernden Wohnung um einen als Hausbesorgerwohnung gewidmeten Teil der Gesamtliegenschaft handle, der gemäß § 1 Abs 3 WEG der allgemeinen Benützung diene. Wegen der Rechte der Exszindierungskläger sei das strittige Exekutionsobjekt nicht als Vermögen des Verpflichteten zu behandeln. Die betreibende Partei sei wirtschaftlich dem Verpflichteten zuzurechnen und über die ganze Sach- und Rechtslage informiert. Es liege offensichtlich eine vorsätzliche Vorgangsweise der betreibenden Partei und des Verpflichteten vor.
Das Erstgericht bewilligte die Aufschiebung gegen Erlag einer Sicherheit von 20.000 S.
Das Gericht zweiter Instanz änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß der Aufschiebungsantrag abgewiesen wurde, und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Es war der Auffassung, daß die vorliegende Exszindierungsklage schon deshalb aussichtslos sei, weil sie nicht von allen Miteigentümern, zwischen denen eine notwendige Streitgenossenschaft bestehe, eingebracht worden sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Aufschiebungswerber ist zulässig und teilweise berechtigt, weil die vom Gericht zweiter Instanz angeführte Rechtsprechung nicht ohne weiteres auf eine Exszindierungsklage der vorliegenden Art übertragen werden kann.
Zutreffend geht das Gericht zweiter Instanz davon aus, daß die Aufschiebung dann nicht bewilligt werden kann, wenn die Klageführung der Aufschiebungswerber mit hoher Wahrscheinlichkeit als aussichtslos zu beurteilen ist (RdW 1989, 160). Die fehlende Behauptung und Bescheinigung einer Gefahr im Sinne des § 44 Abs 1 EO schadet nicht, weil auch nach der jüngsten Rechtsprechung des erkennenden Senates bei einem Zwangsversteigerungsverfahren diese Gefahr zumindest ab der Erlassung des Versteigerungsediktes offenkundig ist (RZ 1990/60).
Eine einheitliche Streitpartei im Sinne des § 14 ZPO liegt vor, wenn sich die Wirkung des zu fällenden Urteiles nach der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses oder kraft gesetzlicher Vorschrift auf sämtliche Streitgenossen erstreckt. Eine sogenannte notwendige Steitgenossenschaft ist nur gegeben, wenn wegen Nichterfassung aller Beteiligten die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch divergierende Entscheidungen besteht, wenn also die Gemeinschaftlichkeit der rechtserzeugenden Tatsachen zwangsläufig zu einer Einheitlichkeit der Entscheidung führen muß (MietSlg 30/9 mwN).
Diese Voraussetzungen wurden in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes für die Parteien eines Wohnungseigentumsvertrags zB bejaht, wenn es um die Feststellung von Rechtsverhältnissen ging, die alle Wohnungseigentümer in gleichem Maß betreffen (MietSlg 20.676 = ImmZ 1968, 334; NSp 1989/281), wenn die "Rückübertragung" einer Hausbesorgerwohnung begehrt wurde (MietSlg 32.639) oder wenn auf die Zustimmung zur Begründung von Wohnungseigentum entsprechend einer alle Miteigentümer berührenden Neuparifizierung geklagt wurde (MietSlg 34.694).
Für die vorliegende Exszindierungsklage treffen die genannten Voraussetzungen aber nicht zu. Die nur gegen die betreibende Partei gerichtete Exszindierungsklage ist eine Rechtsgestaltungsklage, die lediglich die Einstellung der von der betreibenden Partei geführten Exekution bezweckt (Heller-Berger-Stix 448). Wenn die strittige Exekutionsführung die Rechte der übrigen Miteigentümer beeinträchtigt, dann steht jedem dieser Miteigentümer das Widerspruchsrecht nach § 37 EO für sich selbst zu, weil durch die Einbringung einer Exszindierungsklage nicht in das Gesamtrecht der Miteigentümergemeinschaft eingegriffen wird. Es können also die für Eigentumsklagen, Negatorienklagen, Räumungsklagen gegen titellose Benützer, nachbarrechtliche Unterlassungsansprüche oder possessorischen Rechtsschutz entwickelten Grundsätze (siehe etwa die Nachweise bei Gamerith in Rummel ABGB2 Rz 6 zu § 828) auch auf eine Exszindierungsklage der vorliegenden Art übertragen werden.
Nur deshalb, weil nicht alle Miteigentümer der strittigen Liegenschaft am Exszindierungsprozeß beteiligt sind, ist also die dem Aufschiebungsantrag zugrunde liegende Exszindierungsklage nicht aussichtslos.
Zu prüfen ist aber, welche Rechte den Exszindierungsklägern nach ihren Klagsbehauptungen an der strittigen Wohnung zustehen und ob diese Rechte einen Widerspruchsgrund nach § 37 EO darstellen.
Wenn die zu versteigernde Wohnung von vornherein als Hausbesorgerwohnung gewidmet war, gehört sie zu den der allgemeinen Benützung dienenden Teilen der Liegenschaft im Sinne des § 1 Abs 3 WEG 1975 (ebenso früher § 1 Abs 3 WEG 1948), an der Wohnungseigentum nicht bestehen kann. Die Vorschrift des § 1 Abs 3 WEG hat zwingenden Charakter (MietSlg 33/11). Entgegenstehende Vereinbarungen (siehe besonders § 24 Abs 1 WEG) und auf Grund solcher Vereinbarungen durchgeführte Grundbuchseintragungen sind daher nichtig (MietSlg 38/53; ebenso kürzlich 5 Ob 1/91 in dem vom Verpflichteten gegen die jetzigen Exszindierungskläger angestrengten Rechtsstreit 16 Cg 310/89 des Landesgerichtes Innsbruck).
Aber nicht nur das Wohnungseigentum des Verpflichteten, sondern auch das Wohnungseigentum der Exszindierungskläger könnte von Nichtigkeit bedroht sein. Da die Hausbesorgerwohnung als ein der allgemeinen Benützung dienender Teil nicht gesondert zu parifizieren ist, ist der Nutzwert der einzelnen Wohnungen für die jetzt noch das Wohnungseigentum der Exszindierungskläger eingetragen ist, unter Umständen höher als bisher festgesetzt. Den Exszindierungsklägern könnte daher der zum Erwerb des Wohnungseigentums erforderliche Mindestanteil im Sinn der §§ 2 Abs 1 und 3 Abs 1 WEG 1975 (bzw § 2 WEG 1948) fehlen.
Sowohl die Exszindierungskläger (und der genannte nicht mitklagende weitere Miteigentümer) als auch der Verpflichtete wären dann nur schlichte Miteigentümer. Trotz eventueller Unwirksamkeit der zwischen ihnen geschlossenen Vereinbarungen müßte man aber immerhin von einer Benützungsvereinbarung in der Form ausgehen, daß die Exszindierungskläger einerseits ihre einzelnen Wohnungen unabhängig vom eventuell noch nicht zustandegekommenen Wohnungseigentum allein und andererseits die derzeit dem Verpflichteten allein zugeschriebene Wohnung gemeinsam zum Zwecke der Unterbringung des Hausbesorgers nutzen können (vgl EvBl 1991/68). Neben den sich aus einer solchen Benützungsvereinbarung ergebenden Rechten stünden des Exszindierungsklägern als Wohnungsbewerbern weiters alle Ansprüche gegen den Verpflichteten als Wohnungseigentumsorganisator im Sinne der §§ 23 f WEG zu.
Alle diese Rechte sind zwar nur obligatorische Natur.
Eine Benützungsvereinbarung gilt nur zwischen denjenigen Miteigentümern, die sie getroffen haben, und ist von einem Einzelrechtsnachfolger nur im Fall der Überbindung zu beachten (MietSlg 36.066). Auch die Rechte eines Wohnungseigentumsbewerbers haben grundsätzlich keinen dinglichen Charakter, auch wenn im Schrifttum wegen verschiedener Schutzbestimmungen des Gesetzes auch von einer quasidinglichen Stellung des Wohnungseigentumsbewerbers gesprochen wird.
Obwohl sich demnach die Exszindierungskläger nicht auf ein dingliches Recht am zu versteigernden Miteigentumsanteil des Verpflichteten stützen können, kann jedoch ihre Klageführung unter folgenden Umständen berechtigt sein:
Die Rechtsstellung des Verpflichteten könnte bei entsprechender Ausgestaltung der einzelnen Verträge der eines Treuhänders der übrigen Miteigentümer nahekommen (MietSlg 31.542; vgl auch Meinhart in WuS 1982, 37 (45)). Anhaltspunkte lägen hier darin, daß nicht von vornherein festgelegt war, welche der zehn Wohnungen die Hausbesorgerwohnung werden würde. Der Verpflichtete hat also sozusagen alle Wohnungen für den Fall der späteren Miteigentümer treuhändig mitverwaltet. Hätten die Exszindierungskläger schon den gesamten Kaufpreis nicht nur für die von ihnen schon erworbenen Miteigentumsanteile, sondern auch für die von ihnen zur Schaffung des Mindestanteils noch erforderlichen, ihnen erst zur übertragenden Miteigentumsanteile bezahlt (etwa auch dadurch, daß die bisher geleisteten "Mietzinse" als Kaufpreisraten anzurechnen wären) oder böten sie zumindest die erforderliche Restzahlung Zug um Zug gegen Verschaffung des vollen Miet- und Wohnungseigentumsrechtes an, dann dürfte man den Miteigentumsanteil des Verpflichteten wie im Fall eines echten Treuhandeigentums nicht mehr dem Vermögen des Verpflichteten und dem Befriedigungsfonds seiner Gläubiger zurechnen (ÖBA 1990/228).
Falls die betreibende Partei im Sinne der Behauptungen der Exszindierungskläger Kenntnis von allen Vereinbarungen und schon erbrachten Leistungen haben sollte, könnte aber auch ein doloses Zusammenspiel der betreibenden Partei mit dem Verpflichteten in Frage kommen, dem die Exszindierungskläger mit einer Klage nach § 37 EO entgegentreten könnten (Faistenberger-Barta-Call, Komm zum WEG, Rz 40 zu § 25; vgl auch SZ 60/281). In diesem Zusammenhang ist auch auf die Bestimmungen des WEG hinzuweisen, welche dem Wohnungseigentumsbewerber bei Kenntnis des Dritten einen besonderen Rechtsschutz verleihen. Gemäß § 24 Abs 3 WEG erstreckt sich die Rechtsunwirksamkeit von Vereinbarungen, die die Rechte des Wohnungseigentumsbewerbers unzulässig beeinträchtigen, auch auf Dritte; es sei denn, daß ihnen die Absicht der Begründung von Wohnungseigentum weder bekannt war noch bekannt sein mußte. Nach § 24a Abs 2 WEG kann ein Wohnungseigentumsbewerber, obwohl ihm noch kein dingliches Recht zusteht, die Zusage der Einräumung des Wohnungseigentums im Grundbuch anmerken lassen. Gemäß § 25 Abs 3 WEG kann die Klage auf Verschaffung des Wohnungseigentums angemerkt werden. Beide Anmerkungen haben rangwahrenden Charakter und verschaffen gemäß § 25 Abs 4 WEG ein Aussonderungsrecht des Wohnungseigentumsbewerbers im Konkurs über das Vermögen des Wohnungseigentumsorganisators. Wenn somit ein Dritter wissentlich in das Forderungsrecht des Wohnungseigentumsbewerbers eingreift, ist er so zu behandeln, wie wenn sein guter Glaube durch die genannten Anmerkungen vernichtet wäre, und damit der Exszindierung ausgesetzt.
Unter diesen dargestellten Gesichtspunkten ist aber nicht mehr der Schluß erlaubt, daß die Exszindierungsklage mit hoher Wahrscheinlichkeit als aussichtslos zu beurteilen ist.
Mit Recht bemängelt aber die betreibende Partei in ihrem Rekurs an die zweite Instanz die Höhe der vom Erstgericht festgesetzten Sicherheit. Wenn die Forderung ca 700.000 S beträgt und mit 12 % p.a. zu verzinsen ist, so beläuft sich der jährliche Zinsenbetrag auf etwa 80.000 S. Einerseits ist die vom Erstgericht mit nur einem halben Jahr angenommene Dauer des Exszindierungsprozesses nicht realistisch, sondern hier muß doch mindestens ein Jahr veranschlagt werden. Andererseits ist es auch nicht gerechtfertigt, den der betreibenden Partei durch die Aufschiebung drohenden Zinsenschaden nur mit der Hälfte der während der Prozeßdauer anfallenden Zinsen sicherzustellen. Zwar steht nicht fest, daß die Forderung der betreibenden Partei einschließlich der schon angefallenen Zinsrückstände im Meistbot keinesfalls Deckung finden werde, eine solche Gefahr kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, sodaß bei Festsetzung der Sicherheit auch auf die für die betreibende Partei ungünstigere Möglichkeit Bedacht genommen werden muß. Die Sicherheit ist daher mit 80.000 S zu bemessen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 78 EO iVm den §§ 40, 41 und 50 ZPO.
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