OGH 3Ob106/88

OGH3Ob106/885.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Warta, Dr.Klinger und Dr.Angst als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Ö***

L*** Aktiengesellschaft, Am Hof 2, 1010 Wien, vertreten durch Dr.Wilhelm G*** ua, Rechtsanwälte in Wien, und weiterer beigetretener betreibender Gläubiger wider die verpflichteten Parteien 1.) Helga L***, Kauffrau, Waldandachtstraße 15, 2540 Bad Vöslau, und 2.) Helmut H***, Angestellter, Waldandachtstraße 15, 2540 Bad Vöslau, beide vertreten durch Dr.Erwin L***, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 6,732.138,82 sA ua, infolge Revisionsrekurses der erstbetreibenden Partei und der beigetretenen betreibenden Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1010 Wien, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgerichtes vom 13. Juni 1988, GZ R 99/88-59, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Baden vom 16.November 1987, GZ E 36/86-44, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Den Revisionsrekursen wird Folge gegeben und der Beschluß des Rekursgerichtes dahin abgeändert, daß der erstgerichtliche Beschluß wiederhergestellt wird.

Die Kosten ihres Rekurses gegen den Beschluß des Erstgerichtes haben die verpflichteten Parteien selbst zu tragen. Die Revisionsrekurskosten der betreibenden Partei

Ö*** L*** Aktiengesellschaft werden mit S 32.071,24 (darin S 2.915,57 Umsatzsteuer) und der betreibenden Partei R*** Ö*** mit S 3.858,-- als weitere Kosten des Exekutionsverfahrens bestimmt.

Text

Begründung

Zur Hereinbringung vollstreckbarer Forderungen von

S 4,633.125,95 sA und S 2,099.012,87 sA wurde der erstbetreibenden Bank vom Erstgericht am 5.März 1986 die Zwangsversteigerung der Liegenschaften EZ 456, EZ 1495, EZ 3057 und EZ 3248 je KG 04005 Gainfarn der erstverpflichteten Partei zu E 36/86, am 10.April 1986 die Zwangsversteigerung der Liegenschaft EZ 1485 KG 04035 Vöslau der erstverpflichteten Partei zu E 59/86 und am 24.April 1986 die Zwangsversteigerung der Liegenschaft EZ 660 KG 04005 Gainfarn der zweitverpflichteten Partei zu E 70/86 bewilligt. Anderen Gläubigern wurde die Zwangsversteigerung der Liegenschaften zur Hereinbringung vollstreckbarer Geldforderungen bewilligt, so auch der R*** Ö*** zur Hereinbringung vollstreckbarer Steuerforderungen. Diese Gläubiger traten den bereits eingeleiteten Versteigerungsverfahren bei (§ 139 Abs 2 EO).

Zum Gutsbestand der zu versteigernden Liegenschaft der erstverpflichteten Partei EZ 1485 KG 04035 Vöslau gehören die Grundstücke 1369 (Weingarten) mit 3.636 m2 Fläche, 1389/1 (Garten) mit 1.007 m2 Fläche, 1389/4 (Weingarten) und 205 Baufläche mit dem Haus Waldandachtstraße 15 in 2540 Bad Vöslau. In dem der Zwangsversteigerung zugrunde gelegten Schätzungsgutachten vom 22. Dezember 1986, GZ E 59/86-11, sind diese Grundstücksnummern richtig angeführt und dahin beschrieben, daß es sich bei dem Grundstück 1369 um einen ausgehackten Weingartengrund (Grundwert

3.636 m2 a S 20,-- = S 72.720,--) und bei dem Grundstück 1389/1 um einen mit dem Bauflächengrundstück 205 räumlich und wirtschaftlich verbundenen, teils für den Heurigenbetrieb, teils privat genutzten Garten (Grundwert 1.007 m2 a S 250,-- = S 251.750,--) handelt. Schon bei der am 13.Jänner 1987 ergangenen Aufforderung zur Vorlage der Versteigerungsbedingungen und der Bekanntgabe des Schätzungswertes mit S 7,644.400,-- unterlief dem Erstgericht bei der Bezeichnung der Liegenschaftsbestandteile der offenbare Schreibfehler, daß das Grundstück 1389/1 Garten als "Parz 1369/1 Garten" angeführt wurde. Die erstbeklagte Partei übernahm in die von ihr vorgelegten Versteigerungsbedingungen diese fehlerhafte Angabe des zum Grundbuchskörper gehörenden Grundstücks 1389/1.

Am 17.April 1987 ordnete das Erstgericht nach § 22 EO die Verbindung des Vollzuges der Zwangsversteigerungen zu E 36/86, E 59/86 und E 70/86 an; am 29.September 1987 genehmigte es die Versteigerungsbedingungen auf Grund des Ergebnisses der Verhandlung und setzte fest, daß alle Liegenschaften erst einzeln und dann als wirtschaftliche Einheit versteigert und der Zuschlag an den oder die Bieter erfolge, wodurch der höhere Erlös erzielt werde. Der seinerzeit unterlaufene Schreibfehler wurde nicht erkannt und daher auch in der Urschrift und den Ausfertigungen des Versteigerungsediktes vom 29.September 1987, GZ E 36/86-35, eine "Parz 1369/1 Garten" (statt richtig Grundstück 1389/1) als zum Gutsbestand der EZ 1485 KG Vöslau gehörig angegeben. Am 16.November 1987 fand die Versteigerung der Liegenschaften statt. Als die Liegenschaft EZ 1485 KG Vöslau ausgeboten wurde, wies die Rechtsvertreterin der am Erwerb interessierten

H*** Baugesellschaft mbH auf die fehlerhafte Bezeichnung des Grundstücks mit "Nr 1369/1" statt "1389/1" hin. Der Richter stellte fest, daß keiner der Anwesenden Zweifel an der Identität der zu versteigernden Liegenschaft hatte und daß es sich um einen offenbaren Schreibfehler handelte.

Das Anbot der am 12.November 1987 in das Handelsregister eingetragenen Heidelinde H*** & Co Gesellschaft m.b.H. bei der gemeinsamen Versteigerung der Liegenschaften EZ 456, 660, 1495 und 3248 je KG Gainfarn und EZ 1485 KG Vöslau lautete zuletzt auf S 13,600.000,-- und überstieg damit die bei der Einzelversteigerung dieser Liegenschaften erzielten Meistbote von zusammen S 7,695.000,--. Die gesondert versteigerte Liegenschaft EZ 3057 KG Gainfarn wurde der Heidelinde H*** & Co

Gesellschaft m.b.H. um das Meistbot von S 370.000,-- zugeschlagen. Gegen die Erteilung des Zuschlags für die übrigen versteigerten Liegenschaften an die Meistbietende erhoben die Verpflichteten und die überbotene Interessentin H*** Baugesellschaft mbH Widerspruch, weil im Versteigerungsedikt unter Bezeichnung der Liegenschaft anstelle der richtigen Grundstücksnummer "1389/1" irrtümlich die Angabe "1369/1" aufscheine.

Das Erstgericht wies den Widerspruch ab und erteilte der Meistbietenden um das Meistbot von S 13,600.000,-- den Zuschlag an den gemeinsam versteigerten Liegenschaften, weil der offenbare Schreibfehler bedeutungslos sei. Nach der Entscheidung der Grundverkehrs-Bezirkskommission für den Wirkungsbereich der Bezirkshauptmannschaft Baden, daß die Erteilung des Zuschlages an die Meistbietende den Bestimmungen des NÖ GVG 1973 entspricht, fertigte das Gericht seinen Beschluß aus (§ 13 Abs 4 NÖ GVG 1973). Das Rekursgericht änderte über den Rekurs der Verpflichteten, die behaupteten, durch die fehlerhafte Bezeichnung der zur Versteigerung gelangenden Liegenschaft seien Interessenten vom Bieten abgehalten und dadurch geringere Versteigerungserlöse erzielt worden, den Beschluß in die Versagung des Zuschlages ab. Das Rekursgericht vertrat in Ansicht, der Widerspruch sei nach § 184 Abs 1 Z 6 EO zu beachten. Der Gegenstand des Versteigerungsverfahrens werde durch den Inhalt der Versteigerungsbedingungen und das Versteigerungsedikt festgelegt. Gegenstand der Versteigerung sei daher das Grundstück "1369/1" gewesen und nicht das zugeschlagene Grundstück "1389/1". Das Meistbot habe sich daher auf ein anderes Grundstück bezogen als das in den Versteigerungsbedingungen und im Edikt genannte Grundstück "1369/1", so daß über den berechtigt erhobenen Widerspruch der Zuschlag zu versagen sei.

Diesen abändernden Beschluß des Rekursgerichtes bekämpfen die erstbetreibende Partei und die beigetretene betreibende Partei R*** Ö*** mit ihren nach § 78 EO und den §§ 528 Abs 2 und 502 Abs 4 Z 2 ZPO zulässig erhobenen Revisionsrekursen. Sie streben die Wiederherstellung der erstrichterlichen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurse sind berechtigt.

Der Widerspruch gegen die Erteilung des Zuschlages an den Meistbietenden kann unter anderem darauf gestützt werden, daß die Bedingungen, unter welchen das höchste Anbot abgegeben wurde, von den festgestellten Versteigerungsbedingungen abweichen, oder das Anbot, für welches der Zuschlag verlangt wird, nach diesen Versteigerungsbedingungen nicht zugelassen werden durfte (§ 184 Abs 1 Z 6 EO). Dieser Mangel läge vor, wenn der Meistbietende durch sonstige Erklärungen Bedingungen angegeben hätte, von denen er sein Anbot abhängig machen wollte, oder wenn das Gericht selbst gegen die genehmigten Versteigerungsbedingungen verstoßen hätte, etwa dadurch, daß es die Liegenschaften nicht in der festgesetzten Weise ausgeboten hätte (Heller-Berger-Stix 1376). Ein Widerspruch gegen die Zuschlagserteilung kann auch darauf gegründet werden, daß die Bekanntmachung des Versteigerungsediktes nicht den vorgeschriebenen Inhalt hatte oder nicht in der gesetzlich bestimmten Art veröffentlicht wurde (§ 184 Abs 1 Z 2 EO). Der Inhalt des Versteigerungsediktes wird durch § 170 EO gesetzlich vorgeschrieben. Danach muß das Edikt ua die deutliche Bezeichnung der zur Versteigerung gelangenden Liegenschaft unter kurzer Bezeichnung des mit derselben versteigerten Zubehörs und die Angabe des Wertes (§ 170 Z 1 EO), sowie die Mitteilung enthalten, daß die Versteigerungsbedingungen und die auf die Liegenschaft sich beziehenden Schätzungsprotokolle bei dem zu benennenden Exekutionsgericht eingesehen werden können (§ 170 Z 3 EO). Diese Bestimmungen sorgen dafür, daß die beabsichtigte Zwangsversteigerung den in Frage kommenden Personen mitgeteilt wird und jeder sich schon ein ungefähres Bild darüber machen kann, ob die Erwerbung der Liegenschaft für ihn zweckmäßig ist (Heller-Berger-Stix 1373). Als deutliche Bezeichnung der zur Versteigerung gelangenden Liegenschaft kann die Angabe des Grundbuchskörpers durch die Angabe der Einlagezahl (§ 3 GBG; § 4 AllgGAG; § 25 LGT) genügen; die Angabe der Liegenschaftsbestandteile, also etwa der zum Gutsbestand zählenden Grundstücke ist nicht unbedingt zu fordern (vgl. für den rechtsgeschäftlichen Erwerb EvBl 1988/90 = JBl 1988, 531). Um den Kauflustigen Ort und Lage der Liegenschaft bekannt zu geben, ordnet § 562 Geo auch nur an, daß im Versteigerungsedikt die zu versteigernde Liegenschaft nicht nur "durch die Angabe der Grundbuchseinlage", sondern auch durch die Anführung sonstiger Merkmale zu bezeichnen ist, also etwa Gasse und Hausnummer bei in größeren Orten gelegenen Liegenschaften, der Umfang zugehöriger Grundstücke bei landwirtschaftlichen Gütern und eine allfällige Benennung von Landgütern. Nur bei Überlandgrundstücken oder dann, wenn sich die zu versteigernde Liegenschaft über die Bezirke mehrerer Finanzämter erstreckt, sollten auch Grundstücksnummern und Katastralgemeinden der Nebenbestandteile der Liegenschaft angegeben werden. Die wegen der Spezialität dinglicher Rechte zu fordernde deutliche Bezeichnung der Liegenschaft erfolgt also schon durch Angabe der Einlagezahl und der Katastralgemeinde (vgl EvBl 1988/90). Diese Angabe stimmte hier bei der unter anderem versteigerten Liegenschaft EZ 1485 KG Vöslau im Exekutionsbewilligungsbeschluß, im Schätzungsprotokoll, aus dem die nähere Beschaffenheit ersichtlich ist, in den Versteigerungsbedingungen und im Versteigerungsedikt überein. Damit war die zur Versteigerung gelangende Liegenschaft ausreichend spezifiziert. Das Anbot der Meistbietenden bezog sich ohne Abweichung von den Versteigerungsbedingungen auf diese Liegenschaft mit dem nach dem Grundbuch vorhandenen Gutsbestand, der auch in der Bekanntmachung des Versteigerungsediktes als Baufläche mit dem Haus in Bad Vöslau, Waldandachtstraße 23 mit einem Garten und zwei Weingartengrundstücken näher bezeichnet ist. Daß dabei eine Ziffer der Grundstücksnummer des in der Natur an das Haus anschließenden Garten-Grundstücks 1389/1 vertauscht war, konnte schon deshalb auf den Gang der Versteigerung und das Kaufinteresse keinen Einfluß haben, weil dieser Schreibfehler in die Augen fiel:

Es war nämlich ersichtlich, daß es sich um ein durch Teilung entstandenes Grundstück handelt, und es ist nicht denkbar, daß neben dem Grundstück 1369 noch ein Grundstück 1369/1 besteht. Entscheidend war also die Bezeichnung des Grundbuchskörpers. Die Behauptung der Verpflichteten in ihrem Rekurs, durch den Schreibfehler sei ein geringerer Erlös erzielt worden, ist irreführend, denn zur Versteigerung gelangte der gesamte Gutsbestand des Grundbuchskörpers. Alle für das Bieten nach der Verkehrsauffassung bedeutsamen Umstände wie Lage, Fläche und Beschaffenheit der Liegenschaft konnten Interessierte durch Einsicht in das Schätzungsprotokoll und Besichtigung der Liegenschaft erfahren. Die Anführung der Bestandteile des Grundbuchskörpers, also etwa die Anführung der zum Gutsbestand zählenden Grundstücke mit den Vermessungsdaten und ein allenfalls dabei unterlaufender sofort als solcher erkennbarer Schreibfehler treten dann, wenn der ganze Grundbuchskörper zur Versteigerung gelangt, in der Bedeutung für durch die öffentliche Bekanntmachung zum Bieten Eingeladene erheblich zurück. Sieht man von dem seltenen Fall der grundstücksweisen Versteigerung ab, kommt die Versteigerung von Teilen eines Grundbuchskörpers nicht in Betracht, sondern es ist hier entsprechend der Versteigerungsbedingungen mit der Ausbietung des ganzen Grundbuchskörpers und gesondert mit der Ausbietung mehrerer auch die EZ 1485 KG Vöslau einschließender Grundbuchskörper als Ganzes vorgegangen worden.

Es ist daher der mit der Auffassung des Erstgerichtes übereinstimmenden Ansicht der Revisionsrekurswerber beizutreten, daß der rechtzeitig vor Beginn des Bietens aufgedeckte und berichtigte offenbare Schreibfehler bei der Bezeichnung eines der vielen Grundstücke hier keine für den Gang des Versteigerungsverfahrens maßgebende Auswirkung hatte, der Widerspruch daher unbegründet war und kein Anlaß zur Versagung des Zuschlags an die Meistbietende bestand.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 EO.

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