OGH 3Ob106/51

OGH3Ob106/5127.4.1951

SZ 24/118

Normen

ABGB §1293
Bauarbeiterurlaubsgesetz §7
Bauarbeiterurlaubsgesetz §10
Bauarbeiterurlaubsgesetz §11
Bauarbeiterurlaubsgesetz §13a
ABGB §1293
Bauarbeiterurlaubsgesetz §7
Bauarbeiterurlaubsgesetz §10
Bauarbeiterurlaubsgesetz §11
Bauarbeiterurlaubsgesetz §13a

 

Spruch:

Die Urlaubskasse der Bauarbeiter hat gegenüber dem Dienstgeber keinen Anspruch auf Einlösung der Urlaubsmarken, wohl aber einen Schadenersatzanspruch wegen Unterlassung der Markeneinlösung, auch wenn die Urlaubskasse von den betreffenden Arbeitern noch nicht wegen des Urlaubsentgeltes in Anspruch genommen wurde.

Entscheidung vom 27. April 1951, 3 Ob 106/51.

I. Instanz: Kreisgericht Leoben; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung von 4243.94 S mit der Behauptung, der Beklagte sei seiner gesetzlichen Verpflichtung aus dem Bauarbeiterurlaubsgesetz nicht nachgekommen. Er habe in seiner Dachdeckerei für die bei ihm bediensteten Arbeiter keine Urlaubsmarken gelöst und in das Urlaubsbuch geklebt. Sie macht geltend, daß ihr gemäß den §§ 7, 10 Bauarbeiterurlaubsgesetz ein direkter Leistungsanspruch gegen den Dienstgeber zustehe; außerdem gebühre ihr der Klagsbetrag auch aus dem Titel des Schadenersatzes nach § 11 Bauarbeiterurlaubsgesetz. Der Beklagte wendete ein, daß er die Zuschläge zum Lohn nach § 7 Bauarbeiterurlaubsgesetz seinen Arbeitern als Urlaubsentschädigung direkt ausbezahlt habe; der Klägerin sei daher kein Schaden erwachsen, da sie von seinen Arbeitern wegen des Urlaubsentgeltes nicht in Anspruch genommen worden sei. Ein Schaden könnte höchstens insoweit entstanden sein, als der Klägerin der auf die Verwaltungsauslagen entfallende Teil des Erlöses der Urlaubsmarken entgangen sei.

Das Erstgericht gab dem eingeschränkten Klagebegehren Folge. Es stehe außer Streit, daß der Beklagte zum Teil für die Dachdecker keine Urlaubsmarken gelöst und geklebt habe und daß in dieser Beziehung ein Rückstand von 4243.94 S bestehe. Es sei völlig gleichgültig, ob er wirklich einen Betrag von 4243.94 S an Urlaubsgeldern direkt an die Dachdecker ausgezahlt habe oder nicht. Er habe die Gesetzesnorm des § 10 Bauarbeiter-UrlaubsG. verletzt und hafte daher der Klägerin gemäß § 11 Abs. 3 dieses Gesetzes für den Schaden. Dieser Schaden sei der Klägerin in der Höhe des Klagsbetrages entstanden, da ihr dieser Betrag zur Erfüllung ihrer Aufgabe der Allgemeinheit gegenüber entgangen sei.

Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil auf. Es wies die Klage, soweit sie Zahlung aus dem Rechtsgrunde der Erfüllung einer gesetzlichen Leistungspflicht begehre, unter Nichtigerklärung des einschlägigen Erstverfahrens zurück; im übrigen, soweit die Klage Zahlung aus dem Rechtsgrunde des Schadenersatzes begehrt, wies es die Rechtssache unter Rechtskraftvorbehalt an das Erstgericht zurück. Soweit das Klagebegehren auf Erfüllung einer gesetzlichen Barzahlungspflicht abziele, sei es unhaltbar. Es könnte höchstens auf die Erfüllung der Pflicht, Urlaubsmarken einzulösen, in das Urlaubsbuch zu kleben und zu entwerten, gerichtet werden, doch komme dieser Frage keine entscheidende Bedeutung zu, weil der Anspruch der Urlaubskasse auf Erfüllung der Leistungspflicht nach § 10 kein privatrechtlicher, auf den Rechtsweg gehöriger, sondern ein öffentlich-rechtlicher sei, somit der Rechtsweg zu dessen Durchsetzung verschlossen sei. Es handle sich um eine den Sozialversicherungsbeiträgen rechtlich gleich zu behandelnde Abgabe. Dagegen habe der Schadenersatzanspruch einen privatrechtlichen Charakter. Doch könne nur der Ersatz des positiven Schadens begehrt werden. Dieser könne aber, da die Klägerin kein Urlaubsentgelt oder keinen Abfindungsbetrag an die Arbeiter des Beklagten gezahlt habe, nur in dem Entgang jenes Anteiles an den Lohnzuschlägen bestehen, der auf die Verwaltungskosten entfalle. Diese Frage sei in der ersten Instanz nicht erörtert worden, weshalb die Aufhebung des Urteiles notwendig sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Klägerin Folge, hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Klägerin stützt ihr Begehren sowohl im Verfahren vor den Untergerichten als auch im Rekurs auf eine direkte Leistungspflicht des Beklagten an sie. Diese ergebe sich aus § 7 des Bauarbeiter-UrlaubsG. Für diese Rechtsmeinung fehlen im Gesetze alle Anhaltspunkte. Wohl bestimmt § 7 des Gesetzes, daß zur gemeinsamen Deckung des Aufwandes an Urlaubsentschädigung, Abfindung und Verwaltungskosten der Dienstgeber für jede Arbeitswoche eines Arbeiters einen Zuschlag zum Lohn zu bezahlen hat. Nach Punkt 39 der Urlaubsordnung erfolgt die Zahlung des Zuschlages durch Einkleben von Urlaubsmarken in die Urlaubsbücher. Diese Urlaubsmarken hat der Dienstgeber nach § 10 Bauarbeiter-UrlaubsG. im entsprechenden Wert bei der Urlaubskasse einzulösen. Jener Betrag, welcher der Urlaubskasse aus dem Vertrieb der Urlaubsmarken zufließt, bildet den Deckungsfonds für die von ihr den Arbeitern zu erbringenden Leistungen (Erl. Bemerkungen zu § 7 der Regierungsvorlage). Das Bauarbeiterurlaubsgesetz hat demnach davon abgesehen, ähnlich wie etwa die Sozialversicherungsgesetze, dem Dienstgeber Beiträge an die Urlaubskasse vorzuschreiben. Es verpflichtet den Dienstgeber vielmehr zur Leistung eines Lohnzuschlages. Dieser Lohnzuschlag ist somit ein Teil des Lohnes des Arbeiters, anspruchsberechtigt hiefür ist nicht die Urlaubskasse, sondern der einzelne Arbeiter. Allerdings kann dieser Lohnzuschlag nach der zwingenden Vorschrift des Gesetzes (§ 13a) nicht in barem abgegolten werden, sondern nur in Urlaubsmarken, welche der Dienstgeber kraft unabdingbarer Vorschrift des Gesetzes bei der Urlaubskasse einzulösen hat (§ 10 des Ges., P. 42 der Url.O.). Der Deckungsfonds wird daher von den Arbeitern mit dem ihnen vom Dienstgeber auszuzahlenden Lohnzuschlag gespeist. Ein Anspruch der Urlaubskasse auf Zahlung dieses Lohnzuschlages an die Arbeiter besteht aber nicht. Dementsprechend ist auch der Dienstgeber nicht verpflichtet, jeweils nur die für die einzelnen Lohnauszahlungen nötigen Urlaubsmarken zu lösen, sondern er kann entsprechend seinem vorauszusehenden Bedarf die für zukünftige Lohnzahlungen erforderlichen Marken von der Urlaubskasse beziehen, so daß die der Urlaubskasse zur Verfügung stehenden Beträge sich in der Regel nicht mit den ausbezahlten Lohnzuschlägen decken werden. Es besteht daher auch kein klagbarer Anspruch der Urlaubskasse gegen den Dienstgeber auf Einlösung der jeweils fälligen Urlaubsmarken. Es wäre deshalb verfehlt, wenn das Klagebegehren lauten würde, der Beklagte sei verpflichtet, Urlaubsmarken in einem bestimmten Betrage zu lösen. Die vom Berufungsgerichte ausgesprochene Rechtsmeinung, diese Zuschläge seien gleich zu behandeln wie die Beiträge der Sozialversicherung, beruht demnach auf einer irrigen Auslegung des Gesetzes. Es erübrigt sich daher die Prüfung, ob diese Zuschläge von der Urlaubskasse im Rechtswege oder im Verwaltungswege hereingebracht werden können, da ihr, wie ausgeführt, auf diese Zuschläge selbst kein Anspruch zusteht. Der geltend gemachte Klagsgrund ist somit nicht gegeben, was aber das Gericht nicht zur Nichtigerklärung des Verfahrens und zur Zurückweisung der Klage, soweit sie sich auf diesen Klagsgrund stützt, berechtigt, da ein verfehlter Klagsgrund nur zur Abweisung, nicht aber zur Zurückweisung des Begehrens führen könnte.

Berechtigt ist hingegen der Schadenersatzanspruch, wie das Erstgericht richtig erkannte. Dem Arbeiter steht gegen den Arbeitgeber kein Anspruch auf Urlaubsentschädigung zu, sondern nur ein Anspruch auf Zahlung eines Lohnzuschlages durch Kleben von Urlaubsmarken, den er allenfalls im Rechtswege durchsetzen könnte. Der Anspruch des Arbeiters auf Urlaubsentgelt bzw. Abfindung richtet sich ausschließlich gegen die Urlaubskasse (§ 11 Abs. 3 Bauarbeiter-UrlaubsG., P. 52 der Url.O.). Auch diese Regelung ist zwingender Natur und kann durch Dienstvertrag, Arbeitsordnung und - soweit das Gesetz selbst nichts anderes bestimmt - auch durch Kollektivvertrag weder aufgehoben noch beschränkt werden (§ 13a des Ges.). Dieser Anspruch des Arbeiters gegen die Urlaubskasse besteht daher auch dann, wenn ihm der Dienstgeber entgegen der zwingenden gesetzlichen Vorschrift Urlaubsentschädigung gewährt hätte. In einem derartigen Falle könnte auch die Urlaubskasse die vom Dienstgeber als Urlaubsentschädigung geleisteten Zahlungen dem sein Urlaubsentgelt fordernden Arbeiter nicht aufrechnungsweise entgegensetzen. Wie bereits die Regierungsvorlage zu § 11 des Gesetzes ausführt, geht aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 hervor, daß es für den Rechtsanspruch des Arbeiters an sich belanglos ist, ob für jede Arbeitswoche Urlaubsmarken in entsprechendem Werte tatsächlich geklebt wurden. Die Anwartschaft ist dem Arbeiter auch gewahrt, wenn der Dienstgeber für eine die Anwartschaft auf Urlaubsentgelt oder Abfindung begrundende Arbeitswoche Urlaubsmarken überhaupt nicht oder nicht in entsprechendem Werte geklebt hat. In solchen Fällen steht dem Arbeiter das Recht zu, von der Urlaubskasse die Zahlung des Urlaubsentgeltes oder der Abfindung in der Höhe zu verlangen, die den Anwartschaften entspricht, die er durch die zurückgelegten Arbeitswochen erlangt hat. Der Urlaubskasse steht gegenüber dem säumigen Dienstgeber Anspruch auf Schadenersatz zu. Wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, ist dieser Schadenersatzanspruch der Urlaubskasse im Zivilrechtswege geltend zu machen. Die Urlaubskasse ist auch berechtigt, den Ersatz des positiven Schadens zu beanspruchen. Dieser besteht aber nicht nur, wie das Berufungsgericht rechtsirrig vermeint, in dem Entgang jenes Anteiles an den Lohnzuschlägen (dem ihnen gleichkommenden Urlaubsmarkenerlös), der auf die Verwaltungskosten der Klägerin entfällt, sondern in dem vollen Betrag, der vom Dienstgeber zum Erwerb der Urlaubsmarken in dem entsprechenden Werte aufzuwenden gewesen und der Urlaubskasse dadurch zugeflossen wäre. Darüber hinaus steht natürlich der Urlaubskasse auch der Anspruch auf Ersatz jenes weiteren Schadens zu, der durch das gesetzwidrige Verhalten des Dienstgebers ihr sonst entstanden ist, wie Mahnkosten, Mehraufwand der Hereinbringung usw., was hier aber nicht weiter zu untersuchen ist, da ein solcher weiterer Anspruch nicht geltend gemacht wurde. Diesem Schadenersatzanspruch steht auch nicht entgegen, daß die Arbeiter ihren Anspruch gegen die Urlaubskasse noch nicht geltend gemacht haben. Unter Schaden ist nach § 1293 ABGB. jeder Nachteil, welcher jemand an Vermögen, Rechten oder seiner Person zugefügt worden ist, zu verstehen. Das Entstehen einer Schuld bildet eine Minderung des Vermögens und ist sohin als Nachteil am Vermögen zu betrachten. Der Schaden entsteht nicht erst bei Bezahlung, sondern schon mit dem Entstehen der Schuldforderung (SZ. X/320). Wie bereits ausgeführt, entsteht ein Anwartschaftsrecht des Arbeiters auf Urlaubsentgelt oder Abfindung in einem bestimmten Hundertsatz des Wertes der zu klebenden Urlaubsmarken mit Ablauf der Arbeitswoche, für welche die Urlaubsmarken zu kleben waren. Damit entsteht bereits eine Schuld der Urlaubskasse. Dieser Vermehrung der Passiven steht aber im vorliegenden Falle keine Vermehrung der Aktiven gegenüber, weil der Beklagte seiner Verpflichtung zum Einlösen der Urlaubsmarken nicht nachgekommen ist. Diese dadurch hervorgerufene Vermögensverminderung der Urlaubskasse hat der Beklagte verschuldet, für diesen verschuldeten Schaden haftet er nach § 11 Bauarbeiter-UrlaubsG., ohne Rücksicht darauf, ob die Arbeiter ihren Anspruch gegen die Urlaubskasse bereits geltend gemacht haben oder nicht. Es erübrigt sich daher eine weitere Erörterung, welcher Teil des betreffenden Urlaubsmarkenerlöses zur Deckung der Verwaltungsauslagen der Urlaubskasse bestimmt war. Vielmehr ist der gesamte Betrag, der vom Dienstgeber zur Zahlung des Lohnzuschlages in Urlaubsmarken an seine Arbeiter hätte aufgewendet werden müssen und der durch das gesetzwidrige Verhalten des Beklagten der Urlaubskasse nicht zugeflossen ist, deren positiver Schade, zu dessen Ersatz der Beklagte verpflichtet ist.

Da somit das Berufungsgericht bei seinem Zurückweisungs- und Aufhebungsbeschluß von einer unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen ist und sich die aufgetragenen Erhebungen bei richtiger Rechtsansicht als unnötig erweisen, war der Beschluß des Berufungsgerichtes aufzuheben und dem Berufungsgerichte die neuerliche Entscheidung aufzutragen.

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