Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 447,98 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 74,66 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin, ein ausgegliedertes Unternehmen einer burgenländischen Marktgemeinde, hat die ursprünglich von der Marktgemeinde selbst betriebenen Unternehmen, Berechtigungen und Tätigkeiten übernommen und damit für den Verfahrensgegenstand die Gesamtrechtsnachfolge der Marktgemeinde angetreten.
Ende der 80iger Jahre begann die Marktgemeinde von vier ortsansässigen Pferdefuhrwerksunternehmen jährliche Pauschalen für die Seezufahrt zu verlangen. Vor Vereinbarung dieser Pauschalen verlangte die Gemeinde von den mit dem Pferdefuhrwerken anreisenden Gästen der gemeindeeigenen Seeanlagen einzeln verrechnetes Eintrittsentgelt.
Anfang der 90iger Jahre gab es entlang der vier Kilometer langen Straße vom Ortsgebiet zum Seegelände noch keinen Begleitweg. Das Seegelände selbst war damals wie heute von der Gemeinde gepachtet. Bis 1992 handelten die Fuhrwerker mit der Gemeinde einen Pauschalbetrag aus, den alle gemeinsam zahlten und untereinander aufteilten. 1993 begann die Gemeinde erneut den Versuch, Seezufahrtsgebühren aufgrund von Zählungen der Fahrgäste zu berechnen. Überdies errichtete die Gemeinde entlang der Seezufahrtsstraße einen geschotterten Begleitweg auf ihre Kosten. Gleichzeitig wurde für das neben diesem Begleitweg liegende Stück der Seezufahrtsstraße ein Fahrverbot für Pferdefuhrwerke erlassen.
Mit dem Beklagten, einem in der Marktgemeinde ansässigen Pferdefuhrwerksunternehmen, schloss die Marktgemeinde ebenso wie mit den anderen Fuhrwerksunternehmen der Gemeinde in den Jahren 1993 und 1994 jeweils für diese Jahre gültige Vereinbarungen über die Pauschalabgeltung für die Seezufahrt. Gleiches geschah für das Jahr 1995. In den darauf folgenden Jahren schrieb die Marktgemeinde bzw die Klägerin als ihre Rechtsnachfolgerin anhand des Verbraucherpreisindex aufgewertete pauschale Seezufahrtsgebühren den ortsansässigen Pferdefuhrwerksunternehmen, darunter auch dem Beklagten, vor. Bis zum Jahr 2005 zahlten die Pferdefuhrwerksunternehmen entsprechend der Vorschreibungen. Im Jahr 2006 teilten sie der Marktgemeinde mit, dass sie die vorgeschriebenen Beträge nicht mehr zahlen könnten und wollten. Der Beklagte zahlte für die Jahre 2006 und 2007 keine Seezufahrtsbeiträge.
Die Pferdefuhrwerker der Marktgemeinde bringen bei ihren Fahrten vorwiegend Touristen zu den von der Anliegestelle abfahrenden Schiffen und holen Touristen von diesen Schiffen ab. Wenn Busunternehmer Touristen zu den Schiffen bringen oder von Schiffen abholen, zahlen sie keine Seezufahrtsgebühr. Auch Fahrer von Oldtimertraktoren, private Pferdefuhrwerker oder Fuhrwerksunternehmer aus anderen Gemeinden der Umgebung zahlen ebenso wenig Gebühren für die Seezufahrt, wie Reiter, die ebenfalls den Begleitweg benützen. Von mit PKW anreisenden Touristen wird eine Gebühr für das Parken auf dem Seegelände verlangt, wenn sie das Seebad selbst nutzen. Queren sie das Seebadgelände nur zu dem Zweck, um von einem Schiff zum Ort oder vom Ort zum Schiff zu gelangen, so wird kein Eintritt verlangt.
In welcher Höhe der Marktgemeinde Kosten für den Ankauf der Grundstücke zur Errichtung des Begleitwegs sowie für die Errichtung selbst angelaufen sind, konnte nicht festgestellt werden, ebenso wenig, dass der Beklagte im Zuge verschiedener mit der Marktgemeinde geführter Gespräche zugesagt hätte, für die Jahre 2006 und 2007 Seezufahrtsgebühren zu entrichten.
Die Klägerin begehrt vom Beklagten für die Jahre 2006 und 2007 5.213,97 EUR sA an Seezufahrtsgebühren. Sie stützt sich hiebei auf mit dem Beklagten getroffene Vereinbarungen, die der Beklagte bis 2005 auch eingehalten hätte. Mit den Seezufahrtsgebühren seien das Entgelt für die Errichtung, Erhaltung und Benützung der neben der asphaltierten Seezufahrt für die Pferdefuhrwerksunternehmen errichteten Schotter/Sandwege sowie die Gratiszufahrt und Rundfahrt zum und im Seegelände für Pferdefuhrwerke selbst und deren Gäste abgegolten. Ebenso sei der Betrag für die erhöhten Verschleißkosten an den asphaltierten Gemeindewegen zu entrichten (Hufstollen der Pferde mit Stahlkeil). Das intensive Befahren der Gemeindewege verursache eine erhöhte Belastung mit Pferdemist und Gülle (Reinigungskosten der Marktgemeinde).
Der Beklagte wendete ein, mit der Klägerin oder der Marktgemeinde sei keine Entgeltvereinbarung geschlossen worden. Die Marktgemeinde sei als Trägerin von Privatrechten an den Gleichheitsgrundsatz gebunden. Weder Radverleiher noch Weinbaubetriebe oder Pferdefuhrwerksunternehmen aus benachbarten Gemeinden, nicht gewerbliche Pferdefuhrwerksfahrer oder Fahrer von Oldtimertraktoren müssten Eintritt in die Seebadanlage oder Seezufahrtsgebühren bezahlen. Auch Reisebusse und Taxis würden Gäste von der Schifffahrtsanlegestelle abholen und sie dorthin bringen, ohne Entgelt zahlen zu müssen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Handle eine Gebietskörperschaft oder - wie hier - eine im mehrheitlichen Eigentum einer Gebietskörperschaft stehende Gesellschaft privatrechtlich, so sei sie insbesondere an den Gleichheitsgrundsatz gebunden. Vertragliche Regelungen, die einzelne Vertragspartner gegenüber anderen ungerechtfertigt benachteiligten, seien nichtig. Es gebe keinen rechtfertigenden Grund dafür, dass Pferdefuhrwerksunternehmer aus den Nachbargemeinden der Marktgemeinde oder private Pferdefuhrwerker kein Entgelt bezahlen müssten, vom Beklagten jedoch Entgelt verlangt werde. Die ursprünglichen Vereinbarungen seien jeweils nur für ein Jahr geschlossen worden. Auch die wiederholte Zahlung für weitere Jahre habe kein unbefristetes Dauerschuldverhältnis begründet. Selbst wenn man von einem solchen ausgehen wollte, habe es der Beklagte im Jahr 2006 gekündigt.
Das Berufungsgericht bestätigte die Klageabweisung und sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil es zur Frage der Mauteinhebung durch Gemeinden nur vereinzelte Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs gebe. Ausgehend vom Parteivorbringen sei unstrittig, dass es sich hier bei dem für die Pferdefuhrwerker vorgesehenen Begleitweg zur Seezufahrtsstraße um einen zweckgebundenen Privatweg handle. Ob zwischen den Parteien allenfalls schlüssig eine unbefristete Vereinbarung über jährlich zu entrichtende Seezufahrtsgebühren zustande gekommen sei, könne dahingestellt bleiben, weil in der späteren Weigerung des Beklagten, die Benützungsgebühr zu entrichten, eine schlüssige Kündigung eines solchen Rechtsverhältnisses erblickt werden müsste. Die von der Klägerin ins Treffen geführte Vereinbarung sei überdies nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig, weil sie dem Gleichheitsgrundsatz widerspreche, an dem die Klägerin als im Eigentum einer Gebietskörperschaft stehendes Unternehmen gebunden sei. Gebietskörperschaften seien auch dann an die Grundrechte gebunden, wenn sie nicht hoheitlich, sondern in der Rechtsform des Privatrechts handelten, handelten sie doch nur im öffentlichen Interesse. Die Marktgemeinde (die Klägerin) sei daher verpflichtet, die Seezufahrt oder die Benützung des Begleitwegs derart zu regeln, dass sie die Interessenten gleich behandle. Sie dürfe nicht bloß von den im Gemeindegebiet ansässigen Pferdefuhrwerksunternehmen „Gebühren“ einheben, sondern auch von privaten Fuhrwerkern oder gewerblichen Fuhrwerkern aus anderen Gemeinden. Da der als Anspruchsgrundlage ins Treffen geführte Vertrag infolge Gleichheitswidrigkeit nichtig sei, komme auch ein Bereicherungsanspruch nach § 1041 ABGB nicht in Frage. Gebietet der Gleichheitsgrundsatz eine Gleichbehandlung aller Interessenten für den gegenständlichen Weg oder die Seezufahrt, so könne die Klägerin bei unterlassener Entgeltseinhebung gegen einige dieser Interessenten sowohl im Fall der Nichtigkeit eines entsprechenden Vertrags als auch bei Verneinung des Vorliegens eines solchen weder Ansprüche nach § 1041 ABGB noch solche nach §§ 1431 ff ABGB geltend machen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin, mit der sie die Klagestattgebung anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
Sowohl die Revisionsausführungen zum behaupteten schlüssigen Zustandekommen einer das Klagebegehren rechtfertigenden Vereinbarung zwischen den Streitteilen als auch zur Unwirksamkeit der von den Vorinstanzen in der Weigerung des Beklagten, weiterhin Seezufahrtsgebühren zu bezahlen, gesehenen Kündigung sind - abgesehen davon, dass nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmende Beurteilungen grundsätzlich keine erheblichen Rechtsfragen nach § 502 Abs 1 ZPO aufwerfen - für die Entscheidung dieses Falls nicht relevant. Selbst wenn man dem Standpunkt der Revisionswerberin folgte und von einem infolge Zahlung der vorgeschriebenen Gebühren schlüssig begründeten Dauerschuldverhältnis auf unbestimmte Zeit ausginge, hätte sie auch Argumente gegen die als Regelfall anzunehmende freie Kündbarkeit (RIS-Justiz RS0018924) vorzutragen und nachzuweisen gehabt. Im Übrigen entspricht es ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass die öffentliche Hand auch bei privatrechtlicher Tätigkeit unter den weitgehenden Anforderungen des Gleichheitsgrundsatzes steht („Fiskalgeltung der Grundrechte“; 7 Ob 119/09i; RIS-Justiz RS0038110; vgl zur Nichtigkeit unangemessener Bedingungen für die entgeltliche Straßenbenützung auch 5 Ob 505/93 = SZ 66/166 mwN). Tritt ein ausgegliedertes Unternehmen ausschließlich als Vertreter einer Gebietskörperschaft im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung auf, ist auch dieses an die die Gebietskörperschaft selbst treffenden rechtlichen Beschränkungen gebunden, etwa Vergabenormen (RIS-Justiz RS0030353). Den Grundsätzen dieser Rechtsprechung ist das Berufungsgericht gefolgt. Der von der Revisionswerberin behauptete, aber nicht näher ausgeführte Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung ist nicht zu sehen. Die vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrundegelegte Ungleichbehandlung betrifft nicht die Gegenüberstellung gewerblicher Fuhrwerksunternehmer und privater Fuhrwerker oder Reiter, sondern die Ungleichbehandlung von im Gemeindegebiet ansässigen Fuhrwerksunternehmen wie der Beklagte, oder gleichartigen gewerblichen Fuhrwerksunternehmen aus Gemeinden der Umgebung. Es ist nicht zu erkennen, aus welchen sachlichen Überlegungen hier Differenzierungen angebracht wären. Die vermissten Feststellungen zu verrechneten Gebühren für Anlagenbetreiber in der Seebadanlage stehen in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der hier zu beurteilenden Gebühr für die Nutzung des Begleitwegs (Privatstraße der Gemeinde). Zu in der Revision vermissten Feststellungen zum Ausmaß und zur Frequenz der Benutzung durch Fuhrwerksunternehmer aus anderen Gemeinden hat die Klägerin in erster Instanz kein Vorbringen erstattet. Es waren dazu daher keine Feststellungen zu treffen.
Da die Klägerin somit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen vermochte, war ihre Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO; der Beklagte wies auf die Unzulässigkeit der Revision hin.
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