OGH 3Nd501/99

OGH3Nd501/9924.2.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Johann G*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Graziani-Weiss, Rechtsanwalt in Linz, wegen Bestimmung der Zuständigkeit nach § 28 JN, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Antrag, gemäß § 28 Abs 1 JN zur Verhandlung und Entscheidung in der Rechtssache des Antragstellers gegen B*****, wegen S 400.000,-- und Feststellung, ein österreichisches Gericht als örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen, wird abgewiesen.

Text

Begründung

Der Antragsteller ist Landwirt; er beabsichtigt, gegen eine Aktiengesellschaft mit dem Sitz in Deutschland eine Klage auf Zahlung von S 400.000,-- und Feststellung einzubringen. Er habe bei der beklagten Partei Ziegel zur Neueindeckung seines landwirtschaftlichen Anwesens gekauft; aus dem Titel der Gewährleistung bzw des Schadenersatzes stehe ihm ein Anspruch auf Rückersatz des bezahlten Entgelts für die mangelhaften Ziegel sowie auf Ersatz der Kosten für die Abdeckung und Neueindeckung zu; weiters hafte die beklagte Partei darüber hinaus für alle noch zukünftigen anfallenden Kosten, die ihre Ursache in der mangelhaften Lieferung haben.

Der Antrag, für diesen Rechtsstreit ein österreichisches Gericht zu bestimmen, ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 28 JN hat der Oberste Gerichtshof ein örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen, wenn für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichtes im Sinn dieses Gesetzes oder einer anderen Rechtsvorschrift nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind und wenn Österreich aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrages zur Ausübung von Gerichtsbarkeit verpflichtet ist (Abs 1 Z 1) oder wenn der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre (Abs 1 Z 2) oder wenn die inländische Gerichtsbarkeit, nicht aber ein örtlich zuständiges Gericht vereinbart worden ist (Abs 1 Z 3). Die Bestimmung der Zuständigkeit durch den Obersten Gerichtshof setzt daher unter anderem voraus, daß die inländische Gerichtsbarkeit (internationale Zuständigkeit) gegeben, ein österreichisches Gericht jedoch nicht örtlich zuständig ist (SZ 69/227).

Der Kläger leitet die inländische Gerichtsbarkeit daraus ab, daß es sich um eine Verbrauchersache im Sinn des Art 13 Abs 1 Z 3 lit a LGVÜ handle. Er habe die Ziegel als Eigentümer des Vierkanthofes gekauft, in dem er wohne und den er im eigenen Besitz halte. Gemessen an der Außenseite seien 87 m privat genutzt, während rund 48 m landwirtschaftliche Nutzung vorliege. Neben diesem Vierkanthof befinde sich eine eigene Maschinenhalle, eine eigene Schweinehalle und ein kleiner Schuppen. Da sohin bei diesem Objekt die private Nutzung überwiege, handle es sich um ein Verbrauchergeschäft. Dem Abschluß des Vertrages über die Lieferung beweglicher Sachen sei eine Werbung der beklagten Partei in Oberösterreich vorangegangen.

Da der Antrag nach § 28 JN mit Klage gegen eine deutsche Aktiengesellschaft am 26. 1. 1999 eingebracht wurde, ist nicht mehr das LGVÜ, sondern das - in den hier maßgeblichen Bestimmungen inhaltsgleiche - EuGVÜ (kundgemacht in BGBl III 1998/209) anzuwenden (Beitrittsübk 1996, kundgemacht im BGBl II 1998/167; Ratifikation durch Deutschland, kundgemacht im BGBl III 1998/207).

Nach Art 13 Abs 1 Z 3 lit a EuGVÜ bestimmt sich für Klagen aus einem Vertrag, den eine Person zu einem Zweck abgeschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person (Verbraucher) zugerechnet werden kann, die Zuständigkeit, unbeschadet des Art 4 und des Art 5 Nr 5, nach dem 4. Abschnitt des Übereinkommens, wenn dieser Vertrag die Erbringung einer Dienstleistung oder die Lieferung beweglicher Sachen zum Gegenstand hat, sofern dem Vertragsabschluß in dem Staat des Wohnsitzes des Verbrauchers ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung vorausgegangen ist.

Der Begriff des Verbrauchers, der weitgehend demjenigen des Art 5 Abs 1 des Römer Schuldvertragsübereinkommens (EVÜ, kundgemacht in BGBl III 1998/208) entspricht, ist vertragsautonom zu bestimmen (Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht6 Rz 4 zu Art 13;

Schlosser, EuGVÜ Rz 3 zu Art 13; Geimer/Schütze, EuZVR [1997] Rz 13 zu Art 13; Hausmann in Wieczorek/Schütze, ZPO3 Rz 2 zu Art 13;

Czernich/Tiefenthaler, Die Übereinkommen von Lugano und Brüssel, Rz 6 zu Art 13 LGVÜ). Für diese vertragsautonome Auslegung sind folgende Grundsätze maßgeblich:

Die Sonderregelung der Art 13 ff EuGVÜ ist von dem Bestreben getragen, den Verbraucher als den wirtschaftlich schwächeren und rechtlich weniger erfahrenen Vertragspartner zu schützen, weshalb diesem daher der Entschluß zur gerichtlichen Wahrnehmung seiner Rechte nicht dadurch erschwert werden darf, daß er bei den Gerichten des Staates klagen muß, in dessen Hoheitsgebiet sein Vertragspartner seine Niederlassung hat. Diese Vorschriften beziehen sich nur auf den nicht berufs- oder gewerbebezogen handelnden privaten Endverbraucher, der einen der in Art 13 aufgeführten Verträge abgeschlossen hat und gemäß Art 14 Partei in einem Rechtsstreit ist (EuGH RS C-89/91 , Shearson/TVB). Die kompetenzrechtliche Privilegierung soll nur privaten Endverbrauchern zugute kommen; Verträge, die der selbständigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dienen, fallen nicht in den Anwendungsbereich des 4. Abschnitts (Geimer/Schütze aaO Rz 14; Kropholler aaO Rz 7; Schlosser aaO Rz 3). Die Leistung braucht nicht vollständig der Privatsphäre zuzuordnen sein. Bei teilweiser Privatbezogenheit entscheidet der überwiegende - private oder beruflich-gewerbliche - Zweck (Hausmann aaO Rz 3). Entscheidend sind für die Bestimmung des Zweckes die Umstände, die aus der Sicht des Vertragspartners des Verbrauchers objektiv erkennbar sind (Hausmann aaO Rz 4; Schlosser aaO Rz 3; Geimer/Schütze aaO Rz 18). Im Zweifel ist das Geschäft als Verbrauchergeschäft anzusehen (Hausmann aaO Rz 4; Geimer/Schütze aaO Rz 18).

Hier kann nicht davon ausgegangen werden, daß eine Verbrauchersache im Sinn der Art 13 ff EuGVÜ vorliegt. Die vom Kläger als Begründung hiefür ins Treffen geführte Tatsache, daß dasjenige Gebäude, zu dessen Eindeckung die gelieferten Dachziegel dienen, gemessen an der Außenseite des Gebäudes überwiegend privat genutzt werde, bedeutet nämlich nicht notwendig, daß die Ziegel auch ausschließlich oder zumindest überwiegend für den privat genutzten Teil des Gebäudes verwendet wurden. Aus dem gemäß § 28 Abs 4 letzter Satz JN maßgebenden Vorbringen des Antragstellers (Klägers) läßt sich somit nicht eindeutig entnehmen, daß der private Zweck des Kaufes den beruflich-gewerblichen Zweck überwogen hat; noch weniger wurde eine Bescheinigung in dieser Richtung erbracht.

Eine Verbesserung kommt nach § 84 Abs 3 ZPO schon deshalb nicht in Betracht, weil der Ordinationsantrag an keine Frist gebunden ist (JBl 1988, 322).

Da somit mangels Bescheinigung des Vorliegens einer Verbrauchersache die inländische Gerichtsbarkeit nicht nach Art 14 EuGVÜ angenommen werden kann und auch sonst die Voraussetzungen des § 28 JN nicht vorliegen, kann dem Antrag des Klägers nicht Folge gegeben werden.

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