OGH 3Nc6/21v

OGH3Nc6/21v15.3.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Präsidentin Hon.‑Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie den Hofrat Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Ordinationssache der Antragstellerin Mag. S*****, vertreten durch Prof. Dr. Johannes Hintermayr, Rechtsanwalt in Linz, gegen die Antragsgegnerin v***** AG, *****, über den Ordinationsantrag der Antragstellerin, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0030NC00006.21V.0315.000

 

Spruch:

Der Ordinationsantrag wird abgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Antragstellerin beabsichtigt, gegen die in der Schweiz ansässige Antragsgegnerin aufgrund eines Versäumungsurteils des Bezirksgerichts Korneuburg vom 28. Mai 2020 zur Hereinbringung ihrer vollstreckbaren Forderung von 660,76 EUR sA Exekution zu führen. Sie beantragt, das Bezirksgericht Korneuburg, hilfsweise das Bezirksgericht Salzburg oder ein anderes inländisches Gericht als örtlich zuständiges Exekutionsgericht zu bestimmen. Die Ordinationsvoraussetzungen gemäß § 28 Abs 1 Z 2 JN seien erfüllt, weil eine Exekutionsführung in der Schweiz im Anlassfall unmöglich sei. Dies ergebe sich aus einem Bericht der Arbeiterkammer Steiermark vom 15. Februar 2021, wonach „hohe finanzielle Aufwände“ für eine Exekutionsführung in der Schweiz für Forderungen österreichischer Verbraucher gegen die Antragsgegnerin notwendig seien und „aufgrund des Schweizer Exekutionsrechts die Kosten des österreichischen Zivilverfahrens nicht und die des Schweizer Exekutionsverfahrens praktisch auch nicht zugesprochen“ würden. Außerdem gebe es in der Schweiz „gerichtsnotorisch Probleme bei der Exekutionsführung“, wenn sich der Exekutionstitel (nur) auf ein österreichisches Versäumungsurteil gründe, weil in der Schweiz die Rechtsansicht vertreten werde, dass ein ausländisches Versäumungsurteil nicht dem Rechtsschutz Schweizer Bürger und Firmen entspreche. Eine weitere rechtliche Schwierigkeit sei zu erwarten, weil der Schweizer BGH zu 4 A 235/2020 im Zivilverfahren des Schweizer Wirtschaftsministeriums (Seco) gegen die Antragsgegnerin ausgesprochen habe, dass das Unternehmen die Schweizer Verbraucher beim Kartenverkauf nicht täusche; daraus resultiere die „rechtliche und/oder faktische Gefahr, dass österreichische Forderungen gegenüber der Antragsgegnerin aus Täuschungshandlungen (noch dazu aus Versäumungsurteilen)“, als gegen den kollisionsrechtlichen Schweizer Ordre‑public‑Vorbehalt verstoßend und daher als nichtig beurteilt werden könnten.

Rechtliche Beurteilung

[2] Der Ordinationsantrag ist nicht berechtigt.

[3] 1. Gemäß § 28 Abs 1 Z 2 JN ist die Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichts durch den Obersten Gerichtshof (nur) dann zulässig, wenn die betreibende Partei ihren Wohnsitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre. Die in § 28 Abs 1 Z 2 JN genannten Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Fehlt eine davon, hat eine Ordination nicht zu erfolgen (3 Nc 29/19y mwN).

[4] 2. Die Voraussetzungen des § 28 Abs 1 Z 2 JN sind nach § 28 Abs 4 zweiter Satz JN vom Antragsteller zu behaupten und zu bescheinigen, was auch für Exekutionssachen gilt (RIS‑Justiz RS0124087).

[5] 3. Aus dem von der Antragstellerin vorgelegten Schreiben der Arbeiterkammer Steiermark vom 15. Februar 2021 ergibt sich keine Unmöglichkeit oder auch Unzumutbarkeit der Exekutionsführung in der Schweiz; im Gegenteil wird darin von zwei Fällen berichtet, in denen der zugesprochene (Kapital‑)Betrag aufgrund einer Exekutionsführung in der Schweiz bei der Antragsgegnerin hereingebracht wurde. Dass sie selbst bereits erfolglos einen Exekutionsantrag in der Schweiz gestellt habe, behauptet die Antragstellerin gar nicht.

[6] 4. Das Prozesskostenargument ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nur in Ausnahmefällen geeignet, einen Ordinationsantrag zu begründen, weil sich die Kostenfrage bei Distanzprozessen für beide Parteien jeweils mit umgekehrten Vorzeichen stellt und daher zu Lasten des Klägers geht (3 Nc 29/19y mwN).

[7] 5. Eine Relevanz des Ausgangs des von der Antragstellerin ins Treffen geführten Schweizer Gerichtsverfahrens für die Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung eines österreichischen Titels in der Schweiz und die anschließende Exekutionsführung aufgrund dieses Titels ist ebenfalls nicht ersichtlich.

[8] 6. Der Ordinationsantrag ist daher abzuweisen.

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