Spruch:
Der Antrag, für den 2. bis 8. und 10. bis 12. Antragsteller das Handelsgericht Wien und für den 1., 9., 13. und 14. Antragsteller das Bezirksgericht für Handelssachen Wien, in eventu ein anderes Gericht, als das für die Verhandlung und Entscheidung zuständige Gericht zu bestimmen, wird abgewiesen.
Text
Begründung
Zu ihrem Ordinationsantrag brachten die Antragsteller im Wesentlichen vor:
Sie seien Staatsbürger eines EU-Mitgliedsstaats bzw. hätten ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem solchen Staat - das Vorliegen einer österr. Staatsbürgerschaft, eines inländischen Wohnsitzes oder eines inländischen gewöhnlichen Aufenthalts behauptet keiner der Antragsteller.
Sie hätten vor Ausbruch des Krieges im ehemaligen Jugoslawien im April 1992 mit der Erstantragsgegnerin Devisensparverträge abgeschlossen und ihre Guthaben auf Devisenkonten bei der Hauptfiliale Sarajevo dieser Bank und bei deren Filialen auf dem heutigen Staatsgebiet von Bosnien und Herzegowina eingezahlt. Die Filialen hätten den wesentlichen Teil dieser Devisen an die Zentrale in Ljubljana abgeführt.
Am 27. Juli 1994 habe die Republik Slowenien ein Verfassungsgesetz erlassen, mit dem sie das Verfassungsgesetz zur Durchführung der grundlegenden Verfassungsurkunde über die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Republik Slowenien ergänzt habe. Mit diesen Gesetzesbestimmungen habe der slowenische Gesetzgeber 1. sämtliches Aktivvermögen der Erstantragsgegnerin im Wege einer Abspaltung zur Neugründung auf die durch das Verfassungsgesetz gegründete Zweitantragsgegnerin übertragen; 2. sämtliche Devisenverbindlichkeiten der Erstantragsgegnerin gegenüber Sparern, die ihre Einlagen auf dem heutigen Staatsgebiet der Republik Slowenien getätigt hatten, sowie sämtliche Nichtdevisenverbindlichkeiten im Zuge dieser Abspaltung auf die Zweitantragsgegnerin übertragen; 3. sämtliche Devisenverbindlichkeiten der Erstantragsgegnerin gegenüber Sparern, die wie die Antragsteller ihre Einlagen in Filialen außerhalb des heutigen Staatsgebiets der Republik Slowenien getätigt haben, bei der (nun vermögenslosen) Erstantragsgegnerin zurückbehalten. Zusätzlich habe die Republik Slowenien die Erstantragsgegnerin durch folgende Regelungen vor dem Zugriff ihrer Gläubiger abgeschirmt: In Slowenien könnten gegen die Erstantragsgegnerin weder Urteile erwirkt noch bereits erwirkte (auch ausländische) Urteile vollstreckt werden; die Anfechtung der Vermögensübertragung auf die Zweitantragsgegnerin durch Gläubiger der Erstantragsgegnerin sei ausgeschlossen worden; in einem Konkurs der Erstantragsgegnerin (der bisher nicht eröffnet worden sei) seien die Forderungen der Antragsteller nachrangig gestellt worden.
Die genannten Maßnahmen seien in Summe nichts anderes als eine materielle Enteignung der Erstantragsgegnerin durch die Republik Slowenien, die sich gegen alle Gläubiger richte, die Deviseneinlagen außerhalb des heutigen Territoriums der Republik Slowenien geleistet hätten. Die betroffenen Gläubiger könnten ihre Ansprüche auch nicht mit Aussicht auf Erfolg in Bosnien und Herzegowina geltend machen, weil die Hauptfiliale in Sarajevo sowie die zugehörigen Filialen auf dem heutigen Staatsgebiet von Bosnien und Herzegowina nie ordnungsgemäß abgewickelt worden und - vor allem wegen der Übertragung aller ihrer Devisen an die Hauptanstalt in Ljubljana - vermögenslos seien. Diese Gläubiger seien im Ergebnis ohne sachlichen Grund schlechter als gleichrangige andere Gläubiger gestellt und damit entschädigungslos enteignet worden. Die Ungleichbehandlung sei außerdem diskriminierend, weil sie sich nach dem Ort der Einzahlung und damit im Ergebnis nach der Staatszugehörigkeit der Gläubiger richte. Die Abspaltung der Zweitantragsgegnerin sei daher nach österr. Recht jedenfalls unzulässig und verstoße gegen den österr. ordre public. Damit sei sie aus österr. Sicht unwirksam. Ihren Ordinationsantrag stützten die Antragsteller auf § 28 Abs 1 Z 2 JN und brachten dazu zusammengefasst vor:
Die Antragsgegnerin habe in Österreich bei drei im Einzelnen genannten Bankaktiengesellschaften, sämtliche mit Sitz in Wien, Bankkonten in den Antragstellern nicht bekannter Höhe. In einem vor dem Handelsgericht Wien anhängigen Zivilprozess hätten die Antragsgegnerinnen das Vorliegen der Voraussetzungen für den Gerichtsstand des Vermögens bestritten. Die Höhe der Guthaben könne nicht in Erfahrung gebracht werden, weil die Drittschuldnerinnen als Kreditinstitute dem Bankgeheimnis unterlägen.
Die Zweitantragsgegnerin als Rechtsnachfolgerin der Erstantragsgegnerin besitze an einer bestimmten Bankaktiengesellschaft Aktien, die in Zwischenscheinen verkörpert seien. Die Kapitalbeteiligung entspreche einem anteiligen Betrag am Grundkapital von 2,481.535 EUR. Nach Angaben der Zweitantragsgegnerin befänden sich die Zwischenscheine in Slowenien.
Die Antragsgegner hätten in Österreich weder einen allgemeinen noch einen ausschließlichen Gerichtsstand. Nach Auffassung der Gerichte im genannten Verfahren könnten weder die Bankguthaben der Zweitantragsgegnerin in Österreich noch deren Beteiligung an einer österr. Bankaktiengesellschaft den Vermögensgerichtsstand nach § 99 JN begründet. Daher verfügten die Antragsteller über keinen inländischen Gerichtsstand gegen die Antragsgegner. Auch wenn § 28 Abs 1 Z 2 JN seinem Wortlaut nach nur auf österr. Staatsbürger oder Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich anwendbar sei, müsse er wegen des Anwendungsvorrangs des Art 12 EGV, der ein Diskriminierungsverbot enthalte, auch auf die Antragsteller angewendet werden. Es sei auch die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar, weil die Vollstreckung von slowenischen Urteilen in Österreich nicht möglich sei, bestehe doch kein Vollstreckungsübereinkommen zwischen Slowenien und Österreich. Da die Antragsgegnerinnen Bankkonten bei Banken in den meisten europäischen Ländern (insbesondere Belgien, Dänemark, Finnland, Deutschland, Irland, Italien und Niederlande) und weiters Vertretungen und Zweigniederlassungen in anderen EU-Staaten haben, wäre das Urteil auch in diesen Ländern vollstreckbar und daher kein "wertloses Urteilspapier".
Die Antragsteller legten ihrem Antrag zwei Klagsentwürfe bei.
Rechtliche Beurteilung
Der Ordinationsantrag ist nicht berechtigt.
Vorauszuschicken ist, dass Ordinationsanträge des 6. bis 8. und der
10. Antragstellerin vom Obersten Gerichtshof bereits zu 9 Nc 109/02g mit Beschluss vom 12. Mai 2003 abgewiesen wurden. Im Hinblick auf vom seinerzeitigen Antrag abweichendes bzw. zusätzliches Vorbringen im vorliegenden Antrag steht für diese Antragsteller einer Sachentscheidung aber das Prozesshindernis der entschiedenen Sache nicht entgegen.
Was die negative Ordinationsvoraussetzung des Fehlens eines inländischen Gerichtsstands angeht, wurde diese vom Obersten Gerichtshof sowohl in der schon angeführten Entscheidung 9 C 109/02g als auch in der Entscheidung in dem im vorliegenden Ordinationsantrag erwähnten Verfahren (2 Ob 212/03w) insoweit bejaht, als bei im Wesentlichen gleicher Sachlage das Vorliegen eines Vermögensgerichtsstands bzw. die Ermittelbarkeit entsprechenden Vermögens verneint wurde. Wie die Entscheidung 9 Nc 109/02g zu Recht hervorhebt, reicht es für die Zulässigkeit der Ordination aus, wenn die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts nicht zu ermitteln sind. Die Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichts nach § 28 Abs 1 Z 2 JN setzt weiters voraus, dass die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre. Dazu hat der 9. Senat zu 9 Nc 109/02g mit ausführlicher Begründung dargelegt, dass die zu erwartende Ab- oder Zurückweisung eines Anspruchs durch ein ausländisches Gericht aus materiellen Gründen den Tatbestand des § 28 Abs 1 Z 2 JN nicht erfülle. Demnach sei die mangelnde Möglichkeit der Durchsetzung ihrer Ansprüche [in Slowenien] eine Auswirkung der materiellrechtlichen, von ihr selbst dargelegten Bestimmungen eines slowenischen Verfassungsgesetzes. Daraus lasse sich demnach die Erfüllung der dargelegten Voraussetzung im konkreten Fall nicht ableiten. Diesen Erwägungen ist beizutreten. Die Antragsteller erstatteten auch im vorliegenden Antrag kein Vorbringen, das eine weitere Auseinandersetzung mit den dargelegten Fragen erfordern würde.
In diesem Zusammenhang brachten die Antragsteller allerdings noch vor, es sei die Rechtsverfolgung im Ausland unzumutbar, weil slowenische Urteile in Österreich nicht vollstreckt werden könnten.
Dem ist allerdings Folgendes entgegenzuhalten: Wie schon die Formulierung des § 28 Abs 1 Z 2 JN zeigt, stellt diese Bestimmung keineswegs auf die Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung in einem bestimmten von Österreich verschiedenen Land, etwa dem Sitz- oder Wohnsitzland des Antragsgegners ab. Nur darauf bezieht sich aber die dargelegte Behauptung der Antragsteller. Der vorliegende Fall weist in Wahrheit keine Nahebeziehung zu Österreich auf, die in der Voraussetzung der österr. Staatsbürgerschaft etc der Kläger ihre gesetzliche Form gefunden hat (vgl dazu Matscher in Fasching² § 28 JN Rz 45 ff). Zu Recht weist dieser darauf hin, dass es der Regelung immanent ist, dass ein Bedürfnis nach Gewährung inländischen Rechtsschutzes nur dann bejaht werden kann, wenn ein ausreichender Inlandsbezug vorliegt. Somit ist es auch nach der Lehre (Nachweise bei Matscher, aaO Rz 62) maßgebend, ob die Rechtsverfolgung in solchen Staaten nicht möglich oder nicht zumutbar ist, zu denen der Fall eine ausreichende Beziehung aufweist, demnach eine in diesen Staaten zu erwirkende Entscheidung weder in diesem noch im Inland noch in einem Drittstaat "verwertbar" ist. Außer Slowenien weisen aber die hier zusammengefassten Fälle der Antragsteller Nahebeziehungen zu ihren Heimat- und Wohnsitzstaaten, keineswegs aber zu Österreich auf. Sie geben in ihrem Antrag überwiegend Adressen in der Bundesrepublik Deutschland an und legten auch (in Kopie) zum Teil Personaldokumente vor, aus denen sich ihre deutsche Staatsangehörigkeit ergibt. Zwei weitere Antragsteller gaben niederländische, der 14. dagegen eine schwedische Adresse an. Auch von den zuletzt Genannten liegen Personaldokumente mit einer ihrem Wohnsitz entsprechenden Staatsbürgerschaft vor. Weiters brachten die Antragsteller vor, dass die Antragsgegnerinnen über Bankkonten bei Banken in den meisten europäischen Ländern, insbesondere auch in Deutschland und in den Niederlanden, verfügten, weshalb das Urteil auch in diesen Ländern vollstreckbar wäre. Damit behaupten sie aber sogar ausdrücklich, dass eine allenfalls erwirkte vollstreckbare Entscheidung gegen die Antragsgegnerinnen in diesen Ländern vollstreckt werden könnte. Da es sich um Staaten im Geltungsbereich der EuGVVO handelt, wären in diesen Ländern erwirkte Entscheidungen jedenfalls auch in Österreich vollstreckbar. Damit liegt aber nach den eigenen Behauptungen der Antragsteller die Voraussetzung, die Rechtsverfolgung im Ausland (hier etwa in den Heimatländern der Kläger Bundesrepublik Deutschland, Niederlande und Schweden) wäre nicht möglich oder unzumutbar, keinesfalls vor. Demnach kommt es auch im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob § 28 Abs 1 Z 2 JN mit seiner Beschränkung auf Kläger mit österr. Staatsbürgerschaft oder mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich gegenüber Angehörigen von EU-Mitgliedsstaaten diskriminierend wäre. Auch Matscher (aaO Rz 48 f, 76) nimmt im Übrigen keineswegs generell einen Verstoß gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art 12 EGV an, lediglich in bestimmten, hier nicht gegebenen, Situationen sieht er die Neuregelung dieser Variante des § 28 JN als zu eng an. Damit erweist sich der Ordinationsantrag als nicht berechtigt.
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