European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0030NC00002.18A.0124.000
Spruch:
Der Antrag der beklagten Partei, anstelle des Landesgerichts Leoben das Handelsgericht Wien zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache ***** zu bestimmen, wird abgewiesen.
Begründung:
Der klagende Masseverwalter begehrt vom Beklagten mit Anfechtungsklage 18.228,44 EUR sA und leitet die ausschließliche Zuständigkeit des angerufenen Konkursgerichts aus § 43 Abs 5 IO ab. Er beruft sich auf einen Zeugen, vorgelegte Urkunden, ein allenfalls einzuholendes Sachverständigengutachten sowie auf seine eigene Einvernahme als Partei.
Der Beklagte erhob Einspruch und beantragte die Unterbrechung des Verfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss anderer Straf‑ und Zivilverfahren. Er berief sich ebenfalls auf vorgelegte Urkunden. Beweis durch Vernehmung eines namentlich genannten Zeugen bot er nicht an.
Außerdem beantragte der Beklagte die Delegierung der Rechtssache vom Landesgericht Leoben an das Handelsgericht Wien aus Zweckmäßigkeitsgründen, weil in dessen Sprengel der vom Kläger geführte Zeuge und eine weitere namentlich genannte (aber bisher im Prozess nicht beantragte) Zeugin wohnhaft seien und sich der Beklagte zumindest mehrmals im Monat dort aufhalte. Eine Übertragung an das Handelsgericht Wien würde darüber hinaus die Beischaffung der diversen beantragten Akten beschleunigen und Kosten sparen, weil die namhaft gemachten Zeugen kürzere Anreisewege hätten. Die Delegation vermeide aller Voraussicht nach auch eine doppelte Beweisaufnahme, weil Vorfragen des gegenständlichen Verfahrens zum großen Teil in anderen, im Gerichtssprengel Wien anhängigen Verfahren geklärt würden, und trage somit zur Verfahrensökonomie bei.
Der Kläger sprach sich gegen die beantragte Delegierung aus, weil in den in Wien anhängigen Verfahren keine präjudiziellen (Vor-)Fragen zu klären seien. Der angeblich in Ungarn wohnhafte Beklagte werde wahrscheinlich auch zu einer Tagsatzung vor dem Handelsgericht Wien zureisen müssen. Mangels Namhaftmachung im Prozess sei der Wohnort der Zeugin unbeachtlich. Die etwas höheren Anreisekosten eines Zeugen fielen nicht ins Gewicht. Eine Beschleunigung des Verfahrens durch eine Aktenbeischaffung durch das Handelsgericht Wien sei nicht nachvollziehbar.
Das Landesgericht Leoben führte in seiner Äußerung zum Delegationsantrag aus, zur Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Delegation bedeutsame Umstände seien nicht gegeben. Es legte den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Delegierungsantrag vor.
Rechtliche Beurteilung
Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.
1. Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Delegierungen aus einem Oberlandesgerichtssprengel in einen anderen sind dem Obersten Gerichtshof vorbehalten (§ 31 Abs 2 JN). Die Delegierung ist zweckmäßig, wenn die Zuständigkeitsübertragung an das andere Gericht zu einer wesentlichen Verkürzung des Verfahrens, zur Erleichterung des Gerichtszugangs und der Amtstätigkeit oder zu einer wesentlichen Kostenersparnis beitragen kann (RIS-Justiz RS0053169; RS0046333). Dabei ist zu beachten, dass die Delegierung der Ausnahmefall ist und nicht durch eine allzu großzügige Handhabung zu einer faktischen Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung führen darf. Gegen den Willen der anderen Partei darf die Delegierung daher nur ausgesprochen werden, wenn die Frage der Zweckmäßigkeit eindeutig zu Gunsten aller Parteien des Verfahrens gelöst werden kann, also besonders schwerwiegende Gründe dafür vorliegen (RIS-Justiz RS0046589; RS0046324; RS0046455). Eine großzügige Anwendung der Delegierungsbestimmungen würde sonst im Ergebnis zu einer unvertretbaren Lockerung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung führen (RIS-Justiz RS0046589 [T2]).
2. Aus dem Vorbringen des Beklagten sind die vorgenannten Delegierungskriterien nicht ableitbar.
2.1. So vermag er weder nachvollziehbar darzustellen, wie die begehrte Delegierung eine doppelte Beweisaufnahme verhindern könnte, wenn präjudizielle Vorfragen des delegierten Verfahrens in anderen, im Gerichtssprengel Wien anhängigen Verfahren geklärt würden, noch wie die Aktenbeischaffung durch das neu bestimmte Gericht zu einer Verfahrensbeschleunigung führen sollte.
2.2. Eine Zeugin, deren Namhaftmachung bisher noch nicht erfolgt ist und nicht feststeht, kann nicht Gegenstand von Zweckmäßigkeitsbetrachtungen sein (9 Nc 12/07z).
2.3. Es ist dem Kläger zuzustimmen, dass davon auszugehen ist, dass der Beklagte, der seinen Wohnsitz in Ungarn behauptet, nicht nur nach Leoben, sondern auch nach Wien zureisen müsste. Zwar mag eine Anreise nach Wien sowohl für den Beklagten als auch den vom Kläger geführten Zeugen etwas kostengünstiger und weniger zeitaufwändig sein, als die Fahrt nach Leoben. Diese geringen Vorteile einer Delegierung sind aber jedenfalls zu vernachlässigen, wenn die gesetzliche Zuständigkeitsordnung für den vorliegenden Anfechtungsprozess nach § 43 Abs 5 IO die ausschließliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts vorsieht. Zweck dieser Anordnung ist es nämlich, während eines inländischen Konkursverfahrens Anfechtungsprozesse zu beschleunigen und eine einheitliche Beurteilung des Zeitpunkts des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit zu ermöglichen (RIS-Justiz RS0046571); die Vereinbarung der Zuständigkeit eines anderen Gerichts wäre unzulässig (Prorogationsverbot; 3 Nc 2/08m = RIS-Justiz RS0046571 [T2]; König , Die Anfechtung nach der Konkursordnung 5 Rz 18/8 mwN). Die angesprochenen Umstände reichen daher keinesfalls aus, die mit der hier gegebenen ausschließlichen Zuständigkeit des Insolvenzgerichts verfolgten Zwecke aufzugeben und die Führung des Verfahrens vor einem anderen Gericht als zweckmäßig anzusehen.
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