OGH 2Ob999/52

OGH2Ob999/5213.3.1953

SZ 26/72

Normen

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §830
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §843
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1076
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §830
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §843
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1076

 

Spruch:

Vorkaufsrecht des einen Liegenschaftshälfteeigentümers schließt Aufhebung der Gemeinschaft durch gerichtliche Feilbietung nicht aus.

Entscheidung vom 13. März 1953, 2 Ob 999/52.

I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Die Streitteile sind Brüder und je zur Hälfte Eigentümer eines Mietshauses, in dem sie auch über eigene Wohnungen verfügen und der 65jährige Beklagte überdies ein Kaffeehaus betreibt. Die Brüder haben einander außerbücherlich das Vorkaufsrecht an ihren Liegenschaftshälften eingeräumt. Der 62jährige Kläger begehrte die Aufhebung der Gemeinschaft durch gerichtliche Feilbietung.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab ihm statt.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte das Urteil des Berufungsgerichtes.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Rechtsausführungen der Revision in der Richtung, daß die Teilung zur"Unzeit" im Sinne des § 830 ABGB. verlangt werde, können nicht gebilligt werden. Das gegenständliche Haus wird überwiegend von den Streitteilen benützt. Bei der Beurteilung, ob "Unzeit" vorliegt, fallen daher Erwägungen, ob durch die Mietengesetznovelle vom 21. September 1951, BGBl. Nr. 228, in Hinkunft noch eine Erhöhung des Verkaufspreises für die gegenständliche Liegenschaft bewirkt werden wird, nicht ins Gewicht, abgesehen davon, daß die Unwahrscheinlichkeit einer solchen Preissteigerung festgestellt erscheint. Der schlechte Bauzustand des gemeinschaftlichen Hauses kann deshalb nicht zur Begründung der Unzeit herangezogen werden, weil der Beklagte selbst vorbringt (in seiner Klagebeantwortung), daß keine Mittel zur Restaurierung des Hauses zur Verfügung stehen, so daß eine Änderung in absehbarer Zeit nicht in Betracht kommt (vgl. hiezu Klang, Kommentar, 2. Aufl., zu § 830 ABGB., S. 1099). Das abweichende Vorbringen in der Revision ist als Neuerung unbeachtlich.

Der Oberste Gerichtshof hat in wiederholten Entscheidungen (2 Ob 625/51, 2 Ob 718/51, 2 Ob 197/52) ausgesprochen, daß die Voraussetzungen für die Annahme einer Unzeit im Sinne des § 830 ABGB. aus volkswirtschaftlichen Gründen nicht mehr vorliegen, insbesondere deshalb, weil derzeit die Möglichkeit besteht, den Verkaufserlös einer Liegenschaft wieder in Liegenschaften oder anderen wertbeständigen Gütern anzulegen, und auch nicht anzunehmen ist, daß in absehbarer Zeit wesentliche Änderungen auf wirtschaftlichem Gebiet und damit auf dem Liegenschaftsmarkt zu erhoffen oder zu befürchten sind. Da sich seit der Fällung der angeführten Entscheidungen keine Umstände ergeben haben, die die Annahme wesentlicher Änderungen auf dem Liegenschaftsmarkt in absehbarer Zeit rechtfertigen könnten, sieht sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlaßt, von den in diesen Entscheidungen ausgesprochenen Grundsätzen abzugehen.

Schließlich entspricht die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes dem Gesetz, daß Nachteile dem Teilungsbegehren nicht entgegengesetzt werden können, die durch die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft unter allen Umständen eintreten müssen, weil sie nicht bloß durch vorübergehende Umstände bedingt sind, die also durch einen Aufschub der Teilung auf eine absehbare Frist nicht vermieden werden können. Das Gesetz schließt dadurch, daß es im § 830 ABGB. dem Teilhaber, der die Aufhebung der Gemeinschaft verlangt, einen angemessenen Aufschub wegen ungünstiger Umstände auferlegt, die Einwendung solcher ungünstiger Umstände aus, die durch einen Aufschub nicht wegfallen können, daher die Gewährung eines Aufschubes zwecklos erscheinen lassen, deren Berücksichtigung sohin auf unabsehbare Zeit den vom Gesetz gegebenen Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft zunichte machen würde (so 2 Ob 197/52 unter Berufung auf Klang, a. a. O., S. 1099 und 1102, im Gegensatz zu älteren, eine Interessenabwägung vornehmenden Entscheidungen).

Das Vorkaufsrecht des Beklagten in Ansehung der Liegenschaftshälfte des Klägers steht der Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft durch gerichtliche Feilbietung nicht entgegen weil die Vereinbarung des Vorkaufsrechtes unter den Teilhabern einer Eigentumsgemeinschaft im Zweifel nicht dahin verstanden werden kann, daß dadurch der Anspruch der Teilhaber auf Aufhebung der Gemeinschaft ausgeschlossen werden soll. Ferner kommt auch § 1076 ABGB. zur Anwendung (Entscheidung GlUNF. Nr. 3512 und, ihr folgend, Klang - Bettelheim, Kommentar, 1. Aufl., zu § 1076 ABGB., S. 1027).

Das (offenbar nach Stagel, Schriftsätze im Zivilprozeß, 1949, Nr. 39, gefaßte) Klagebegehren und die nach diesem Begehren ergangene angefochtene Entscheidung entsprechen der Natur des zum Teil auf Feststellung, zum Teil auf Rechtsgestaltung gerichteten Begehrens (vgl. Klang, Kommentar, 2. Aufl., S. 1105 und 1124).

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