OGH 2Ob9/92

OGH2Ob9/9225.3.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Doris P*****, vertreten durch Dr. Gerhard Kochwalter, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagten Parteien 1.) Franziskus B*****,

2.) Firma P*****, und 3.) ***** Versicherungs-AG, ***** alle vertreten durch Dr. Franz Kalman, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 54.406,56 sA und Feststellung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 5. November 1991, GZ 1 R 123/91-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 4. März 1991, GZ 30 Cg 17/91-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 5.858,10 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 976,35 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 17. November 1989 ereignete sich im Ortsgebiet von K***** an der Einmündung der K*****gasse in die V*****straße ein Verkehrsunfall. Beteiligt waren die Klägerin mit einem Fahrrad und der Erstbeklagte als Lenker eines von der Zweitbeklagten gehaltenen, bei der Drittbeklagten haftpflichtversicherten PKW. Die V*****straße verläuft in Ost-West-Richtung und weist zwei getrennte Richtungsfahrbahnen mit jeweils zwei Fahrstreifen auf. An beiden Seiten der V*****straße befinden sich Geh- und Radwege, die aufgrund einer Verordnung angelegt wurden, die folgenden Wortlaut hat:

"§ 1: In folgenden Straßen und Wegen wird ein ...... Geh- und

Radweg, Kennzeichnung mit dem Gebotszeichen nach § 52 lit. b

Z 17 a StVO ...... festgelegt: V*****straße - beidseits ab

Ostseite der G*****brücke ***** bis zur Ortschaft St. J*****, Geh- und Radweg (gemeinsam). § 9: Diese Verordnung ist durch entsprechende Straßenverkehrszeichen kundzumachen. Sie tritt mit der Anbringung derselben in Kraft."

Der nördlich der V*****straße verlaufende Geh- und Radweg ist in westlicher Richtung als "Geh- und Radweg" gemäß § 52 Z 17 a StVO beschildert, der südlich gelegene in östlicher Richtung. An die nördliche Randlinie der V*****straße schließt ein Rigol an, daran schließt mit einer Bordsteinkante von 10 cm der nördliche Geh- und Radweg an, der 2,7 m breit ist. Die 4,8 m breite K*****gasse mündet mit einem 24 m breiten Trichter von Norden her in die V*****straße. Nordwestlich der Kreuzung befindet sich entlang des Geh- und Radweges sowie des Einmündungstrichters ein Maschendrahtzaun und hinter dieser eine Thuyenhecke, deren Zweige das Verkehrszeichen "Geh- und Radweg" größtenteils verdeckten. Dieses Zeichen ist für einen aus der K*****gasse kommenden Fahrzeuglenker aber auch ohne diese Zweige erst auf einer Höhe sichtbar, die der Verlängerung der nördlichen Begrenzung des Radweges in den Kreuzungsbereich hinein entspricht. Im Bereich der K*****gasse weisen weder Bodenmarkierungen noch weitere Verkehrszeichen auf eine Kreuzung mit einem Radweg hin. Westlich der K*****gasse ist auf dem nördlichen Geh- und Radweg ein stilisiertes Fahrrad aufgetragen, dessen Räder in östliche Richtung und dessen Sattel und Lenkstange in westliche Richtung weisen. Zwischen dem Einmündungstrichter und der V*****straße befindet sich eine Ordnungslinie. In der K*****gasse befinden sich 9 m vor der Verschneidungslinie mit der V*****straße die Verkehrszeichen "Vorrang geben" und "Rechtsabbiegen vorgeschrieben".

Die Klägerin fuhr mit dem Fahrrad auf dem nördlichen Geh- und Radweg in Richtung Osten und näherte sich der K*****gasse mit einer Geschwindigkeit von 10 bis 15 km/h. Sie rollte ohne zu bremsen auf die K*****gasse. Der Erstbeklagte fuhr durch die K*****gasse und rollte ohne Unterbrechung links blickend vor, um zu sehen, ob sich von Osten her auf der V*****straße Verkehr nähert. Da dies der Fall war, bremste er leicht, weil er anhalten mußte. Auf die von rechts kommende Radfahrerin wurde er erst durch den Anstoß aufmerksam. Die Kollisionsgeschwindigkeit des PKW betrug etwa 5 km/h. Ausgehend von einer Reaktionszeit von 0,7 Sekunden war der Unfall für den Erstbeklagten weder bei einer Geschwindigkeit der Klägerin von 10 km/h noch von 15 km/h vermeidbar.

Der Erstbeklagte wurde wegen dieses Unfalles vom Strafgericht gemäß § 88 Abs 1 StGB zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt, weil er durch Außerachtlassen der im Straßenverkehr gebotenen Sorgfalt und Aufmerksamkeit, insbesondere dadurch, daß er den Vorrang der von rechts auf einem Radweg der Kreuzung zufahrenden Radfahrerin mißachtete, die klägerin am Körper schwer verletzt habe.

Die Drittbeklagte leistete der Klägerin eine Akontozahlung von S 30.000.

Die Klägerin begehrt einen Schadenersatzbetrag von S 54.406,56 sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für alle künftigen Unfallsfolgen. Sie führte aus, den Erstbeklagten treffe das Alleinverschulden, weil er ihren Vorrang verletzt habe.

Die Beklagten wendeten ein, die Klägerin, der kein Vorrang zugekommen sei, treffe das Alleinverschulden. Auf der Kreuzung sei kein Radweg markiert, überdies habe die Klägerin den Radweg entgegen der vorgeschriebenen Richtung benützt und habe eine überhöhte Geschwindigkeit eingehalten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Ansicht, die Klägerin habe sich entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung bewegt, weshalb ihr kein Vorrang zugekommen sei, sodaß auch nicht beurteilt werden müsse, ob der Geh- und Radweg mangels Bodenmarkierungen über die K*****gasse hinweg reiche.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig ist. Es führte aus, einen Vorrang könne nur derjenige für sich in Anspruch nehmen, der die bevorrangte Verkehrsfläche in vorgeschriebener Fahrtrichtung befahre (ZVR 1981/11). Ein Radweg sei gemäß § 2 Abs 1 Z 8 StVO ein für den Verkehr mit Fahrrädern bestimmter und als solcher gekennzeichneter Weg. Die Anordnung der Kennzeichnung setze schon voraus, daß von einem Radweg nur dort und in diese Richtung ausgegangen werden könne, wo bzw. in der die Kennzeichnung erfolge, somit in jene der Bildfläche abgewandten Seite. Dieser Radweg müsse gemäß § 68 Abs 1 StVO vom Radfahrer benützt werden. Die Benützung eines Radweges dürfe nur dann in beiden Fahrtrichtungen erfolgen, wenn nur ein Radweg vorhanden sei oder wenn ausdrücklich etwas anderes im Sinne des § 52 Abs 1 Z 16 StVO angeordnet sei. Der Radweg werde durch die Vorschriftszeichen "Radweg" oder "Geh- und Radweg" angeordnet. Gemäß § 68 Abs 3a StVO dürfen Radfahrer, die Radwege benützen, an Kreuzungen ohne durch Arm- oder Lichtzeichen geregelten Verkehr, die Radfahrerüberfahrten nur mit einer Geschwindigkeit von höchstens 10 km/h (doppelte Schrittgeschwindigkeit) und nicht unmittelbar vor einem herannahenden Fahrzeug und für dessen Lenker überraschend befahren. Eine Radfahrüberfahrt im Sinne des § 20 der Bodenmarkierungsverordnung sei zum Unfallszeitpunkt nicht markiert gewesen. Gemäß § 2 Abs 1 Z 12 a StVO sei eine Radfahrerüberfahrt ein auf beiden Seiten durch gleichmäßige unterbrochene Quermarkierungen gekennzeichneter, für die Überquerung der Fahrbahn durch den Radfahrer bestimmter Fahrbahnteil, der nach der Regierungsvorlage 1988 ähnlich einem Schutzweg für Fußgänger dem Radfahrer anzeigen solle, wo die Fahrbahn zu überqueren sei. Nach dieser Regierungsvorlage werde dem Radfahrer für das Befahren von ungeregelten Radfahrüberfahrten zur Sicherheit sowohl der Radfahrer als auch der übrigen Verkehrsteilnehmer eine höchstens etwa zweifache Schrittgeschwindigkeit sowie im übrigen besondere Vorsicht vorgeschrieben, um Unfälle möglichst hintanzuhalten. Ein Vorrang des (selbst in der vorgeschriebenen Fahrtrichtung) fahrenden die "Überleitung" des Radweges benützenden Radfahrers käme nur bei einer Markierung der Fortsetzung der Radwege im Kreuzungsbereich gegenüber einbiegenden Fahrzeugen in Frage. Mangels einer als Fortsetzung des Radweges markierten Verkehrsfläche existiere kein Radweg auf der Kreuzung. Der in diesem Fall vom Radweg kommende Radfahrer "ordne sich" durch Befahren der Kreuzung "in den fließenden Verkehr ein" und habe den dort fahrenden Fahrzeugen den Vorrang im Sinne des § 19 Abs 6 StVO einzuräumen (ZVR 1988/13). Diesbezüglich sei auch durch die 15. StVO-Novelle keine Änderung der Rechtslage eingetreten. Eine andere Vorrangregelung gelte nur für die von der Hauptfahrbahn über den Radweg in eine Nebenstraße einbiegenden Kraftfahrzeuge. Der Entwicklung einer örtlichen Übung, die den Rechtsvorschriften zuwiderlaufe, komme keinerlei Rechtserheblichkeit zu. Es sei daher für die Beurteilung der Vorrangsituation unbeachtlich, ob entsprechend dem (unzulässigen) Neuvorbringen der Klägerin in der Berufung der Radweg ständig in beiden Fahrtrichtungen benützt werde und der Erstbeklagte davon auch Kenntnis gehabt habe. Die Klägerin hätte somit jedenfalls den Radweg in der Fahrtrichtung des sonstigen Verkehrs der anschließenden Richtungsfahrbahn und auch nur in der ausgeschilderten und entsprechend dieser Ausschilderung verordneten Richtung benützen müssen. Wer aber aufgrund eines der allgemeinen Fahrordnung zuwiderlaufenden Fahrmanövers zur besonderen Vorsicht und Rücksichtnahme verpflichtet sei, wie hier die Klägerin, da sie entgegen der vorgeschriebenen Fahrordnung gefahren sei, könne einen Vorrang nicht in Anspruch nehmen. Dies allein könne aber noch nicht das Alleinverschulden der Klägerin begründen, da der Erstbeklagte zufolge seiner ausschließlichen Blickwendung nach links die von rechts aus dem Bereich des Rad- und Gehweges herannahende Klägerin bis zum Anstoß überhaupt nicht wahrgenommen habe. Ein Kraftfahrer brauche zwar mit der bloß theoretischen Möglichkeit, daß irgendeine denkbare Gefahr im Straßenverkehr eintreten könne, nicht zu rechnen, jedoch hätte der Erstbeklagte jedenfalls mit von rechts kommenden Fußgängern rechnen können, die zwar bei Querung der Fahrbahn in angemessener Eile den Fahrzeugverkehr nicht behindern dürfen, aber grundsätzlich die Fahrbahn auf Kreuzungen gemäß § 76 Abs 6 StVO überqueren dürfen. Unter entsprechender Beachtung des Fahrzeugverkehrs könnte dem Fußgänger selbst die Einhaltung eines Laufschrittes nicht zum Vorwurf gemacht werden. Das Überqueren der Straße durch einen Fußgänger bei der Einmündung einer anderen Straße sei grundsätzlich durchaus verkehrsordnungsgerecht. Der Kraftfahrer dürfe aber darauf vertrauen, daß ein Fußgänger oder Radfahrer ihn beim Überqueren der Fahrbahn nicht behindern werde (ZVR 1987/13). Wenn nun der Erstbeklagte aber selbst bei sofortiger Reaktion den Unfall nicht mehr hätte verhindern können, könne ihm auch ein Verschulden nicht angelastet werden, da er auf ein vorschriftsmäßiges Verhalten von Fußgängern und Radfahrern habe vertrauen können. Eine ganz allgemeine Verpflichtung des Kraftfahrers, sich auf vorschriftswidrig die Fahrbahn querende Radfahrer (Fußgänger) einzustellen, bestehe nicht. Ein gegenüber den massiven Verstößen der Klägerin gegen die Straßenverkehrsordnung als Mitverschulden in Betracht kommendes Fehlverhalten des Erstbeklagten sei damit nicht hervorgekommen. Der festgestellte Sachverhalt lasse auch den Entlastungsbeweis gemäß § 9 Abs 2 EKHG als gelungen ansehen, da selbst bei großer Aufmerksamkeit der Erstbeklagte den Unfall trotz sofortiger Bremsung nicht mehr hätte verhindern können und die Klägerin ohne zwingenden Grund unmittelbar vor dem mit langsamer Geschwindigkeit herannahenden Fahrzeug des Erstbeklagten die Fahrbahn überquert habe.

Die Klägerin bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision, macht den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben werde. Hilfsweise stellt die Klägerin einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin vertritt die Ansicht, sie habe auf dem Radweg in der Richtung fahren dürfen, in der sie dies getan habe.

Die voneinander getrennten Richtungsfahrbahnen hätten den

Charakter einer Einbahnstraße, da Radwege nicht zur Fahrbahn

gehörten, sei § 7 Abs 5 StVO auf sie nicht anwendbar. Wären

Radfahrer gezwungen, den Radweg auf der anderen Straßenseite zu

benützen, würde dies ein erhebliches Sicherheitsrisiko

darstellen, da keine Übergänge bzw. Überfahrten für Radfahrer auf

der V*****straße vorhanden seien. Die Straßenverkehrsordnung

enthalte - abgesehen von § 68 Abs 2 StVO - keine Vorschriften

über die Benützung von Radwegen. Seit der 15. Novelle zur StVO

seien Radwege den Fahrbahnen gleichgestellte Verkehrsflächen, es

sei § 19 Abs 1 und nicht § 19 Abs 6 StVO anzuwenden. Überdies sei

vor dem Radweg das Zeichen "Vorrang geben" aufgestellt gewesen.

Der Erstbeklagte hätte mit Radfahrern aber auch mit Fußgängern rechnen müssen und wäre zumindest verpflichtet gewesen, ein Hupzeichen abzugeben. Ein Entlastungsbeweis im Sinne des § 9 Abs 2 EKHG sei nicht erbracht worden, der Erstbeklagte wäre insbesondere wegen der sichtbehindernden Hecke zu besonderer Vorsicht verpflichtet gewesen.

Dazu ist folgendes zu erwägen:

Die Straßenverkehrsordnung enthält keine ausdrücklichen Vorschriften darüber, ob Radwege, die sich auf beiden Seiten einer Straße befinden, in beiden Richtungen befahren werden dürfen, oder ob jeweils nur der in Fahrtrichtung des Radfahrers rechts gelegene Radweg benützt werden darf. Diese Frage wurde an den Obersten Gerichtshof bisher nicht herangetragen. Gerhard-Terlitza, StVO2, vertreten in Anm. 3 a zu § 68 die Ansicht, daß Radfahrer Radwege nur dann benützen müssen bzw. dürfen, wenn sich der Radweg auf ihrer rechten Seite der Fahrbahn befindet, es sei denn, es ginge konkret aus Anlage oder Markierung oder Beschilderung das Gegenteil hervor. Demnach sei es Radfahrern nicht erlaubt, den auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindlichen Radweg zu benützen. In Dittrich-Stolzlechner, StVO, wird in Rz 4 zu § 68 die Ansicht vertreten, wenn auf einer Straße nur ein einziger Radweg oder Geh- und Radweg vorhanden sei, sei dieser für beide Fahrtrichtungen zu benützen. Auch in Benes-Messiner, StVO8, wird in Anm. 11 zu § 2 ausgeführt, sei nur auf einer Straßenseite ein Radweg vorhanden, sei dieser in beiden Richtungen zu benützen. Daraus kann wohl geschlossen werden, daß sowohl Dittrich-Stolzlechner als auch Benes-Messiner die Ansicht vertreten, bei Vorhandensein von Radwegen an beiden Straßenseiten sei der jeweils rechte zu benützen. Grundtner vertritt in ZVR 1986, 8 die Meinung, Radwege dürften in beiden Richtungen befahren werden, eine Einbahnregelung sei gesetzlich nicht vorgesehen. Den Fall, daß Radwege an beiden Seiten einer Straße vorhanden sind, erörtret dieser Autor allerdings nicht.

Eine klare Regelung dieser Frage durch den Gesetzgeber - wie sie etwa im § 2 Abs 4 der deutschen Straßenverkehrsordnung enthalten ist - wäre im Interesse der Verkehrs- und Rechtssicherheit dringend geboten, es sollte auch normiert werden, auf welche Weise den Benützern von Radwegen anzuzeigen ist, ob sie in beiden Richtungen oder nur in einer Richtung fahren dürfen (Verkehrszeichen, Bodenmarkierungen).

Aber auch ohne eine ausdrückliche Regelung im Gesetz ergibt sich jedenfalls im konkreten Fall, daß die Klägerin den Radweg nicht in der Richtung hätte benützen dürfen, in der sie dies getan hat. Zu berücksichtigen ist, daß sich an beiden Seiten der V*****straße im Anschluß an die Randlinie der Fahrbahn nach einem Rigol die 10 cm höher gelegenen Radwege befinden. Die Radwege sind also nicht etwa durch einen Grünstreifen von der Fahrbahn getrennt, sodaß kein Zweifel darüber aufkommen kann, daß sie Teile der V*****straße sind. Schon das Rechtsfahrgebot des § 7 StVO spricht dafür, daß der rechte Radweg zu benützen ist. Ist nur ein Radweg vorhanden, dann kann die Ansicht vertreten werden, diesem Gebot sei entsprochen, wenn auf dem einzigen Radweg in beiden Fahrtrichtungen rechts gefahren wird. Befinden sich hingegen an beiden Seiten der Straße Radwege, dann kann aus dem Rechtsfahrgebot abgeleitet werden, daß der rechts gelegene Radweg zu benützen ist. Dafür sprechen eindeutig auch Gründe der Verkehrssicherheit. Die Ausführungen in der Revision, ein Überqueren der Fahrbahn, um auf den anderen Radweg zu gelangen, würde ein Sicherheitsrisiko darstellen, sind nicht stichhältig. Dazu kommt im vorliegenden Fall, daß die Verkehrszeichen gemäß § 52 Z 17 a derart angebracht waren, daß sie nur für einen Richtung Westen - also gegen die Fahrtrichtung der Klägerin - fahrenden Radfahrer erkennbar waren. Da Verkehrszeichen gemäß § 48 Abs 1 StVO so anzubringen sind, daß sie von Lenkern herannahender Fahrzeuge leicht und rechtzeitig erkannt werden können, ergibt sich auch aus der Art der Anbringung der Verkehrszeichen, daß nur der rechte Radweg zu benützen ist. Daraus folgt, daß die Klägerin den Geh- und Radweg in einer Richtung befahren hat, in der dies nicht gestattet war und aus der der Erstbeklagte daher auch nicht mit einem Herannahen eines Radfahrers rechnen mußte.

Die Frage, ob der Klägerin ein Vorrang zugekommen wäre, wenn sie den Geh- und Radweg in Richtung Osten hätte befahren dürfen, ist daher nicht entscheidend. Der Vollständigkeit halber sei jedoch darauf hingewiesen, daß trotz der neuerlichen Gesetzesänderung durch die 15. Novelle zur StVO diese Frage keinesfalls eindeutig geklärt ist. Daraus, daß die von Radfahrstreifen, von Radwegen sowie von Rad- und Gehwegen kommenden Radfahrer in der demonstrativen Aufzählung des § 19 Abs 6 StVO nunmehr nicht mehr angeführt sind, wird zumindest teilweise die Ansicht vertreten, es gelte der Rechtsvorrang, wenn ein Radweg eine Straße kreuze (Dittrich-Stolzlechner aaO, Rz 5 zu § 68). Zu bedenken ist allerdings, daß gemäß § 68 Abs 3 a StVO Radfahrer Radfahrstreifen, wo der Verkehr nicht durch Arm- oder Lichtzeichen geregelt wird, nur mit einer Geschwindigkeit von höchstens 10 km/h und nicht unmittelbar vor einem herannahenden Fahrzeug und für dessen Lenker überraschend befahren dürfen. Ist - wie im vorliegenden Fall - keine Radfahrerüberfahrt vorhanden, dann ist für einen auf der Straße herannahenden Fahrzeuglenker das Kreuzen eines Radweges viel schwerer erkennbar (auch das Verkehrszeichen nach § 50 Z 11 a ist nur vor einer Radfahrerüberfahrt anzubringen). Daß trotzdem dem Radfahrer, sofern ihm der Vorrang nicht durch ein Verkehrszeichen genommen ist, der Rechtsvorrang zukommen sollte, muß wohl bezweifelt werden. Es ist auch darauf hinzuweisen, daß eine positive gesetzliche Regelung darüber, wem in einem solchen Fall der Vorrang zukommt, fehlt (vgl. Benes-Messiner aaO, Anm. 10 zu § 19). Dagegen, daß der Gesetzgeber den Radfahrern, die von einem Radweg kommend eine Straße kreuzen, den Vorrang einräumen wollte, spricht etwa auch, daß nach dem Bericht des Ausschusses für öffentliche Wirtschaft und Verkehr, 3642 der Beilagen zu den sten. Prot. des Bundesrates, Radfahrer weitgehend den Fußgängern gleichgestellt werden sollten. Damit läßt sich aber ein Vorrang im Sinne des § 19 StVO schwer vereinbaren. Nach der RV 860 BlgNR 17. GP 9 sollten Radfahrer allgemein den anderen Fahrzeuglenkern in bezug auf den "fließenden Verkehr" gleichgestellt werden, im AB 867 BlgNR 17. GP 2 wird aber nur der Fall erwähnt, daß Radweg und Fahrbahn parallel verlaufen.

Zu prüfen bleibt noch, ob den Erstbeklagten ein Mitverschulden trifft bzw. ob der Entlastungsbeweis nach § 9 Abs 2 EKHG erbracht wurde. Der Erstbeklagte mußte mit einem von rechts vorschriftswidrig herannahenden Radfahrer nicht rechnen. Richtig ist zwar, daß Fußgänger auch von rechts kommen konnten. Abgesehen davon, daß deren Gehgeschwindigkeit wesentlich geringer ist, als die von der Klägerin eingehaltene Geschwindigkeit von 10 bis 15 km/h, dürfen sie, wenn wie im vorliegenden Fall kein Schutzweg vorhanden ist, gemäß § 76 Abs 4 lit. b StVO nur dann auf die Fahrbahn treten, wenn sie sich vergewissert haben, daß sie hiebei andere Straßenbenützer nicht gefährden. Der Erstbeklagte durfte gemäß § 3 StVO darauf vertrauen, daß diese Bestimmung beachtet werde. Auch das schon vor dem Radweg angebrachte Verkehrszeichen "Vorrang geben" verpflichtete den Erstbeklagten nicht, einem unzulässigerweise von rechts herannahenden Radfahrer einen Vorrang einzuräumen. Auch die sichtbehindernde Hecke mußte den Erstbeklagten nicht veranlassen, seine Aufmerksamkeit nach rechts zu richten, da er von dort keine Gefahr erwarten mußte. Da der Erstbeklagte ohnedies nur mit 5 km/h zur Kreuzung verrollte und feststeht, daß der Unfall für ihn auch bei einer Fahrgeschwindigkeit der Klägerin von nur 10 km/h nicht verhinderbar war, kann ihm kein Verschulden angelastet werden. Die Beklagten haben aber auch den Entlastungsbeweis im Sinne des § 9 Abs 2 EKHG erbracht, da auch von einem besonders vorsichtigen, aufmerksamen Kraftfahrer kein anderes Verhalten verlangt werden konnte. Für den Erstbeklagten bestand auch kein Anlaß, ein Hupzeichen abzugeben.

Aus diesen Gründen haben die Vorinstanzen das Klagebegehren zutreffend abgewiesen, zumal im vorliegenden Fall keine Bindungswirkung an das verurteilende Straferkenntnis mehr besteht (Ecolex 1992/89).

Der Revision mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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