OGH 2Ob989/52

OGH2Ob989/527.1.1953

SZ 26/2

Normen

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1054
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1336
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1054
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1336

 

Spruch:

Vereinbarung zwischen dem Käufer und Verkäufer eines Hauses, daß im Fall der Nichträumung (oder nicht rechtzeitigen Räumung) einer Wohnung durch ihren bisherigen Mieter vom Kaufpreis ein bestimmter Teil "verfalle", begrundet bedingten Preisnachlaß (nicht Verpflichtung zur Zahlung einer Konventionalstrafe).

Entscheidung vom 7. Jänner 1953, 2 Ob 989/52.

I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Der Kläger hat ein ihm gehöriges Haus, das zum Teil vermietet gewesen ist, der beklagten Firma um den Betrag von 430.000 S verkauft und sich hiebei verpflichtet, die Räumung zweier Wohnungen durch ihre Mieter H. und Z. bis zu einem bestimmten Zeitpunkt (5. Dezember 1951) zu erwirken, widrigenfalls ein Betrag von je 20.000 S für jede Wohnung "verfallen" sollte und sich dann der Kaufpreis auf 410.000 S oder 390.000 S ermäßige. Der Kläger hat zwar die beiden Mieter gerichtlich gekundigt, doch sind am Stichtag die Wohnungen noch nicht geräumt gewesen, weshalb die geklagte Firma an Stelle der letzten Kaufpreisrate von 70.000 S nur einen Betrag von 30.000 S dem Kläger gezahlt hat. Dieser hat daraufhin die Verurteilung der beklagten Firma zur Zahlung des Betrages von 40.000 S mit der Begründung begehrt, daß die Vereinbarung über den Verfall eines Betrages von 40.000 S nicht gültig sei, daß ihn an der Nichträumung der Wohnungen kein Verschulden treffe und daß die Weigerung der geklagten Firma, den vollen Kaufpreis zu bezahlen, unhaltbar und unsittlich sei und überdies jeder rechtlichen Grundlage entbehre.

Das Prozeßgericht hat dem Klagebegehren stattgegeben.

Das Berufungsgericht hat das Klagebegehren abgewiesen.

Der Oberste Gerichtshof hat der Revision des Klägers nicht Folge gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Prozeßgerichtes hat die beklagte Partei das Haus des Klägers zu Geschäftszwecken gekauft und größtes Interesse gehabt, möglichst viel leeren Raum zur Verfügung zu erhalten. Da die Mieter H. und Z. ungefähr je 5% des Hauses benützt haben, sollte für den Fall der Nichträumung der Kaufpreis eine Reduktion im gleichen Verhältnis erfahren. Die Übergabe des Hauses an die beklagte Partei ist am 1. Oktober 1951 erfolgt. Bereits am 2. Oktober 1951 hat die beklagte Partei sämtlichen fünf im Hause wohnenden Parteien brieflich bekanntgegeben, daß das Eigentum an dem Haus auf sie übergegangen sei, daß der monatliche Mietzins nunmehr an sie zu zahlen sei, daß sie vorläufig von einer gesetzlich zulässigen Neufestsetzung des Mietzinses absehe, daß für alle die Verwaltung des Hauses betreffenden Angelegenheiten ihr Angestellter Dr. R. zuständig sei und daß sie auf ein gutes persönliches Auskommen zwischen Hauseigentümer und Mieter hoffe. Z. und H. sind erst durch die Schreiben der beklagten Partei vom 2. Oktober 1951 vom Verkauf des Hauses verständigt worden; die beklagte Partei hat in den folgenden sechs Monaten die Zahlungen der beiden ohne Widerspruch entgegengenommen. Anfang Dezember 1951 ist die beklagte Partei einerseits vom Kläger ersucht worden, ihm den Termin, bis zu dem Z. seine Wohnung zu räumen habe, bis Mitte Jänner 1952 zu erstrecken, und anderseits von H. um einen Räumungsaufschub bis Mitte Jänner 1952 gebeten worden; die beklagte Partei hat beiden Ansuchen zugestimmt, worauf am 13. Dezember 1951 einverständlich in Punkt 4 des Kaufvertrages der 5. Dezember 1951 durch den 14. Jänner 1952 ersetzt worden ist. Die Aufhebung der Kündigung Z.s ist im Urteile des Bezirksgerichtes Wels damit begrundet worden, daß seit dem 2. Oktober 1951 nicht mehr der Kläger, sondern die beklagte Partei die Bestandgeberin sei; das Kreisgericht Wels als Berufungsgericht hat zwar grundsätzlich vor der Intabulation des Erwerbers den bücherlichen Eigentümer als zur Kündigung legitimiert erachtet, jedoch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß das Bestandverhältnis zwischen dembücherlichen Eigentümer und dem Bestandnehmer schon vor der Intabulation des Erwerbers beendet und durch ein Bestandverhältnis mit diesem ersetzt werden könne, wenn er vertraglich schon vor der Intabulation zur alleinigen Benützung der Liegenschaft berechtigt sei; aus dem Schreiben der beklagten Partei vom 2. Oktober 1951 ist der Schluß gezogen worden, daß die beklagte Partei mit Z. ein neues Bestandverhältnis begrundet hat und daß das alte Bestandverhältnis zwischen dem Kläger und Z. beendet worden ist; das Kreisgericht hat aber nicht nur aus diesem, sondern auch aus anderen Gründen die Aufhebung der Kündigung bestätigt.

Das Prozeßgericht hat ebenfalls angenommen, daß durch die Schreiben der beklagten Partei ein neues Mietverhältnis zwischen ihr und H. und Z. begrundet worden ist und daß hiedurch dem Kläger die Erfüllung seiner Zusage, die Wohnungen bis zum 5. Dezember 1951 bzw. 14. Jänner 1952 zu räumen, unmöglich gemacht worden ist. Während die Kündigung Z.s aus diesem Gründe aufgehoben worden sei, sei die Nichträumung der Wohnung H.s darauf zurückzuführen, daß die beklagte Partei einem Aufschub seiner Delogierung zugestimmt und ihm dadurch Zeit gegeben habe, Einwendungen gegen die Exekution zu erheben. Nach der Ansicht des Prozeßgerichtes ist der Kläger nur durch die beklagte Partei an der Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtung verhindert worden und diese daher zur Herabsetzung des Kaufpreises nicht berechtigt gewesen. Das Berufungsgericht hat der Zustimmung der beklagten Partei zu einer Verlängerung der Räumungsfrist für H. überhaupt keine rechtliche Bedeutung zuerkannt und auch einen Zusammenhang der Schreiben der beklagten Partei vom 2. Oktober 1951 mit der Nichträumung der Wohnungen bis zum Stichtag verneint. Das Berufungsgericht hat es gleich dem Prozeßgericht für unentscheidend erachtet, ob die Vereinbarung im vierten Vertragspunkt eine Konventionalstrafe oder eine bedingte Herabsetzung des Kaufpreises begrunden sollte; es hat jedoch - offenbar als gerichtsbekannt - angenommen, daß gegenwärtig in W. für die Beschaffung einer von Wohnungen Z.s und H.s entsprechenden Ersatzwohnung je 20.000 S aufgewendet werden müßten.

Das Schwergewicht der Revisionsausführungen liegt in ihren Angriffen gegen die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht. Eine Darstellung der übrigen Revisionsgrunde ist bloß im Zusammenhang mit den Rechtsrügen versucht worden, doch sind die in dieser Richtung erhobenen Rügen, wenn auf sie überhaupt eingegangen werden kann, nicht begrundet.

Von den Rechtsrügen des Revisionswerbers kommt allerdings der einen Berechtigung zu, daß die rechtliche Natur der Vereinbarung in Punkt 4 eindeutig klarzustellen gewesen wäre. Da der Inhalt des Vertrages unbestritten und auch nicht behauptet worden ist, daß im Vertrage nicht enthaltene Vereinbarungen zusätzlich getroffen worden sind, sind zu seiner Auslegung weitere Erhebungen nicht erforderlich; es ist insbesondere belanglos, was sich die eine oder andere Partei anläßlich des Zustandekommens dieser Vereinbarung gedacht oder welche Absichten sie damit verfolgt hat, wenn nicht übereinstimmende Gedanken bestanden und gleiche Absichten erklärt worden sind. Es darf aber auch nicht, um zu einer besonderen Auslegung zu gelangen, gegen den Vertragserrichter vom Revisionswerber, der bei der Vertragserrichtung seinen eigenen Rechtsfreund zur Seite hatte, der Vorwurf, daß ihm hiebei Fehler unterlaufen seien, erhoben werden. Es ist davon auszugehen, daß H. und Z. im Zeitpunkte der Vertragserrichtung Räume des Hauses bewohnt haben. Selbst wenn der Kläger damals bereits über einen Exekutionstitel gegen H. verfügt hat - daß hierüber der beklagten Partei Mitteilung gemacht worden wäre, ist vom Kläger nicht behauptet worden - mußte er doch, schon im Hinblick auf die berechtigten Bedenken seines Vertreters, damit rechnen, daß ihm selbst die Entfernung H.s, noch mehr aber die Z.s, mochte dieser auch begrundete Aussicht auf eine andere Unterkunft gehabt haben, innerhalb einer verhältnismäßig kurzen Frist Schwierigkeiten verursachen und daher auch mißglücken könne. Anderseits hat die beklagte Partei das Haus nicht zu dem Zweck erworben, aus der Vermietung seiner Räume Erträgnisse zu erzielen, sondern zur Verwendung in ihrem Geschäftsbetrieb. Der Kläger war an einem hohen Kaufpreis, die beklagte Partei an der Gewinnung von möglichst viel Raum interessiert. Wenn nun der Kläger sich verpflichtet hat, die Liegenschaft am 1. Oktober 1951 der beklagten Partei von allen Parteien bis auf fünf geräumt zu übergeben und zusätzlich dafür die Haftung übernommen hat, daß Z. und H. bis längstens 5. Dezember 1951 bzw. 14. Jänner 1952 die Liegenschaft räumen, hat er sich für den Fall, daß am 1. Oktober 1951 nur mehr fünf Parteien im Haus sind und außerdem bis zum Stichtag noch H. und Z. ihre Wohnungen geräumt haben, den vollen Kaufpreis in dem vereinbarten Betrag von 430.000 S gesichert. Ohne besondere Sanktion hatder Kläger schließlich auch dafür die Haftung übernommen, daß nach dem 1. November 1951 nur mehr die Mietrechte der drei von der beklagten Partei zu übernehmenden Mieter an der Liegenschaft bestunden. Wenn nun aber die beklagte Partei für den Fall, daß H. und Z. die Liegenschaft nicht rechtzeitig räumten, mit dem Kläger vereinbart hat, daß vom Kaufpreis 40.000 S oder, wenn nur einer nicht rechtzeitig räumte, 20.000 S zu "verfallen" hätte, hat sie sich einen bedingten Preisnachlaß gesichert, da es nun ihr obliegen wird, die beiden - wahrscheinlich noch unter erschwerten Verhältnissen - aus dem Haus zu entfernen. Welche Rechtsansicht die Parteien über diesen Punkt der Vereinbarung gehabt haben, ist unerheblich. Von einem "Pönale" kann schon deshalb keine Rede sein, weil dieses im Zweifel nicht Konventionalstrafe, sondern Reuegeld ist. Aber auch die Voraussetzungen einer Konventionalstrafe nach § 1336 ABGB. treffen auf die Vereinbarung nicht zu; abgesehen davon, daß der Kläger nichts zu "entrichten", sondern lediglich weniger zu bekommen hat, ist der Abzug vom Kaufpreis nicht für die Nichterfüllung oder nicht gehörige Erfüllung des Vertrages durch den Kläger, sondern allgemein für den Fall, daß H. und Z. die Liegenschaft nicht geräumt haben, ausbedungen worden. Nicht eine Strafe sollte damit dem Kläger auferlegt werden, er mußte sich lediglich eine Reduktion des Kaufpreises gefallen lassen und hatte keine weiteren Maßnahmen gegen sich daraus zu befürchten, daß er nicht das, wofür er gehaftet hat, bewirkt hat. Ist aber nicht eine Übereinkunft über eine Konventionalstrafe getroffen, sondern der Kaufpreis variiert festgelegt worden, dann erübrigt sich eine Prüfung, ob der Verkauf für den Kläger ein Handelsgeschäft gewesen ist oder ob eine richterliche Verfügung im Sinn des zweiten Absatzes des § 1336 ABGB. möglich wäre.

Der Kläger müßte eine Reduktion des Kaufpreises nur dann nicht hinnehmen, wenn die beklagte Partei es verschuldet hätte, daß H. und Z. bis zum Stichtag nicht geräumt hätten; dann hätte die beklagte Partei dem Kläger nach den allgemeinen Grundsätzen über Schadenersatz zu haften und ihm die Differenz auf den höchst möglichen Kaufpreis nachzuzahlen. Die Schreiben vom 2. Oktober 1951 sind, wie das Berufungsgericht richtig angenommen hat, ebensowenig wie die Zustimmung,daß H. erst Mitte Jänner 1952 zu räumen hätte, dafür kausal, daß H. und Z. am Stichtag noch in ihren Wohnungen gewesen sind. Es wird in Lehre und Rechtsprechung überwiegend die Ansicht vertreten, daß bei einer Veräußerung des Bestandobjektes der Erwerber den Bestandnehmern gegenüber erst mit der Verbücherung seines Eigentumsrechtes in die Bestandverträge eintritt und eintreten kann. Eine Vereinbarung zwischen Verkäufer und Erwerber, daß dieser schon in einem früheren Zeitpunkt in den Besitz und Genuß des Bestandobjektes gelangen sollte, hat nur zwischen den beiden rechtliche Wirkung; gegenüber den Bestandnehmern ist ausschließlich der bücherliche Eigentümer zu verbindlichen Erklärungen befugt. Nach der Ansicht des Revisionsgerichtes konnte daher die beklagte Partei - entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes - in den Mietvertrag zwischen dem Kläger und Z. am 2. Oktober 1951 ebensowenig eintreten wie es ihr möglich gewesen wäre, vor der Intabulation einen bestehenden Mietvertrag aufzukundigen. Mag aber auch der beklagten Partei schon vor der Intabulation das Recht, mit H. einen neuen Mietvertrag abzuschließen, zugestanden sein, so ist hiedurch die Nichträumung der Wohnung durch ihn nicht beeinflußt gewesen. Völlig ohne Zusammenhang damit, daß die Wohnung H.s am Stichtag nicht geräumt gewesen ist, ist der Umstand, daß die beklagte Partei, die übrigens am Exekutionsverfahren gegen H. gar nicht persönlich beteiligt gewesen ist, einem Verbleiben H.s in der Wohnung während der Weihnachtsfeiertage und der ersten Tage des Jahres 1952 zugestimmt hat; in Wirklichkeit hat die beklagte Partei damit ja nur dem Kläger auch in Ansehung der Wohnung H.'s den Stichtag in Punkt 4 des Vertrages verlängert. Das Berufungsgericht hat jedoch zutreffend hervorgehoben, daß H. am 14. Jänner 1952 aus ganz anderen, von der beklagten Partei nicht veranlaßten Umständen die Wohnung nicht geräumt hat und daß daher der beklagten Partei der Anspruch auf eine Reduktion des Kaufpreises um 20.000 S zugestanden ist. Noch einfacher ist der Fall mit der Partei Z. gelagert. Der Kläger hat dessen Bestandverhältnis erst am 1. Dezember 1951 für den 31. Dezember 1951 aufgekundigt; da Z. eine Ersatzwohnung nicht zur Verfügung gestellt war, mußte er, schon um Zeit zu gewinnen, Einwendungen erheben, die vor allem deshalb Aussicht auf Erfolg hatten, weil der Kläger nach dem Abschluß des Kaufvertrages wohl schwerlich einen Eigenbedarf und nach der Übergabe des Bestandobjektes an den Erwerber noch weniger eine Vermietung im Sinn des § 1 Abs. 2 Z. 3 MietG. als Kündigungsgrund geltend machen konnte. Über die Einwendungen Z.s hat aber erst am 7. März, also lange nach dem Stichtage, die erste Streitverhandlung stattgefunden. Entscheidend ist ausschließlich, daß der Kläger sowohl gegen H. als auch gegen Z. mit einer gerichtlichen Aufkündigung vorzugehen und mit den durch das Mietengesetz und die Schutzverordnung geschaffenen Erleichterungen für die Gekundigten zu rechnen hatte und daß die von der beklagten Partei abgegebenen Erklärungen der Freistellung der Wohnungen am Stichtag nicht entgegengestanden sei. Es ist daher auch schließlich völlig unerheblich, unter welchen Bedingungen H. und Z. Mieter des Klägers geworden sind.

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