OGH 2Ob98/02d

OGH2Ob98/02d6.5.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stefan S*****, vertreten durch Dr. Berthold Garstenauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei *****bau GesmbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr. Fritz Karl und Dr. Robert Mühlfellner, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen EUR 9.196,75 sA und Feststellung, infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 30. Jänner 2002, GZ 2 R 208/01y-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 28. Juni 2001, GZ 3 Cg 71/00y-22, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde sowie infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 30. Jänner 2001, GZ 2 R 208/01y-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 28. Juni 2001, GZ 3 Cg 71/00y-22, zum Teil aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Revision und der Rekurs der beklagten Partei werden zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 333,12 (darin enthalten Umsatzsteuer von EUR 55,52, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisions- und Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Insoweit sind die Kosten des Revisionsverfahrens weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger kam am 18. 9. 1999 gegen 13.05 Uhr mit seinem Mountainbike auf einer Bundesstraße zu Sturz und verletzte sich dabei.

Er begehrt von der beklagten Partei die Zahlung von EUR 9.196,75 (umfassend Schmerzengeld, Heilungs- und Pflegekosten, Kosten für eine Haushaltshilfe, Sachschäden und vermehrte Bedürfnisse) sowie die Feststellung ihrer Haftung für sämtliche Schäden aus dem Unfall vom 18. 9. 1999 mit der Begründung, er sei gegen den am rechten Fahrbahnrand aufgestellten Verkehrszeichensockel gefahren; das Hindernis sei für ihn nicht sichtbar gewesen, weil die Verkehrstafel nicht montiert gewesen sei. Dieses schuldhafte Verhalten der Beklagten begründe deren Haftung für die Schäden des Klägers; das Verschulden der beklagten Partei liege auch darin, dass der Verkehrszeichensockel zu nahe an der Fahrbahn aufgestellt gewesen sei und dadurch für den Kläger ein Hindernis dargestellt habe. Es müsse dem Kläger als Radfahrer zugebilligt werden, so nahe am rechten Rand zu fahren, dass die Reifen den weißen Randstreifen nicht berührten. Er habe mit dem Lenker oder dem Ellenbogen an der Halterungsstange des Verkehrszeichens gestreift.

Die Beklagte wendete ein, es seien bereits am 17. 9. 1999 von ihren Mitarbeitern sämtliche Verkehrszeichen entfernt worden; anderseits habe der Unfall bei sehr guten Witterungsverhältnissen und ohne jegliche Sichtbehinderung stattgefunden, weshalb der Kläger, sollte überhaupt ein Verkehrszeichensockel auf der Straße gestanden sein, diesen hätte sehen und bei Einhaltung einer vernünftigen Geschwindigkeit unfallsverhindernd reagieren können. Er habe auch keinen hinreichenden Sicherheitsabstand eingehalten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen wurden:

Zum Zeitpunkt des Unfalles des Klägers waren die Sichtverhältnisse gut, die Straße war trocken. Auf der Höhe von Straßenkilometer 6,3 waren beiderseits der vom Kläger befahrenen Bundesstraße von der beklagten Partei im Zusammenhang mit einer von ihr bis zum Vortag in diesem Bereich betriebenen Baustelle Verkehrszeichensockel mit Stehern, jedoch ohne montierte Verkehrstafeln aufgestellt. Die zu diesen Verkehrszeichensockeln gehörenden Verkehrstafeln waren Überholverbotszeichen, welche während des Betriebes der erwähnten Baustelle in die der Fahrtrichtung des Klägers entgegengesetzte Richtung gerichtet waren. Da die Baustelle am Vortag, einem Freitag, von der beklagten Partei geräumt worden war, hätten auch die aufgestellten Verkehrszeichen entfernt werden sollen. Ob die Verkehrszeichen dabei übersehen worden sind oder was der Grund dafür war, dass sie zu dem Zeitpunkt nicht angebracht waren, als der Kläger die Bundesstraße befuhr, konnte nicht festgestellt werden, wohl aber, dass die Tafeln von der beklagten Partei stammten.

Der in Fahrtrichtung des Klägers gesehen auf dem rechten Fahrbahnrand stehende Verkehrszeichensockel war unmittelbar angrenzend an die weiße Fahrbahnbegrenzungslinie (richtig: Randlinie) auf der restlichen Asphaltfläche aufgestellt; diese Asphaltfläche war annähernd gleich breit wie der Verkehrszeichensockel. An den Asphalt schloss unmittelbar ein unbefestigtes Bankett an, das jedoch zu rasch in eine Böschung überging, weshalb außerhalb des Asphalts der Sockel keinen Platz mehr gefunden hätte.

Der Sockel hatte eine Breite von 40 cm, eine Länge von 80 cm und eine Höhe von 10 cm. An beiden Schmalseiten war eine ca 18 cm lange Abschrägung vorhanden. Im Sockel selbst befanden sich, jeweils 25 cm von den Enden entfernt, in der Mitte der Breite zwei Ausnehmungen, in die ein Steher zur Befestigung von Verkehrszeichen, Latten etc, eingeführt werden konnte und zu dem Zeitpunkt, als der Kläger die Bundesstraße befuhr, auch eingeführt war. Diese Steher waren aus einem Profilstahlrohr mit einem Querschnitt von 4 x 4 cm hergestellt, sie waren 1,5 m hoch. Die dazugehörenden Verkehrstafeln hatten einen Durchmesser von 0,5 m. Die Befestigungen für die Verkehrstafeln sind üblicherweise so stabil, dass die Tafeln durch bloßes Anstreifen oder leichteres Anstoßen nicht aus der Halterung gerissen werden können. Wie die Befestigung beim gegenständlichen Steher gewesen ist und ob sie allenfalls mangelhaft war, konnte nicht festgestellt werden.

Bei genauer Beobachtung der Verkehrsfläche hätte der Kläger den Sockel und auch den Steher sehen können, obgleich eine Tafel nicht montiert war. Ein Sehen setzt voraus, dass zumindest die Wahrnehmung erfolgt, dass sich der wahrzunehmende Gegenstand aufgrund des sogenannten Leuchtdichteunterschiedes (Farbunterschied gegenüber dem Umfeld) ausreichend abhebt. Da der Steher aufgrund seiner Beschaffenheit gegenüber der Asphaltfahrbahn keinen großen Kontrast aufwies, war die Wahrnehmbarkeit sicherlich geringer, als wenn eine Verkehrstafel montiert gewesen wäre und zwar insbesondere dann, wenn sie mit der weiß-rot-schwarzen Bemalung dem Kläger entgegengewendet gewesen wäre. Die gegebene geringere Auffälligkeit hätte erfordert, dass bei gleichen sonstigen Verhältnissen die Beobachtung genauer oder sorgfältiger erfolgte. Wäre das Schild montiert gewesen, allerdings mit der bemalten Seite dem Kläger abgewandt, hätte er die graue Rückseite und den grauen Steher bei entspechender Aufmerksamkeit sehen können.

Es kam zu keiner Berührung zwischen dem Fahrrad und dem Sockel. Wenn allerdings der Kläger mit dem Vorderrad ganz knapp (ca 2 cm) links 10 cm breiter der weißen Straßenbegrenzungslinie (Randlinie) gefahren wäre, wäre eine Streifung entweder mit seinem Ellenbogen oder mit dem rechten Lenkerende möglich gewesen.

Ob eine solche Streifung im gegenständlichen Fall tatsächlich stattgefunden hat oder ob der Kläger allenfalls lediglich durch zu späte Wahrnehmung des Sockels und des Stehers irritiert wurde, konnte nicht festgestellt werden. Jedenfalls kam der Kläger im Zusammenhang mit dem Verkehrszeichen zu Sturz.

Bei einem Kontakt rechts der Mitte des Fahrrades, insbesondere mit dem rechten Lenkerende, wäre es zunächst zu einer Richtungsänderung nach rechts gekommen, bei der auch ein Kontakt zwischen dem Fahrrad und dem Steher erfolgen hätte können. Durch ein reflexartiges Gegenlenken nach links konnte im Zuge des Sturzes auf der Fahrbahn die Bewegung nach links bis in eine Endlage auf der linken Fahrbahnseite erfolgen. Das Fahrrad kann nach rechts gekippt sein, sodass die seitlichen Abschürfungen beim Aufschlag und Rutschen auf der Fahrbahn entstanden sind. Aus technischer Sicht hätte der Kläger selbst über das Fahrrad nach links auf die Fahrbahn gestürzt sein können. Ebenso wäre aber auch ein Unfallsereignis in der Weise möglich, dass der Kläger durch zu späte Wahrnehmung des "Hindernisses" das Fahrzeug nach links verriß und dabei zu Sturz kam.

Der Kläger konnte nach dem Unfall selbst nach Hause fahren. Noch am Nachmittag desselben Tages setzten Schmerzen ein, weshalb er sich noch an diesem Tag zum Arzt begab, der am linken Oberarm, an der linken Hüfte, an der rechten Hand und am rechten Ellenbogen sowie am linken Knie und am Kinn Abschürfungen festgestellte. Der Kläger klagte über Schmerzen in der linken Hüfte sowie im Halswirbelsäulenbereich.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die beklagte Partei sei berechtigt und verpflichtet gewesen, an der späteren Unfallstelle Verkehrszeichen aufzustellen, wobei für eine Positionierung auf der in Fahrtrichtung des Klägers gesehen rechten Fahrbahnseite keine andere Möglichkeit als die tatsächlich vorgenommene bestanden habe. Aus dem Aufstellen der Verkehrszeichen könne daher kein Verschulden der beklagten Partei abgeleitet werden. Ein solches könne allerdings darin erblickt werden, dass die beklagte Partei übersehen habe, nach Beendigung der Baustelle die Verkehrszeichen wieder zu entfernen und auf den Verkehrszeichenbefestigungen die Verkehrstafeln nicht mehr vorhanden gewesen seien; letzteres habe zu einer schwereren Wahrnehmbarkeit für den Kläger geführt. Allerdings sei zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen, dass er mit dem Vorderrad in einem Bereich ab etwa 2 cm vom weißen Fahrbegrenzungsstreifen gefahren sei. Auch wenn man einem Radfahrer zubilligen müsse, bestrebt zu sein, eher weiter rechts zu fahren als schnellere Fahrzeuge, so gelte doch auch für ihn die Vorschrift, dass zum rechten Fahrbahnrand ein angemessener Sicherheitsabstand einzuhalten sei; ein Abstand von weniger als 2 cm zum weißen Straßenbegrenzungsstreifen entspreche diesem Erfordernis nicht. Der Kläger habe faktisch keinen Sicherheitsabstand zur Straßenbegrenzung eingehalten, weshalb er zu Sturz gekommen sei. Da der Verkehrszeichensockel für ihn rechtzeitig wahrnehmbar gewesen sei, sei sein Eigenverschulden als derart schwer einzustufen, dass ein allfälliges minimales Verschulden der beklagten Partei in den Hintergrund zu treten habe.

Das vom Kläger angerufene Berufungsgericht änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, dass es feststellte, das Leistungsbegehren bestehe dem Grunde nach mit einem Drittel zu Recht; das Begehren auf Zahlung von EUR 6.131,16 sA sowie auf Feststellung der Haftung für zwei Drittel der Schäden wurde abgewiesen.

Hinsichtlich eines Teilklagebegehrens von EUR 3.065,59 sA und hinsichtlich des Feststellungsbegehrens im Umfange von einem Drittel wurde die angefochtene Entscheidung aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche nach Verfahrensergänzung zu fällende Entscheidung aufgetragen. Das Berufungsgericht sprach aus, die ordentliche Revision und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof seien zulässig.

Ergänzend stellte das Berufungsgericht fest, aus dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg, mit dem der beklagten Partei die Einrichtung der am Tag vor dem Unfall wieder geräumten Baustelle bewilligt worden war, ergebe sich, dass der Straßenverkehr dadurch nicht gefährdet werden dürfe; Straßenverkehrszeichen seien auf der rechten Straßenseite aufzustellen, sie hätten der StVO zu entsprechen und müssten mit rückstrahlendem Material ausgestaltet sein; außerhalb der Arbeitszeit, insbesondere an arbeitsfreien Tagen, seien sämtliche Straßenverkehrszeichen zu entfernen oder ausreichend zu verdecken. Nach Abschluss der Arbeiten sei der ordnungsgemäße Zustand der Straße wiederherzustellen.

Zur Rechtsfrage führte das Berufungsgericht aus, es sei zu Lasten der beklagten Partei zu berücksichtigen, dass sie insofern den bescheidmäßigen Auflagen nicht entsprochen habe, als nach dem Abschluss der Arbeiten nicht der ordnungsgemäße Zustand der Straße, wozu auch die Beseitigung der Verkehrszeichen samt Sockel und Stehern gehört hätte, wiederhergestellt worden sei, sondern ein Verkehrszeichen bzw Teile davon an Ort und Stelle belassen worden seien. Bereits daraus ergebe sich die Rechtswidrigkeit des Verhaltens der maßgeblichen Leute der beklagten Partei. Dazu komme noch, dass zum Unfallszeitpunkt lediglich der Verkehrszeichensockel samt Steher, jedoch ohne Verkehrstafel aufgestellt gewesen sei, wodurch die Wahrnehmbarkeit herabgesetzt gewesen sei. Gerade die Beachtung der entspechenden Wahrnehmbarkeit der Verkehrszeichen sei jedoch im erwähnten Bescheid vorgeschrieben gewesen, abgesehen davon, dass die beklagte Partei gar nicht berechtigt gewesen sei, lediglich die Verkehrstafel zu demontieren, sei doch angeordnet worden, außerhalb der konkreten Arbeitszeit seien diese zu entfernen oder ausreichend zu verdecken. Damit trage die beklagte Partei die Verantwortung für das Fehlverhalten ihrer maßgeblichen Leute, die es unterlassen hätten, nach Beseitigung der Baustelle auch den Verkehrszeichensockel samt Steher zu entfernen, sei doch in rechtswidriger Weise eine in ihrer Wahrnehmbarkeit herabgesetzte Gefahrenquelle an einer notorisch stark frequentierten Ausfahrtsstraße der Landeshauptstadt Salzburg belassen worden, was letztlich unfallskausal gewesen sei. Daraus folge die Haftung der beklagten Partei.

Allerdings treffe den Kläger ein erhebliches Mitverschulden, weil er so knapp links der Randlinie (möglicherweise sogar auf oder rechts derselben) gefahren sei, dass die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden könne, dass er mit dem Ellenbogen oder dem rechten Lenkerende den Steher gestreift habe. Er sei damit unzulässigerweise zu weit rechts gefahren. Nach § 7 Abs 1 StVO habe der Lenker eines Fahrzeuges so weit rechts zu fahren, wie ihm dies ohne eigene Gefähdung und ohne Beschädigung von Sachen möglich sei. Zu prüfen sei, inwieweit der Kläger auf der Bundesstraße rechts fahren habe dürfen. Dazu sei es ständige Rechtsprechung, dass Straßenteile dann rechtlich nicht der Fahrbahn zuzuzählen seien, wenn die Absicht der Straßenverwaltung, die Randteile einer Straße ausschließlich anderen Zwecken als dem Fahrzeugverkehr zu widmen, den Straßenbenützern augenfällig werde. Ein Befahren der außerhalb der Fahrbahn gelegenen, durch Begrenzungslinien im Sinne des § 55 Abs 3 StVO iVm § 7b BodenmarkierungsV bezeichneten Flächen sei grundsätzlich nicht verboten, doch seien außerhalb der Fahrbahn gelegene, durch Begrenzungslinien abgegrenzte Verkehrsflächen keine Fahrbahn im Sinne des § 2 Abs 1 Z 2 StVO.

Nach § 55 Abs 2 StVO seien Längsmarkierungen die dazu dienten, den Fahrbahnrand anzuzeigen (Randlinien) als nicht unterbrochene Linien auszuführen; nach § 2 Abs 1 Z 2 StVO sei Fahrbahn der für den Fahrzeugverkehr bestimmte Teil der Straße. Gehe man von der Rechtsprechung aus, wonach jene Straßenteile nicht der Fahrbahn zuzuzählen seien, welche augenfällig anderen Zwecken als dem Fahrzeugverkehr gewidmet seien, dann stehe es einem Verkehrsteilnehmer nicht zu, durch Randlinien abgegrenzte Teile der Straße als Fahrbahn zu benützen, und zwar insbesondere dann nicht, wenn sich außerhalb der Randlinie nur ein schmaler Asphaltstreifen und dann bereits das Straßenbankett befinde. Selbst wenn man aber von einer derartigen Berechtigung ausginge, seien derartige Verkehrsteilnehmer angehalten, der Straßenoberfläche ein erhöhtes Augenmerk zu schenken, um allenfalls im Wege stehende Hindernisse frühzeitig erkennen und ihnen ausweichen zu können. Da nach den Feststellungen des Erstgerichtes der Verkehrszeichensockel und auch der Steher außerhalb der weißen Randlinie gewesen seien, der Kläger aber so knapp links der Randlinie gefahren sei und zwar bezogen auf die Radaufstandsfläche, dass er möglicherweise mit seiner Schulter oder dem Lenker des Fahrrades damit in Berührung gekommen sei und schließlich der Platzbedarf eines Radfahrers nicht mit der Radaufstandsfläche anzunehmen sei, sondern mit der gesamten Breite des Lenkers bzw des Radfahrers, habe der Kläger - jedenfalls zum Teil - die Straßenfläche außerhalb der Fahrbahn benutzt. Es treffe ihn ein erhebliches Mitverschulden, weil er die bei der von ihm gewählten Fahrlinie jedenfalls erforderliche besondere Aufmerksamkeit unterlassen habe. Da im Übrigen auch für einen Radfahrer der Grundsatz des Fahrens auf Sicht gelte und nicht zwingend nachvollziehbar sei, weshalb der Kläger den im Unfallsbereich befindlichen Verkehrszeichensockel samt Steher nicht wahrgenommen habe bzw diesem nicht habe ausweichen können, anderseits aber die beklagte Partei für das Belassen des Verkehrzeichensockels und damit einer Gefahrenquelle einzustehen habe, erscheine die Annahme eines Mitverschuldens des Klägers im Ausmaß von zwei Dritteln als gerechtfertigt.

Die ordentliche Revision und den Rekurs erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil die Frage, inwieweit ein Radfahrer bei Vorhandensein einer weißen Randlinie rechts fahren dürfe, an Bedeutung den Einzelfall übersteige.

Gegen den klagsstattgebenden Teil dieser Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei, gegen den Aufhebungsbeschluss deren Rekurs; in diesen Rechtsmitteln wird beantragt, die klagsabweisende Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die klagende Partei hat hiezu Revisions- und Rekursbeantwortung erstattet und beantragt, die Rechtsmittel der beklagten Partei zurückzuweisen, in eventu, ihnen nicht Folge zu geben.

Die Revision und der Rekurs der beklagten Partei sind wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage - der gegenteilige Ausspruch des Berufungsgerichtes ist nicht bindend - nicht zulässig.

Die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage, wie weit ein Radfahrer bei Vorhandensein einer weißen Randlinie rechts fahren dürfe, wurde vom Berufungsgericht ohnehin zugunsten der beklagten Partei in dem Sinne gelöst, als angenommen wurde, der Kläger sei zu weit rechts gefahren. Im Übrigen werden aber in den Rechtsmitteln der beklagten Partei keine erheblichen Rechtsfragen dargetan.

Die beklagte Partei vertritt die Meinung, Sinn und Zweck des Genehmigungsbescheides der BH Salzburg-Umgebung sei es, dass außerhalb der Arbeitszeit die Kfz-Lenker nicht durch falsche Verkehrszeichen beeinträchtigt werden. Außerhalb der Arbeitszeit seien deshalb die Straßenverkehrszeichen entweder zu entfernen oder ausreichend zu verdecken gewesen. Das Abhängen des Schildes "Überholverbot" stelle die zweite Form des bescheidmäßigen Auftrages dar. Somit sei ein Verstoß gegen den Bescheid wohl nicht gegeben. Schutzzweck des Bescheides sei nicht, dass ein zumindest mit einem Teil sich außerhalb der Fahrbahn befindlicher Verkehrsteilnehmer darauf verlassen könne, dass entlang bzw knapp außerhalb einer Straße keine Hindernisse vorhanden seien.

Selbst wenn man aber davon ausgehe, dass das Zurücklassen des Bakenfusses eine Rechtswidrigkeit darstelle, sei von einem derartig überwiegenden Verschulden des Klägers auszugehen, dass das geringfügige Mitverschulden der beklagten Partei nicht ausreiche, um eine Verschuldensteilung vorzunehmen. Der Kläger wäre verpflichtet gewesen, einen ausreichenden Sicherheitsabstand einzuhalten, er sei überdies unaufmerksam gefahren und sei ihm auch ein Reaktionsverzug vorzuwerfen. Schließlich treffe den Kläger auch eine Fehlreaktion, weil er sein Fahrrad verrissen habe.

Durch diese Ausführungen werden aber keine erheblichen Rechtsfragen dargetan. Soweit es die Auslegung des Genehmigungsbescheides betrifft und die Frage der Schutzzweck dieses Bescheides, liegt schon wegen der Einzelfallbezogenheit keine erhebliche Rechtsfrage vor. Was die Frage der Gewichtung des Verschuldens betrifft, so kommt bloßen Ermessensentscheidungen - wie über die Teilung oder Schwere des Verschuldens - im Allgemeinen keine über die besonderen Verhältnisse des Einzelfalls hinausgehende Bedeutung zu. Solange das Berufungsgericht nur aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls seine Entscheidung trifft, ohne von einer in ständiger Rechtsprechung anerkannten Ermessungsübung extrem abzuweichen, liegt eine erhebliche Rechtsfrage nicht vor (Kodek in Rechberger², § 502 Rz 3 mwN).

Die Rechtsmittel der beklagten Partei waren deshalb wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich insoweit auf die §§ 41, 50 ZPO.

Gegen den klagsabweisenden Teil der Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Leistungsbegehren dem Grunde nach und dem Feststellungsbegehren zur Gänze stattgegeben und das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich eines weiteren Begehrens von EUR 6.131,17 sA aufgehoben werde; hilfsweise wird ein weiterer Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat dazu Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der klagenden Partei nicht Folge zu geben.

Diese Revision ist aus dem vom Berufungsgericht aufgezeigten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Der Kläger macht in seinem Rechtsmittel geltend, die beklagte Partei habe rechtswidrigerweise auf einer stark befahrenen Fahrbahn eine Gefahrenquelle geschaffen und habe daher für die daraus resultierenden Folgen einzustehen. Ausgehend von der unrichtigen rechtlichen Rechtsansicht, dass das Belassen des Sockels und des Stehers ohne Verkehrszeichen nur ein geringes Mitverschulden der beklagten Partei begründe, hätten die Gerichte die Feststellung unterlassen, dass sowohl Sockel als auch Steher sowie die Fahrbahn eine graue Färbung aufwiesen und für den Kläger aufgrund des geringen Kontrastes auch bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit nicht erkennbar gewesen seien. Ein allfälliges Mitverschulden des Klägers könne aufgrund der Unauffälligkeit des Hindernisses vernachlässigt werden. Die Bestimmung des § 7 Abs 1 StVO bezwecke das Ziel, die optimale Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zu gewährleisten. Unter Missachtung dieses Rechtsgrundsatzes habe es das Berufungsgericht unterlassen, festzustellen, dass sich der Unfall auf einer Bundesstraße ereignet habe, wo Pkws mit Geschwindigkeiten bis zu 100 km/h an einem Radfahrer vorbeifahren und sich neben der Randlinie eine asphaltierte Fahrbahnfläche sowie ein Bankett befanden, sodass der vom Kläger eingehaltene Sicherheitsabstand ausreichend gewesen sei. Es sei dem Kläger auch nicht zumutbar, weiter in der Mitte der Fahrbahn zu fahren. Das Rechtsfahrgebot sei im Hinblick auf das Ausmaß einer Gefährdung des Fahrzeuglenkers zu bemessen, wobei bei Radfahrern auf den Umstand der Gefährdung insbesondere im Verhältnis zum übrigen Verkehr besonders einzugehen gewesen wäre. Ausgehend von dieser Rechtsansicht hätten die Gerichte festzustellen gehabt, dass es sich um eine stark frequentierte Bundesstraße gehandelt habe. Das Rechtsfahrgebot diene zudem dem Schutz des Gegen- und Folgeverkehrs, solle aber nicht auch Gefahren vorbeugen, welche von einem am rechten Fahrbahnrand aufgestellten Hindernis ausgingen, weshalb jedenfalls der Rechtswidrigkeitszusammenhang verneint werden müsse.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass ohnehin festgestellt wurde, dass der Steher eine graue Farbe hatte (s AS 126 unten), weiters hat das Berufungsgericht ausgeführt, es sei gerichtsnotorisch, dass die Straße, auf der sich der Unfall ereignete, stark frequentiert ist. Was die Wahrnehmbarkeit des Verkehrszeichensockels und des Stehers betrifft, hat das Erstgericht festgestellt, dass der Kläger bei genauer Beobachtung der Verkehrsfläche diese Hindernisse sehen hätte können. Von dieser Feststellung ist im Folgenden auszugehen.

Zutreffend haben die Vorinstanzen auf die Bestimmung des § 7 Abs 1 StVO verwiesen, wonach der Lenker eines Fahrzeuges so weit rechts zu fahren hat, wie ihm dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer, ohne eigene Gefährdung und ohne Beschädigung von Sachen möglich ist. Diese Bestimmung enthält einerseits das Gebot, so weit rechts zu fahren, wie dies zumutbar und ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer, ohne eigene Gefährdung und ohne Beschädigung von Sachen möglich ist, anderseits aber auch das Verbot, weiter rechts zu fahren. Die Bestimmung dient nicht nur dem Schutz anderer Verkehrsteilnehmer, sondern in der Form des Verbots zu weit rechts zu fahren auch dem Schutz dessen, der am rechten Fahrbahnrand fährt ("ohne eigene Gefährdung .... möglich ist"). Zu Recht hat daher das Berufungsgericht geprüft, ob der Kläger weiter rechts, als zulässig, gefahren ist.

Gemäß § 2 Abs 1 Z 2 StVO ist die Fahrbahn der für den Fahrzeugverkehr bestimmte Teil der Straße. Gemäß § 2 Abs 1 Z 19 StVO ist ein Fahrzeug ein zur Verwendung auf Straßen bestimmtes oder auf Straßen verwendetes Beförderungsmittel, sohin auch ein Fahrrad. Für die Beurteilung des Fahrbahnrandes ist nicht der Asphaltverlauf, sondern, so weit solche vorhanden sind, weiter innen befindliche Randlinien (§ 8 Abs 1 BodenmarkierungsV) maßgebend, die gemäß § 55 Abs 2 StVO den Fahrbahnrand anzeigen (RIS-Justiz RS0075334; ZVR 1984/220). Die rechts der Randlinie befindliche Asphaltfläche war daher nicht mehr Teil der Fahrbahn und durfte vom Kläger auch nicht mit seinem Fahrrad benutzt werden.

Anderes gilt für Verkehrsflächen außerhalb von Begrenzungslinien. Gemäß § 8 Abs 3 BodenmarkierungsV sind Begrenzungslinien unterbrochene Längsmarkierungen in weißer Farbe, die die Fahrbahn oder den allein für den fließenden Verkehr bestimmten Teil der Fahrbahn von anderen Verkehrsflächen abgrenzen. Gemäß § 55 Abs 3 StVO sind Längsmarkierungen, die dazu dienen, die Fahrbahn von anderen Verkehrsflächen - wie zB Einmündungen, Ausfahrten udgl abzugrenzen (Begrenzungslinien) als unterbrochene Linien auszuführen. Aus der beispielsweisen Aufzählung der Verkehrsflächen in § 55 Abs 3 StVO ergibt sich, dass ein Befahren der außerhalb der Fahrbahn gelegenen, durch Begrenzungslinien abgegrenzten anderen Verkehrsflächen grundsätzlich nicht verboten ist. Zu diesem Ergebnis führt auch eine teleologische Betrachtung, weil der Begrenzungslinie regelmäßig nur Leit- und Ordnungsfunktion zukommt (ZVR 1986/26; ZVR 1993/142). Eine Begrenzungslinie lag aber hier nicht vor.

Im vorliegenden Fall ist nun der Kläger äußerst knapp am rechten Fahrbahnrand gefahren, er hat also nicht jene Entfernung eingehalten, die seine eigene Gefährdung im Sinne des § 7 Abs 1 StVO verhindert hätte. Dazu kommt, dass der Kläger gegen ein stehendes Hindernis nicht unbeträchtlichen Umfangs, das bei genauer Beobachtung der Verkehrsfläche erkennbar gewesen wäre, gefahren ist oder aber jedenfalls wegen dieses Hindernisses sein Fahrzeug so verrissen hat, dass er zum Sturz kam. Wenn aber ein Radfahrer die von ihm zu befahrende Strecke bzw deren Rand nicht beachtet, handelt er grob sorglos in eigenen Angelegenheiten, weshalb sein Schaden gemäß § 1304 ABGB aufzuteilen ist.

Gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Aufteilung im Verhältnis von 2 : 1 zu Lasten des Klägers bestehen nach Ansicht des erkennenden Senates keine Bedenken.

Der Revision des Klägers war deshalb keine Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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