Normen
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §918
HGB §377
HGB §378
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §918
HGB §377
HGB §378
Spruch:
Voraussetzungen für ein Rücktrittsrecht bei Untauglichkeit der gelieferten Ware.
Entscheidung vom 29. April 1953, 2 Ob 976/52.
I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.
Text
Der Kläger ersuchte den ihm als Elektro- und Maschinenfachmann bekannten Ing. Franz F., ihn von der Gelegenheit des Ankaufes eines Gleichstromgenerators mit einer Leistung von 90 Kilowatt bei 220 Volt und einer Drehzahl von 1000 Umdrehungen in der Minute zu verständigen. Der Beklagte machte den Ing. Franz F. auf einen im Eigentum der Elektrizitätswerke I. stehenden Generator aufmerksam. Bei der Besichtigung des Generators wurden dem Ing. Franz F. weder von den Angestellten des Elektrizitätswerkes noch von dem Beklagten Zusagen über eine bestimmte Leistung der Maschine gegeben. Ing. Franz F. übermittelte seine Untersuchungsergebnisse dem Kläger. Dieser erteilte dem Ing. Franz F. den Auftrag, mit dem Beklagten den Kaufvertrag über den Generator abzuschließen. Der Beklagte erwarb die Maschine von den Stadtwerken I. und bestätigte dem Kläger mit Schreiben vom 6. August 1948 den Abschluß eines Kaufvertrages über einen Gleichstromgenerator mit der oben angegebenen Leistung. Die Maschine wurde dem Kläger Anfang September 1948 übermittelt, der sie nach Vornahme einiger Verbesserungen an die Kommanditgesellschaft E., der er die Maschine verkauft hatte, weiterleitete. Die Abnehmerin ließ ein Fundament und eine Kuppelung für die Aufstellung der Maschine errichten und setzte sie anfangs November 1948 zum ersten Male in Betrieb. Hiebei wurden einige Mängel festgestellt, deren Abstellung versucht wurde. Da die Maschine die vereinbarte Leistung nicht erbrachte, wurde sie am 7. Dezember 1948 auf ein Prüffeld der Firma S. gebracht. Die Prüfung ergab eine Minderleistung der Maschine. Das Ergebnis der Prüfung wurde dem Kläger am 20. Dezember 1948 zugestellt. Dieser erklärte der beklagten Partei am 23. Dezember 1948 wegen der Minderleistung den Rücktritt vom Vertrage.
Das Erstgericht wies das u. a. auf Rückzahlung des Kaufpreises - Zug um Zug gegen Rückstellung der Maschine - gerichtete Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Ein Garantieversprechen für eine bestimmte Eigenschaft der Kaufsache ist in der Regel nur eine unselbständige Verpflichtung mit der Bedeutung, daß die längeren Verjährungsfristen gelten und daß im Zweifel auch für unerhebliche Mängel Garantieleistung gefordert werden kann. Aber auch durch ein solches Versprechen wird die Verpflichtung zur unverzüglichen Untersuchung und Mängelanzeige nicht berührt (RGR.-Kommentar zum HGB., § 377, Anm. 34). Der geltend gemachte Anspruch kann auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes nicht gestützt werden. Die Unterinstanzen haben den Nachweis, daß der Beklagte die Leistungen der Maschine gekannt hat, nicht als erbracht angesehen. Ihm kann auch nicht zur Last gelegt werden, daß er in dem Bestätigungsschreiben vom 6. August 1948 fahrlässig bestimmte Leistungen der Maschine angegeben habe, weil die Angaben über die Leistung der Maschine aus dem Schreiben des Ing. Franz F. vom 29. Juli 1948, der die Maschine als Fachmann besichtigt hatte, übernommen wurden.
Eine Erörterung der Frage, ob der zwischen den Parteien geschlossene Kaufvertrag dahin auszulegen ist, daß dem Kläger von dem Beklagten eine bestimmte Leistung der Maschine garantiert oder zugesagt wurde und ob die Erkennbarkeit des Mangels der Kenntnis gleichsteht, erübrigt sich, weil die Mängelrüge auf jeden Fall verspätet war. Nach erfolgter Annahme der Leistung kann der Empfänger wegen vorhandener Mängel nicht ordentliche Erfüllung begehren, sondern lediglich Gewährleistungsansprüche geltend machen (Ehrenzweig, Obligationenrecht 1928, S. 217; Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 24. Oktober 1952, 2 Ob 781/52 unter ausdrücklicher Ablehnung der von Pisko, zuletzt in Klangs Kommentar, 1. Aufl. zu § 918, Anm. 6 - 8 vertretenen Ansicht). Das Fristengesetz kann nicht zur Anwendung kommen, weil es sich um Erklärungen handelt, die von einer Partei einer anderen gegenüber abgegeben wurden. Nach § 377
(1) HGB. hat der Käufer die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer zu untersuchen, soweit dies nach ordnungsgemäßem Geschäftsgang tunlich ist. Gemäß § 378 HGB. finden jedoch die Vorschriften des § 377 HGB. nicht Anwendung, wenn eine andere als die bedungene Ware geliefert ist und die gelieferte Ware offensichtlich von der Bestellung so erheblich abweicht, daß der Verkäufer die Genehmigung des Käufers als ausgeschlossen betrachten mußte. Die Rechtslehre neigt dazu, die Anwendung des § 378 HGB. auch für den Kauf einer bestimmten vertretbaren Sache grundsätzlich nicht auszuschließen (Kommentar zum HGB., herausgegeben von Mitgliedern des Reichsgerichtes, Anm. 3 zu § 378, S. 314, Düringer - Hachenburg, Anm. 3 zu § 378 HGB., S. 358). Die Entscheidung der Frage, ob ein aliud oder nur ein Mangel vorliegt, ist in allen Fällen ohne Bedeutung, in denen nicht die Ausnahmsvorschrift des zweiten Halbsatzes des § 378 HGB. vorliegt und die Beanstandung durch die Versäumung der Rügefrist verwirkt ist. Der Zweck des § 378 HGB., den im § 377 dem Verkäufer gewährten Schutz möglichst zu erweitern, führt dahin, die Ausnahmevorschrift des zweiten Halbsatzes der genannten Gesetzesstelle strenge auszulegen (Düringer - Hachenburg, Anm. 21 zu § 378 HGB., S. 365). Die Untauglichkeit der gelieferten Ware für den Verwendungszweck kann nur dann in Betracht kommen, wenn der Verkäufer diesen kennt. Der Kläger hat durch seinen Vertrauensmann die Maschine untersuchen lassen und war im Besitze der Prüfungsergebnisse. Sowohl er als sein Vertrauensmann sind Fachleute. Bei der Besichtigung der Maschine wurde ihre Leistungsfähigkeit als zweifelhaft hingestellt. In dem Schreiben vom 29. Juli 1948 hat Ing. Franz F. dem Kläger mitgeteilt, daß der Kauf des von ihm besichtigten Gleichstromgenerators "90 Kilowatt, 220 Volt, 1000 Umdrehungen per Minute" zustandegekommen sei und daß der Kläger die Maschine von seiner Militärzeit her kenne, jedoch nicht erklärt, daß der Kläger den Generator nicht verwenden könne, wenn seine Leistung von diesen Angaben abweiche. Abgesehen davon, würde nur ein allzugroßer Gütemangel als Artmangel erscheinen. So wäre völlig verrostetes Eisengerät nicht schlechtes Gerät, sondern eine andere Ware, nämlich Schrott (Baumbach - Duden im Kurzkommentar zum HGB., 10. Aufl., S. 693). Der Kläger hat einen Gleichstromgenerator bestellt und einen solchen geliefert erhalten. Die Abweichungen in der Leistung dieses Generators (46 Kilowatt bei 230 Volt und 750 Umdrehungen in der Minute, statt der im Bestätigungsschreiben vom 6. August 1948 angegebenen Leistungen) lassen den gelieferten Generator nicht als eine andere Sache erscheinen. Der Kläger kann einen Gewährleistungsanspruch nur dann erheben, wenn er die Rüge rechtzeitig erhoben hat. Die Arbeiten für die Errichtung des Fundamentes und die Herstellung der Kuppelung erforderten einen Zeitraum von mehreren Monaten. Ein weiterer Zeitraum verstrich mit den Versuchen, die gewünschten Leistungen zu erreichen. Eine Feststellung des für die Verbesserungen notwendigen Zeitraumes erübrigte sich, weil sich der Kläger auch dann, als sich die Verbesserungsversuche als erfolglos erwiesen, noch nicht veranlaßt sah, die Minderleistung zu rügen. Konnte von der Inbetriebsetzung der Maschine bei dem Abnehmer eine zuverlässige Feststellung der Minderleistung erwartet werden, so hätte der Kläger die Mängelrüge erstatten müssen, sobald die Maschine beim Abnehmer - allenfalls nach Vornahme der erforderlichen Verbesserungen - nicht die verlangte Leistung erbrachte. Der Abnehmer hat dem Kläger am 6. Dezember 1948 mitgeteilt, daß die Maschine trotz der vielen Versuche noch nicht die vereinbarten Leistungen erbringe. Dem Käufer wird nicht zuviel angesonnen, wenn verlangt wird, daß er in jedem irgendwie zweifelhaften Falle unverzüglich die Mängelrüge erstattet. Wenn aber eine zuverlässige Feststellung der Mängel erst durch die Prüfung auf dem Prüffeld der Elektrospezialfirma möglich war, so hätte diese Prüfung sogleich nach Vornahme der nötigen Ausbesserungen erfolgen müssen, ohne daß es der Errichtung eines Fundamentes bedurft hätte. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, daß durch die bei seinem Abnehmer bestehenden Verhältnisse die Untersuchungsfrist verlängert wurde.
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