Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die Mutter der Rechtsmittelwerberin arbeitete vor deren Geburt als Prostituierte. Der Vater ihres Kindes ist unbekannt. Klagen auf Feststellung der Vaterschaft gegen drei von ihr namhaft gemachte Männer wurden bereits im Jahr 2000 rechtskräftig abgewiesen. Am 22. 1. 2007 beantragte die Minderjährige Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 „Abs 2" (richtig: Z 2) UVG. Es bestehe keine Aussicht, den Vater - offensichtlich einen vormaligen Kunden ihrer Mutter - festzustellen, sodass die Festsetzung von Unterhalt überhaupt nicht gelingen könne, da ihr Vater unbekannt sei und auch bleiben werde. Das Erstgericht wies den Antrag sogleich ab, da niemand, der als Vater in Betracht komme, namhaft gemacht werden könne, sodass auch ein Nachweis der Vaterschaft im Sinne des § 11 Abs 2 UVG nicht erbracht werden könne. Die Voraussetzungen des § 4 Z 2 UVG lägen daher nicht vor.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Minderjährigen nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der Oberste Gerichtshof habe zwar in seiner Entscheidung 7 Ob 243/05v in einem vergleichbaren Fall ausgeführt, das UVG sehe eine rechtswirksame Vaterschaftsfeststellung als Voraussetzung für eine Bevorschussung nicht vor. Im dort entschiedenen Fall sei jedoch der Name des Vaters aus der Geburtsurkunde zu entnehmen gewesen; er habe das Kind bei sich versorgt und auch selbst als seine Tochter bezeichnet. Damit habe die Minderjährige die Vaterschaft im Sinne des § 11 Abs 2 UVG nachgewiesen und habe jene Person festgestanden, die ihr Unterhalt schulde. Nur deshalb, weil mangels Ausforschbarkeit des Unterhaltspflichtigen die Festsetzung eines Unterhaltsbetrages im Sinne des § 4 Z 2 UVG überhaupt nicht gelingen könne, seien der dortigen Minderjährigen Unterhaltsvorschüsse zugesprochen worden. Im vorliegenden Fall lägen die Verhältnisse jedoch anders. Die Mutter habe erklärt, den Vater ihres Kindes nicht zu kennen und auch keine Möglichkeit zu sehen, seinen Namen je zu erfahren. Wolle man sich auf den Standpunkt der Minderjährigen stellen, es komme gar nicht darauf an, wer überhaupt ihr Vater sei, dann wären die Erwägungen des Obersten Gerichtshofes, ob eine rechtswirksame Feststellung der Vaterschaft erforderlich sei oder ob auch eine entsprechend dokumentierte Erklärung gemäß § 11 Abs 2 UVG genüge, gegenstandslos. Von einer Ungleichbehandlung könne nicht gesprochen werden, handle es sich doch bei Unterhaltsvorschüssen nicht um Leistungen, die Unterhaltszahlungen ersetzen, sondern nur bevorschussen sollten. Eine Vorschussleistung setze aber die Kenntnis des - wenigstens grundsätzlich - Ersatzpflichtigen voraus. Auch das UVG gehe in einer Reihe von Bestimmungen vom Vorhandensein eines - zumindest namentlich bekannten - Unterhaltsschuldners aus.
Der ordentliche Revisionsrekurs wurde für zulässig erachtet, weil sich die Entscheidung des Rekursgerichtes „(nur) auf eine e contrario-Argumentation aus dem Beschluss des Obersten Gerichtshofes stützt, eine höchstgerichtliche Entscheidung, in der die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß § 4 Z 2 UVG mangels Kenntnis des Unterhaltspflichtigen abgelehnt wurde, aber offenbar nicht veröffentlicht ist".
Gegen diese Entscheidung richtet sich der erkennbar auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revisionsrekurs der Minderjährigen mit dem Antrag, in Abänderung der bekämpften Entscheidung das Erstgericht „anzuweisen", ihr ab Antragstellung Unterhaltsvorschüsse im gesetzlichen Ausmaß zu leisten.
Der Präsident des Oberlandesgerichtes Graz beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, dem gegnerischen Rechtsmittel keine Folge zu geben.
Der Revisionsrekurs ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Nach der hier maßgeblichen Bestimmung des § 4 Z 2 UVG sind Vorschüsse ua auch dann zu gewähren, „wenn die Festsetzung des Unterhaltsbeitrages überhaupt ... nicht gelingt". § 4 Z 2 UVG stellt damit auf eine Unmöglichkeit der Unterhaltsfestsetzung (bzw -erhöhung) ab, obwohl das Kind die erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen dafür unternommen hatte (1 Ob 94/98z = ÖA 1999, 44/UV 120 mwN), ein Antrag auf Unterhaltsfestsetzung jedoch erfolglos blieb oder - aus Gründen in der Person des Unterhaltsschuldners - von vornherein mangels realistischer Erfolgsaussicht nicht gestellt wurde.
Bereits in der von den Vorinstanzen zitierten und inzwischen vielfach
veröffentlichten (SZ 2005/164 = EvBl 2006/45 = EFSlg 111.526, 111.529
= ÖA 2006, 43/UV 240 = Zak 2006/46, 32) Entscheidung 7 Ob 243/05v kam
der Oberste Gerichtshof zum Ergebnis, „dass das UVG eine rechtswirksame Vaterschaftsfeststellung als Voraussetzung für eine Bevorschussung an keiner Stelle fordert und die in § 4 Z 4 UVG vorausgesetzte Feststellung der Abstammung eines Kindes in erster Instanz in den Fällen des § 4 Z 2 UVG nicht anwendbar ist, sondern in diesen Fällen die Unterhaltsverpflichtung im Sinne des § 1 UVG grundsätzlich lediglich den Tatbestand der Vaterschaft voraussetzt, der nach § 11 Abs 2 UVG auch aus den Pflegschaftsakten, durch Urkunden etc nachgewiesen werden kann." In der zitierten Entscheidung ging es um ein in Hawaii außerehelich geborenes Mädchen, das zunächst mit seiner Mutter in San Francisco lebte und nach deren Tod über ein Jahr beim sowohl in der Geburtsurkunde des Kindes als auch einer Zustimmungserklärung zur Betrauung der österreichischen mütterlichen Großmutter mit der Obsorge als Vater bezeichneten Mann in den USA und später in Thailand verbrachte; damit war die Vaterschaft des Genannten als im Sinne des § 11 Abs 2 UVG ausreichend nachgewiesen erachtet worden, auch wenn der Unterhaltsschuldner in der Folge unbekannten Aufenthaltes verzog und trotz entsprechender Bemühungen nicht ausgeforscht werden konnte, weil weder unbekannter Aufenthalt noch ungeklärte Lebensverhältnisse des Vaters eine Bevorschussung nach § 4 Z 2 UVG hinderten.
Ein Unterhaltsvorschuss wegen Aussichtslosigkeit der Titelschaffung nach § 4 Z 2 UVG setzt somit eine rechtskräftige Vaterschaftsfeststellung nur dann nicht voraus, wenn die Vaterschaft nicht bestritten oder sonst (völlig) ungewiss ist. Da der gesetzgeberische Sinn des § 4 Z 2 UVG darin gelegen ist, dass der Staat mit seinen Leistungen nicht nur dann einspringen soll, wenn sich ein Unterhaltsschuldner im Zwangsvollstreckungsverfahren dem Zugriff auf sein Vermögen oder seine Einkünfte entzieht, sondern auch dann, wenn er durch sein Verhalten bereits die Schaffung eines seinen Kräften entsprechenden Unterhaltstitels vereitelt (hat), obwohl er dem Grunde nach als Unterhaltsschuldner feststeht (ausführlich Neumayr in Schwimann, ABGB3 I, § 4 UVG Rz 18, weiters Rz 29, 34 und 37 ff), scheiden Fälle wie der vorliegende einer nicht bloß an einem unbekannten Aufenthaltsort befindlichen, sondern sogar gänzlich unbekannten Person des Vaters als Unterhaltsschuldner von vorneherein aus. Demgemäß muss - wie auch der Präsident des Oberlandesgerichtes in seiner Revisionsrekursbeantwortung zutreffend hervorhebt - nach dem Gesamtgefüge des UVG jedenfalls ein Unterhaltsschuldner vorhanden sein, dessen (gesetzliche) Unterhaltspflicht freilich durch den Staat unter bestimmten, im Gesetz genau determinierten Voraussetzungen bevorschusst werden kann (vgl § 2 Abs 2 Z 1, § 13 Abs 1 Z 4 und 6, §§ 26, 28 und 30 ff leg cit; vgl hiezu auch Erl zum UVG, AT P IV Pkt 2 in ErlRV 5 BlgNR 14. GP, 8).
Da die Entscheidung des Rekursgerichtes mit diesen rechtlichen Gegebenheiten in Übereinstimmung steht, konnte dem Rechtsmittel kein Erfolg beschieden sein.
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