Spruch:
Stille Zession und Inkassozession
OGH 13. 7. 1972, 2 Ob 91/72 (OLG Linz 2 R 116. 117/71; LG Salzburg 4 Cg 473/69)
Text
Am 13. 3. 1967 ereignete sich kurz nach Mitternacht auf der S-Bundesstraße in der sogenannten K-Kurve bei H ein Zusammenstoß zwischen einem dem Kläger gehörenden und von Siegfried H gelenkten PKW Opel Rekord und einem vom Beklagten gelenkten und ihm gehörenden PKW Alfa-Romeo. Dabei wurden die beiden Fahrzeuge beschädigt und die beiden Fahrer verletzt. Der Beklagte wurde wegen dieses Unfalles der Übertretung nach § 335 StG schuldig gesprochen.
Der Kläger verlangt vom Beklagten Zahlung von S 39.667.- sA, das sind 3/4 seines mit S 53.000.- bezifferten Schadens aus der Beschädigung seines Wagens. Er behauptet, der Beklagte habe den Unfall verschuldet, es werde jedoch ein Mitverschulden des H von 1/4 zugestanden. H habe den Schaden durch Übergabe eines gleichwertigen Fahrzeuges an den Kläger gutgemacht, doch habe sich der Kläger dabei gegenüber H verpflichten müssen, die Ansprüche aus dem Verkehrsunfall seinerseits im eigenen Namen gegenüber dem Beklagten geltend zu machen.
Der Beklagte beantragt Abweisung des Klagebegehrens. Er wendet ua ein, der Kläger müsse sich sein eigenes Verschulden und das Mitverschulden des H im Ausmaß zu 1/2 anrechnen lassen, wobei das eigene Verschulden des Klägers darin zu erblicken sei, daß er seinen Wagen dem führerscheinlosen H zur Benützung überlassen habe. Da H den Schaden dem Kläger ersetzt und damit dessen Ersatzforderung eingelöst habe, sei der Kläger zur Klagsführung nicht mehr legitimiert. Schließlich wendet der Beklagte eine Gegenforderung von S 42.420.-, das ist die Hälfte seines aus dem Unfall entstandenen Schadens, aufrechnungsweise mit dem Hinweis darauf ein, daß die andere Hälfte dieser Forderung mit Ansprüchen des H im Verfahren 4 Cg 298/67 des LG Salzburg (H gegen den Beklagten) aufgerechnet worden sei.
Das Erstgericht erkannte auf der Grundlage eines gleichteiligen Mitverschuldens des H, die Forderung des Klägers bestehe mit S 24.000.- sA und die Gegenforderung des Beklagten mit S 16.743.67 sA zu Recht und der Beklagte sei daher schuldig, dem Kläger den Betrag von S 7256.67 sA zu bezahlen. Das Mehrbegehren auf Zahlung von weiteren S 32.410.67 sA wies es ab.
Das Erstgericht traf im wesentlichen folgende Feststellungen:
Der Kläger überließ am Abend des 12. 3. 1967 der Trude V seinen Opel Rekord zur Heimfahrt nach T. V, die in Begleitung des H beim Kläger in M erschienen war, lenkte den Wagen bis T. H, dem der Führerschein von der Bundespolizeidirektion S entzogen worden war, befand sich auch während dieser Fahrt in ihrer Begleitung. In T entnahm H der Handtasche der V ohne deren Wissen die Autoschlüssel und fuhr mit dem Wagen des Klägers weiter in Richtung S. Kurz nach Mitternacht fuhr H mit dem Wagen des Klägers auf der S-Bundesstraße von H kommend in Richtung S. Aus der Gegenrichtung näherte sich der Beklagte mit seinem PKW. In der K-Kurve kam es zum Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge. Dabei befand sich der Beklagte in einem durch Alkoholgenuß beeinträchtigten Zustand. Der Blutalkoholgehalt betrug bei ihm 0.89 Promill.
H ersetzte dem Kläger den ihm aus dem Unfallsereignis entstandenen Schaden. Der Kläger vereinbarte mit ihm, dessen noch offenen Anspruch gegenüber dem Beklagten im eigenen Namen geltend zu machen.
Der Zeitwert des Opel Rekord betrug S 52.000.-, der Restwert nach dem Unfall S 5000.-. Der Schaden beläuft sich somit auf S 47.000.-, zuzüglich Bergungs- und Abschleppkosten insgesamt auf S 48.000.-.
Der Schaden, den der Beklagte durch den Unfall erlitten hat, beträgt, wie zu 4 Cg 298/67 des Landesgerichtes Salzburg festgestellt wurde, S 84.840.-.
Im Verfahren 4 Cg 298/67 des Landesgerichtes Salzburg, in dem H seine Ansprüche aus dem gegenständlichen Unfall gegen den Beklagten geltend machte und in dem ein Anspruch aus der Beschädigung des Wagens des Klägers nicht Prozeßgegenstand war, wurde dem H in letzter Instanz ein Mitverschulden an dem Unfall von 50% angelastet, weil er entgegen der Vorschrift des § 7 Abs 2 StVO 1960 nicht ganz rechts gefahren und eine für die gegebenen Verhältnisse zu hohe Geschwindigkeit eingehalten habe, und weil er außerdem ohne Führerschein gefahren sei.
Das Erstgericht beurteilte diesen Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht folgendermaßen:
Bezüglich der Verschuldensfrage müsse das Ergebnis dasselbe sein wie im Verfahren 4 Cg 298/67 des Landesgerichtes Salzburg, zumal die Ergebnisse des Beweisverfahrens in diesem Rechtsstreit gezeigt haben, daß es sich bei H keineswegs um einen gewissenhaften Kraftfahrer mit langjähriger Fahrpraxis, sondern um einen solchen handle, der trotz wiederholter Bestrafung durch die Verwaltungsbehörden nicht gewillt sei, die Verkehrsvorschriften einzuhalten. Entsprechend dem gleichteiligen Verschulden H und des Beklagten an dem Unfall könne der Kläger sowohl gegen H als auch gegen den Beklagten Schadenersatzansprüche stellen, gegenüber H auch deshalb, weil dieser, ohne im Besitz eines Führerscheines zu sein, das Fahrzeug des Klägers in Betrieb genommen habe. Da H aber als Mitschuldner des Beklagten die Forderung des Klägers bereits zur Gänze befriedigt habe, sei der Kläger nach § 893 ABGB an sich nicht mehr berechtigt, vom Beklagten noch etwas zu fordern, zumal H und der Beklagte gemäß § 1302 ABGB dem Kläger für den entstandenen Schaden zur ungeteilten Hand haften. Allerdings sei zulässig, daß sich der Kläger in Form einer stillen Zession H gegenüber verpflichtet habe, den Anspruch, der H gegenüber dem Kläger zustand und den er gemaß § 896 ABGB geltend zu machen berechtigt war, im eigenen Namen geltend zu machen. Der Kläger müsse sich aber nach den Bestimmungen des § 1394 ABGB alle Einwendungen des Beklagten gefallen lassen, die diesem gegenüber H zustehen, so vor allem das zu 4 Cg 298/67 des Landesgerichtes Salzburg rechtskräftig festgestellte gleichteilige Mitverschulden. Im gegenständlichen Rechtsstreit sei somit davon auszugehen, daß der Schaden des Klägers S 48.000.- betrage. Seine Forderung bestehe daher unter Berücksichtigung des 50%igen Mitverschuldens des H mit S 24.000.- zu Recht. Dem Beklagten sei ein Schaden von S 84.840.- entstanden. Wegen des Mitverschuldens könne er davon nur die Hälfte, also S 42.420.- geltend machen. Davon sei mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 22. 6. 1969 im Verfahren 4 Cg 298/67 des Landesgerichtes Salzburg über einen Betrag von S 25.676.33 rechtskräftig abgesprochen worden, so daß S 16.743.67 verbleiben.
Die Berufungen beider Teile blieben erfolgslos. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich, hielt das Verfahren für mangelfrei und folgte dem Erstgericht im Ergebnis auch in der rechtlichen Beurteilung.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Beklagte macht geltend, die Vorinstanzen hätten die zwischen dem Kläger und H geschlossene Vereinbarung über die Geltendmachung der Klagsforderung zu Unrecht als stille Zession beurteilt und demzufolge die Aktivlegitimation des Klägers zu Unrecht bejaht. Dem Kläger ist zwar beizupflichten, daß das Wesen der sogenannten stillen Zession darin besteht, daß eine Forderung im bisherigen Vermögen des Gläubigers bleibt und daß dieser sich verpflichtet, sie als mittelbarer Stellvertreter eines anderen einzutreiben, dh, die vom Schuldner erhaltene Leistung dem anderen abzutreten oder gutzuschreiben (Wolff in Klang[2] VI, 290. Rspr 1933/294, 5 Ob 229/71 uam). Richtig ist auch, daß dieser Fall hier nicht gegeben ist. Hat H als Mitschuldner zur ungeteilten Hand den mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Schadenersatzanspruch des Klägers - wie festgestellt ist - befriedigt, dann kann er, wie das Erstgericht richtig ausgeführt hat vom Beklagten auch ohne geschehene Rechtsabtretung nach § 896 ABGB nach dem zwischen ihnen bestehenden Verhältnis, hier also nach Maßgabe des Mitverschuldens (SZ 26/18, EvBl 1966/444), Ersatz verlangen. Die festgestellte Vereinbarung, daß der Kläger den noch offenen Anspruch des H gegen den Beklagten im eigenen Namen geltend zu machen hat, wurde daher zu Unrecht als stille Zession bezeichnet. Damit ist aber für den Beklagten im Ergebnis nichts gewonnen, weil diese Vereinbarung richtigerweise als Inkassozession der dem H nach § 896 ABGB gegen den Beklagten entstandenen Regreßforderung an den Kläger zu beurteilen ist. Es liegt hier ein in die Form der Abtretung gekleideter, dem Drittschuldner gegenüber als Abtretung wirkender Auftrag des Überträgers an den Übernehmer vor, die im Vermögen des Überträgers verbleibende Forderung im Namen des Übernehmers, aber für Rechnung des Überträgers geltend zu machen. Der Übernehmer macht also gegenüber dem Schuldner formell eine eigene, materiell gesehen jedoch eine fremde Forderung geltend (SZ 12/295, 24/114 uam). Die Inkassozession ist somit zwar ein Fall der abgeschwächten Abtretung, aber nichtsdestoweniger echte Abtretung, die dem Zessionar die Stellung des Gläubigers verschafft (Wolff aaO, SZ 42/105 uam). Die Vorinstanzen haben somit die Aktivlegitimation des Klägers im Ergebnis zutreffend bejaht. Demzufolge erweist sich die Revision des Beklagten als nicht gerechtfertigt.
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