Normen
Einführungsverordnung zum Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen
Einführungsverordnung zum Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen
Spruch:
Keine Einschränkung der Haftung des Fahrzeughalters auf das Verschulden seiner "Dienstnehmer".
Entscheidung vom 17. Feber 1954, 2 Ob 91/54.
I. Instanz: Kreisgericht St. Pölten; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Zweitbeklagte überließ am 9. Jänner 1951 sein Motorrad dem Erstbeklagten zu einer Probefahrt, da sich dieser ihm gegenüber zu der Reparatur des Motorrades bereit erklärt hatte. Auf der Probefahrt wurde die Klägerin von dem vom Erstbeklagten gelenkten Motorrad niedergestoßen. Der Erstbeklagte wurde durch rechtskräftiges Urteil des Strafgerichtes wegen Übertretung gegen die Sicherheit des Lebens gemäß § 335 StG. schuldig erkannt, weil er mit übermäßiger Geschwindigkeit auf einem Motorrad gefahren sei und die klagende Partei auf dem Straßenbankett niedergestoßen habe. Die klagende Partei erlitt einen rechtsseitigen Unterschenkelbruch, einen beiderseitigen Beckenbruch, eine Schnittwunde am rechten Unterarm und eine rechtsseitige Rippenprellung. Sie begehrt, den beiden Beklagten zur ungeteilten Hand die Bezahlung eines Schmerzengeldes im Betrage von 21.000 S, einer Entschädigung für die Dauerfolgen der Verletzung im Betrage von 10.000 S und eines Betrages von 1753.50 S für weitere Schäden aufzutragen. Infolge Zuspruches eines Schmerzengeldes von 2000 S im Strafverfahren machte sie jedoch mit der vorliegenden Klage nur einen Betrag von 30.753.50 S geltend.
Das Erstgericht sprach der Klägerin einen Betrag von 13.380 S als restliches Schmerzengeld, einen Betrag von 8000 S als Entschädigung für die Dauerfolgen und einen weiteren Betrag von 1193.70 S als Ersatz für weitere Schäden zu.
Das Berufungsgericht sprach der Klägerin ein Schmerzengeld von restlichen 19.000 S zu und bestätigte das erstgerichtliche Urteil hinsichtlich des Betrages von 1193.70 S (die Abweisung des betreffenden Mehrbegehrens in der Höhe von 559.80 S durch das Erstgericht war unangefochten geblieben), hob jedoch das erstgerichtliche Urteil auf, soweit es über das Begehren auf Ersatz eines Betrages von 10.000 S zur Abgeltung der Dauerfolgen erkannt hatte und trug dem Erstgericht auf, sich der Entscheidung über das Zinsenbegehren der Klägerin zu unterziehen. Bei der Bemessung des Schmerzengeldes sei auch darauf Bedacht zu nehmen, daß die Klägerin auch für die noch in Hinkunft auftretenden Schmerzen sowie für das Unlustgefühl zu entschädigen sei, das durch die Verunstaltungen und ihre Behinderung im Gebrauche der verletzten Gliedmaßen entstehe.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei teilweise Folge und erkannte die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 14.573.70 S binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Haftung des Erstbeklagten für die geltend gemachten Ansprüche auf Ersatz des Schadens und Zahlung eines Schmerzengeldes grundet sich auf die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes (§ 1325 ABGB.). Der Zweitbeklagte kann im Rahmen der Bestimmungen der §§ 11 und 12 des Kraftverkehrsgesetzes in Anspruch genommen werden, wenn er als Halter des Fahrzeuges anzusehen ist, darüber hinaus jedoch nur, wenn seine Haftung für das Verschulden des Erstbeklagten nach Art. IV der Verordnung zur Einführung des Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen begrundet ist. Der Zweitbeklagte hat sowohl im Berufungsverfahren als auch im Revisionsverfahren unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht, er hat jedoch nicht eingewendet, daß er für den Klagsanspruch zur ungeteilten Hand nicht hafte, weil er entweder nicht als Halter anzusehen sei oder weil auf ihn die Bestimmungen des Art. IV der erwähnten Einführungsverordnung nicht anzuwenden seien.
Das Rechtsmittelgericht hat, wenn es überhaupt in der Rechtsfrage angerufen ist, die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nach allen Seiten hin zu prüfen (vgl. Sperl, Lehrbuch der bürgerlichen Rechtspflege, S. 634, Neumann II S. 1364, Entscheidung des OGH. vom 20. Dezember 1949, JBl. 1950, S. 140, vom 22. August 1951, JBl. 1952, S. 381 ff., vom 28. Jänner 1953, 2 Ob 818/52 u. a.). Der Erstbeklagte ist nicht Inhaber einer Reparaturwerkstätte, sondern ein Arbeitskamerad des Zweitbeklagten, dem dieser das Motorrad vorübergehend für eine Probefahrt überlassen hat. Da der Erstbeklagte die Probefahrt im Interesse des Zweitbeklagten unternahm, geschah sie im Betrieb des Zweitbeklagten. Die Haftung nach dem Kraftverkehrsgesetz erstreckt sich jedoch nur auf die im § 11 angeführten Nachteile, umfaßt somit nicht das Schmerzengeld und ist überdies ziffernmäßig durch § 12 des Kraftverkehrsgesetzes beschränkt. Art. IV der erwähnten Einführungsverordnung zum Kraftverkehrsgesetz bestimmt, daß der Halter für das Verschulden der Person, deren er sich beim Betrieb des Kraftfahrzeuges bedient hat, haftet, "insoweit es sich um ihre Dienstleistung beim Betriebe des Kraftfahrzeuges handelt". In der Entscheidung vom 8. Dezember 1948, SZ. XXII/1 hat der Oberste Gerichtshof unter ausdrücklicher Ablehnung der früheren Rechtsprechung und der Rechtslehre der Meinung Ausdruck gegeben, daß unter dem Ausdruck "Dienstleistung" nur eine Leistung auf Grund eines Dienstvertrages zu verstehen sei. Die erste Regierungsvorlage zum Automobilhaftpflichtgesetz habe in ihrem § 3 Abs. 2 für langsam fahrende Kraftwagen, deren Eigentümer von der Haftung nach dem Gesetz befreit waren, die Vorschrift enthalten, daß sie für das Verschulden jener Personen hafteten, "deren sie sich beim Betrieb bedienen". Dieser Ausdruck sei der gleiche gewesen, der schon aus dem Eisenbahnhaftpflichtgesetz bekanntgewesen sei und habe sich lediglich auf Bedienstete bezogen. Nach den erläuternden Bemerkungen zur zweiten Regierungsvorlage sei in dem späteren § 8 des Automobilhaftpflichtgesetzes der Beisatz "insoweit es sich um Dienstleistung beim Betrieb" handelt, nur zur Klarstellung des Sinnes der Worte "deren er sich beim Betriebe bedient" eingeschaltet worden. Dieser Beisatz sei unverständlich, wenn sich der Ausdruck Bedienung im Betriebe nicht nur auf Bedienstete, sondern auch auf andere Personen hätte erstrecken sollen, die mit dem Willen des Eigentümers das Fahrzeug führen. Hätten die Gesetzgeber den Ausdruck Dienstleistung verwendet, eine solche aber gar nicht gemeint, so hätten sie bei ihren veröffentlichten Bemerkungen zu dieser Gesetzesstelle einen irreführenden Denkfehler gemacht, in dem sie den Beisatz als eine selbstverständliche Klarstellung bezeichnet hätten, während er nach dem Wortlaut des Gesetzes eine wesentliche Einschränkung enthalte. Lediglich der § 2 Abs. 3 des ursprünglichen Automobilhaftpflichtgesetzes habe der Rechtsprechung Gelegenheit gegeben, unter Personen, deren sich der Eigentümer beim Betriebe bedient, nicht nur Bedienstete, sondern auch andere Personen zu verstehen. Die in der Entscheidung SZ. XXII/1 vertretene Rechtsansicht über die Bedeutung des Ausdruckes Dienstleistung wurde in mehreren späteren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes (vom 20. September 1950, 2 Ob 189/50, vom 25. Jänner 1951, 2 Ob 46/51, vom 12. März 1952, 2 Ob 206/52, u. a.) unter Berufung auf die Vorentscheidung SZ. XXII/1 aufrechterhalten.
Der Oberste Gerichtshof vermag an der in diesen Entscheidungen zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht nicht mehr festzuhalten. Die erste Regierungsvorlage zum Automobilhaftpflichtgesetz (Nr. 2068 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Abgeordnetenhauses,
17. Session, 1904) enthielt lediglich fünf Paragraphen, die den §§ 1, 2, 5, 13 und 14 des späteren Gesetzes entsprachen. Sie enthielt im § 3 Abs. 2 die Bestimmung, daß der Eigentümer langsam fahrender Fahrzeuge für das Verschulden der Person haftet, deren er sich beim Betrieb bedient und schloß im § 2 Abs. 3 die Berufung auf das Verschulden dieser Personen aus. In den Motiven zur ersten Regierungsvorlage wird ausgeführt, daß das Einstehen des Eigentümers oder Betriebsübernehmers für die beim Betrieb verwendeten Leute sich aus dem allgemeinen Grundsatze des Handelns auf eigene Gefahr ergebe, auf dem die Haftpflicht beruhen solle. Eine Beschränkung der Haftung des Eigentümers des Kraftfahrzeuges auf Personen, die zu ihm in einem Dienstverhältnis stehen, ist daher der ersten Regierungsvorlage und den Erläuterungen hiezu nicht zu entnehmen. Der Justizausschuß des Abgeordnetenhauses gelangte auf Grund sorgfältiger Vorarbeiten zu einem Entwurf, der später mit unwesentlichen Änderungen beschlossen wurde. Im § 6 des vom Justizausschuß beantragten Gesetzentwurfes findet sich bereits die Bestimmung, daß auch dort, wo die Ersatzansprüche für einen durch den Betrieb eines Kraftfahrzeuges verursachten Schaden nach dem bürgerlichen Recht zu beurteilen sind, der Eigentümer des Kraftfahrzeuges für das Verschulden der Person, deren er sich beim Betrieb bedient, haftet. Die gleiche Ausdrucksweise "beim Betrieb bedient" enthält der vorletzte Absatz des § 2 des Entwurfes. Die zweite Regierungsvorlage übernahm die Bestimmungen des § 6 des vom Justizausschuß beantragten Gesetzes, fügte aber behufs Klarstellung des Sinnes die Worte ein "insoweit es sich um ihre Dienstleistung beim Betrieb des Kraftfahrzeuges handelt" (Nr. 454 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Herrenhauses, 17. Session 1904). Der § 6 der zweiten Regierungsvorlage erscheint im Autohaftpflichtgesetz als § 8. Unter Betriebsgehilfen im Sinne des § 2 Abs. 3 des Automobilhaftpflichtgesetzes, wurden von Anfang an nicht nur Dienstnehmer des Eigentümers verstanden. Bartsch führt bereits in seiner ersten Auflage des Kraftfahrzeuggesetzes (1913) aus, daß sich der Betriebsunternehmer beim Betrieb jeder Person bediene, der er technische Verrichtungen, die Aufsicht oder Bewachung oder andere Verrichtungen anvertraue, gleichgültig ob dies gegen Entgelt oder umsonst, gelegentlich oder im ständigen Verhältnisse geschehe. Würde man also den in Rede stehenden Ausdruck im § 6 des vom Justizausschuß beantragten Gesetzes dahin auslegen, daß er sich nur auf Dienstnehmer beziehe, so hätte sich der Justizausschuß im § 2, vorletzter Absatz, und im § 6 Abs. 1, seines Entwurfes des gleichen Ausdruckes in verschiedener Bedeutung bedient, was insbesondere bei einem ganz kurzen Gesetz einem groben gesetzestechnischen Fehler gleichkäme. Ein solcher Fehler wäre jedoch dem Justizausschuß, dem bedeutende Rechtsgelehrte angehörten, nicht zuzumuten.
Die Bedeutung dieses Ausdruckes kann aber auch nicht aus dem Sinn erschlossen werden, der ihm im Eisenbahnhaftpflichtgesetz zukommt, weil nach der Organisation des Eisenbahnwesens als Betriebsgehilfen nur Personen in Betracht kommen, die in einem dauernden Beschäftigungsverhältnis zu der Bahn stehen, während der Eigentümer eines Kraftfahrzeuges sich ohneweiters auch anderer Personen bedienen kann. Der Hinweis auf das Eisenbahnhaftpflichtgesetz verliert seine Beweiskraft sofort durch die Erwägung, daß derselbe Ausdruck im § 2 Abs. 3 des vom Justizausschuß beantragten Gesetzes - wie unbestritten ist - eine über den Begriff Bediensteten hinausgehende Bedeutung hat. Geht man davon aus, daß der im § 8 des Automobilhaftpflichtgesetzes gebrauchte Ausdruck die gleiche Bedeutung hat, so erscheint die in der Regierungsvorlage verfügte Einschaltung nur als eine Klarstellung. Daß der Gesetzgeber unter Diensten nicht gerade eine Leistung auf Grund eines Dienstvertrages im Sinne des § 1151 ABGB. verstehen wollte, ergibt sich aus dem § 4 Abs. 2 des Automobilhaftpflichtgesetzes, der von einer Militärperson "in Ausübung ihres Dienstes" und von dem Betrieb eines "im Dienste" der Kriegsverwaltung verwendeten Kraftfahrzeuges spricht.
Die Rechtslehre und die Rechtsprechung bis zum Jahre 1938 haben daher die Haftung des Eigentümers für das Verschulden des Betriebsgehilfen niemals auf Dienstnehmer beschränkt (so Bartsch in allen Ausgaben des Kraftfahrzeuggesetzes, Krasnopolski, österr. Obligationsrecht, S. 209). Dieser bezeichnet die in der Regierungsvorlage vorgenommene Einschaltung zu § 8 über haupt als überflüssig. Der Oberste Gerichtshof hat bis zum Jahre 1938 in ständiger Rechtsprechung daran festgehalten, daß die Haftung des Eigentümers nicht das Vorliegen eines Dienstverhältnisses voraussetzt, sondern alle Fälle umfaßt, in denen der Eigentümer das Kraftfahrzeug einer Person überläßt, damit diese irgendwie im Interesse des Eigentümers tätig wird. Durch zeitweilige Überlassung an einen anderen könne sich niemand der Eigentumshaftung entschlagen (so die Entscheidungen vom 19. April 1933, 2 Ob 376/33, SZ. XV/86, vom 30. Mai 1933, 2 Ob 437/33, ZBl. 1933, Nr. 294, vom 24. Jänner 1934, 2 Ob 1069/33, ZBl. 1934, Nr. 310, vom 17. November 1936, 2 Ob 1012/36, Rechtsprechung 1936 Nr. 350, im gleichen Sinne auch die Entscheidung des Brünner Obersten Gerichtshofes vom 1. Juni 1929, Slg. OG. XI 9011). Die angeführten Entscheidungen verweisen auf die Entstehungsgeschichte des Gesetzes und darauf, daß es nach der Absicht des Gesetzgebers dem Betriebsunternehmer unmöglich gemacht werden sollte, sich von dem Einstehen für seine Leute zu befreien. Die in Rede stehende Bestimmung diene dem Schutz des Publikums, das dem inneren Verhältnisse zwischen Unternehmer und Betriebsgehilfen fremd gegenüberstehe. § 8 des Automobilhaftpflichtgesetzes habe einen Fall der Gehilfenhaftung im Auge.
Die reichsrechtliche Regelung der Haftpflicht wurde in Österreich durch die Verordnung vom 23. März 1940, RGBl. I S. 537 eingeführt. Art. IV der Einführungsverordnung entspricht fast wörtlich den Vorschriften des § 8 des österreichischen Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes und des § 52 des tschechischen Kraftfahrzeuggesetzes. Däubler bemerkt in der von Pfundtner - Neubert herausgegebenen Sammlung, "Das neue Deutsche Reichsrecht", Ausgabe Österreich (VI d 12, S. 4, Anm. 2), daß die Vorschriften des § 8 des österreichischen Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes deshalb aufrechterhalten worden seien, weil das in Österreich und im Sudetenland geltende allgemeine bürgerliche Recht eine dem § 831 des Deutschen BGB. entsprechende Vorschrift nicht kenne. § 831 BGB. verpflichtet den Geschäftsherrn zum Ersatz des Schadens, den der Gehilfe in Ausführung der Verrichtung, zu der er bestellt ist, einem Dritten widerrechtlich zufügt, läßt aber den Entlastungsbeweis zu, daß der Geschäftsherr bei der Auswahl der bestellten Person die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat. Zu einer Verrichtung ist bestellt, wenn von einem anderen, von dessen Weisung er mehr oder wenig abhängig ist, eine Tätigkeit übertragen worden ist, gleichgültig, ob der Gehilfe seine Tätigkeit entgeltlich oder unentgeltlich ausübt, so der Vertrauensarzt von der Krankenkasse, der Ehemann von der Frau, soweit ihm bei Gütertrennung die Verwaltung des eingebrachten Gutes übertragen wird (vgl. Palandt, Kommentar zu § 831 BGB.). Die Aufrechterhaltung der Bestimmung des § 8 des Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes stellt aber überdies ein Zugeständnis an das österreichische Rechtsempfinden dar, weil § 8 des Autohaftpflichtgesetzes einen Entlastungsbeweis im Sinne des § 831 BGB. nicht kennt. Die Auswirkungen eines Gesetzes bestimmen sich nicht nur nach dem Wortlaut, sondern nach dem Sinn, den die ständige Rechtsübung dem Gesetze gibt. Von diesem Sinn mußte auch der Gesetzgeber bei Einführung des reichsrechtlichen Haftpflichtgesetzes ausgehen. Hätte er die Anwendung der Bestimmungen des Art. IV auf die Haftung des Eigentümers für das Verschulden seiner Dienstnehmer beschränken wollen, so hätte er dies zum Ausdruck gebracht. Es kann daher kein Zweifel bestehen, daß sowohl der Gesetzgeber des Jahres 1908 als auch der des Jahres 1940 eine solche Beschränkung nicht beabsichtigt. Sie wäre auch aus rechtspolitischen Gründen völlig unverständlich und würde zu argen Unbilligkeiten führen. Klein bemerkt in der Verhandlung im Herrenhaus am 18. Dezember 1907 (8. Sitzung der 18. Session, stenographische Protokolle S. 103 bis 135), daß es im allgemeinen Interesse nur recht und billig sei, die Haftung desjenigen zu steigern, der durch den Betrieb eines Kraftfahrzeuges eine Gefahrenreihe auslöse. Diese Gefahrenreihe löst ebenso derjenige aus, der einen Bediensteten mit der Leitung eines Kraftfahrzeuges beauftragt, wie derjenige, der irgend eine andere Person mit der Lenkung des Kraftfahrzeuges in seinem Interesse betraut. Der Einwand, daß sich der Eigentümer durch Überlassung des Wagens an einen anderen in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle der Haftung nicht entschlagen könne, weil in der Regel der Ersatzanspruch auf das Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz gegrundet werden kann, schlägt nicht durch, weil die Ansprüche gegen den Halter nach dem Kraftverkehrgesetz weitgehend beschränkt sind und insbesondere auch nicht die Bezahlung eines Schmerzengeldes vorsehen.
Der Zweitbeklagte haftet daher für das Verschulden des Erstbeklagten.
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