Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung
Außer Streit steht, daß Franz R***** den von ihm gehaltenen PKW auf der B 188 taleinwärts lenkte, wobei es auf der taleinwärts führenden Fahrbahn der B 188 zur Kollision mit dem von Erhard G***** geführten Pferd kam.
Die klagende Partei begehrte von der beklagten Partei den von ihr ihrem Versicherungsnehmer, dem ursprünglich Zweitbeklagten Franz R*****, ersetzten Kasko-Schaden mit folgender Begründung:
Franz R***** sei am 28.3.1993 um 15,10 Uhr mit dem von ihm gelenkten und bei der klagenden Partei kaskoversicherten PKW Toyota Corolla, Kennzeichen *****, im Gemeindegebiet von Schruns auf der Umfahrungsstraße B 188 mit einer Geschwindigkeit von ca. 65 km/h taleinwärts gefahren. Plötzlich habe er im Bereich der Grundstücksausfahrt beim Stall der beklagten Partei bei bereits geöffnetem Schlagbaum ein Pferd gesehen, das von einem jungen Mann am Halfter geführt worden sei, sich auf der Hinterhand aufgerichtet habe und auf die Straße hinausgesprungen sei. Der junge Mann habe versucht, das Pferd zurückzuhalten, sei aber von ihm über die Straße mitgezogen worden. Franz R***** habe sofort eine Vollbremsung eingeleitet, von der sich auf der Asphaltfahrbahn 5 bis 6 m lange Bremsspuren abgezeichnet hätten. Um eine unvermeidbar erscheinende Frontalkollision mit dem Pferd und damit auch mit dem jungen Mann hintanzuhalten, habe Franz R***** die Bremse gelöst und den PKW nach links gerissen. Dabei habe er das noch immer aufsteigende Pferd mit der rechten Fahrzeugseite am rechten Hinterbein gestreift. Das Pferd sei mit dem Hinterteil auf die Vorderfront des PKWs gefallen, welcher dabei schwer beschädigt worden sei, und sodann nach rechts abgerollt. Auch der junge Mann, der immer noch das Halfter gehalten habe, sei rechts neben der Fahrbahn zu liegen gekommen. Franz R***** sei sodann am rechten Fahrbahnrand außerhalb der Fahrbahn stehen geblieben und zur Ausfahrt zurückgegangen. Das Pferd sei mittlerweile von dem jungen Mann wieder über die Straße zurück in den Stall geführt worden. Franz R***** habe einen anderen jungen Mann gefragt, wie es möglich sein könne, daß hier ein Pferd auf die Straße springe, worauf dieser geantwortet habe, "das Pferd müsse durch irgendetwas erschreckt worden sein, habe gescheut und sei dann über die Straße gesprungen, G***** habe es nicht zurückhalten können". Nach Eintreffen der Gendarmerie am Unfallsort habe dieser zweite junge Mann sich jedoch geweigert, seine oben dargestellte Aussage zu wiederholen. Weil auf dem Weg vom Pferdestall zum Reitplatz die stark befahrene B 188 zu überqueren sei, habe die beklagte Partei ohnehin eigens einen Schlagbaum an der Zufahrt angebracht, im übrigen sei jedoch eine Überquerung der Bundesstraße mit einem Pferd nur mit zwei Begleitpersonen möglich.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte im wesentlichen ein, sie habe den bei ihr seit vier Monaten anstandslos arbeitenden, im Umgang mit Pferden erfahrenen Erhard G***** zum Aufseher bestellt und diesen in allen Angelegenheiten unterwiesen. Das fragliche Pferd, eine seinerzeit dreieinhalbjährige Norikerstute, sei weder vor, noch nach dem Unfall auffällig gewesen. Die Unfallsschilderung der klagenden Partei entspreche nicht den Tatsachen, vielmehr habe Erhard G***** das Pferd in normaler Weise am Halfter zu einem Zeitpunkt auf die zu überquerende B 188 geführt, als Franz R***** mit seinem PKW noch sehr weit entfernt gewesen sei. Als G***** mit dem Pferd die rechte Fahrbahnhälfte bereits zu 3/4 überquert gehabt habe, sei der Unfall erfolgt, den der PKW-Lenker mangels Fahrens auf Sicht oder wegen Einhaltung einer überhöhten Geschwindigkeit oder wegen eines Reaktionsverzuges allein verschuldet habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren aufgrund folgender - das Unfallsgeschehen aussparender - Feststellungen ab:
Die beklagte Partei habe als Halterin der im Unfallszeitpunkt dreijährigen Norikerstute Erhard G***** als Pferdepfleger sowie Kutschen- und Schlittenfahrer angestellt. G*****, geboren *****1950, etwa 1,80 m groß, und 68 bis 70 kg schwer, sei auf einer Landwirtschaft, auf welcher auch Pferde gehalten wurden, groß geworden. Außerdem sei er wiederholt als Hirte tätig gewesen. Er sei Reiter und im Umgang bzw mit der Pflege und Verwahrung von Pferden vertraut. Vor der Aufnahme seiner Angestelltentätigkeit seien ihm von Günther A***** Anweisungen zum Betriebsablauf gegeben worden, unter anderem auch die Anweisung, daß beim Queren der Fahrbahn der B 188 besonders aufgepaßt werden müsse. Bei der Stute handle es sich um ein sehr ruhiges, gutmütiges Tier, das sowohl vor, als auch nach dem Unfall in keiner Weise auffällig gewesen sei.
In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Auffassung, die beklagte Partei sei von der Haftung nach § 1320 ABGB frei, weil sie bewiesen habe, daß sie mit Erhard G***** eine geeignete Person für die Verwahrung des Pferdes angestellt und diesen im Hinblick auf seine körperliche Beschaffenheit und die Gutmütigkeit des Pferdes ausreichend angeleitet habe. Da die Voraussetzungen des § 1315 ABGB weder behauptet worden, noch hervorgekommen seien, scheide eine Haftung der beklagten Partei bereits dem Grunde nach aus, ohne daß es weiterer Beweisaufnahmen und Feststellungen zum Unfallshergang bedürfte.
Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge und erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil in Lehre und Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen über die Gehilfenhaftung des Tierhalters - nur für grobe Fahrlässigkeit oder auch für leichte Fahrlässigkeit des Gehilfen - bestünden. Im übrigen billigte es die Rechtsansicht der ersten Instanz und ließ demnach die Frage auf sich beruhen, ob Erhard G***** - wenn ihn überhaupt ein Verschulden treffe - grobe oder leichte Fahrlässigkeit am Unfall zur Last falle.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen das zweitinstanzliche Urteil erhobene Revision der klagenden Partei ist indessen unzulässig.
Der Oberste Gerichtshof hat bereits in mehreren Entscheidungen, in welchen zu den Lehrmeinungen Reischauers (in Rummel2 Rz 9 zu § 1320) und Koziols (Haftpflichtrecht II2 362 f, 409) und zur Entscheidung JBl 1982, 150 Stellung genommen wurde, ausgesprochen, daß ein Tierhalter selbst bei Annahme einer verschärften Gehilfenhaftung nur für grob fahrlässiges Verhalten eines Gehilfen einzustehen habe (JBl 1986, 181 = EvBl 1985/157; ZVR 1988/96; 6 Ob 563/83). Trifft daher einen nicht im Sinne des § 1315 ABGB untüchtigen oder gefährlichen Gehilfen des Tierhalters bei der Aufsicht über das Tier keine grobe Fahrlässigkeit, so besteht nach nunmehr ständiger Rechtsprechung (siehe oben) keine Haftung des Tierhalters aus § 1320 ABGB. Da der Unfallshergang von den Tatsacheninstanzen nicht festgestellt wurde, ist für die Behandlung der vorliegenden Revision von dem für den Kläger günstigsten Unfallsablauf nach seiner Unfallsvariante auszugehen. Selbst danach aber kann dem Pferdeaufseher, der die bislang völlig unauffällige, als Zugpferd für Schlitten- und Kutschenfahrten eingesetzte Norikerstute am Zügel über die Straße führte und (nach den Klagsbehauptungen) das auf der Hinterhand sich aufbäumende, scheuende Pferd bis zuletzt am Zügel festhielt und von ihm gleichsam über die Straße gezogen wurde, kein grobes Verschulden angelastet werden, weil schon allein das bis zum Unfall ununterbrochene Festhalten des Pferdes am Zügel dafür spricht, daß der im Umgang mit Pferden und mit diesem speziellen Pferd vertraute Gehilfe der beklagten Partei die Fahrbahnüberquerung sorgfältig in Angriff nahm. Das Scheuen, Aufbäumen oder gar Durchgehen eines Pferdes, alles Umstände, die auch beim Führen am Halfter durch eine erwachsene Person niemals mit Sicherheit ausgeschlossen werden können (vgl ZVR 1978/242; 1974/140; 1964/201; 1961/14; GlUNF 2809), rechtfertigt für sich allein jedenfalls noch nicht die Annahme auffallend sorglosen Verhaltens des Pferdeführers. Diese Erwägungen führen zur Zurückweisung der Revision.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung gemäß den §§ 50, 40 ZPO selbst zutragen, weil sie darin die Zurückweisung der Revision nicht beantragte.
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