Normen
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §879
Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung §16
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §879
Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung §16
Spruch:
Die vertragliche Verpflichtung des Geschäftsführers einer Ges. m. b. H. gegenüber einem Dritten, die Geschäftsführung niederzulegen, ist nicht wegen Umgehung des § 16 Abs. 1 GesmbHG. unerlaubt und nichtig.
Entscheidung vom 2. Dezember 1953, 2 Ob 884/53.
I. Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Die Firma Friedrich W. und die beiden Beklagten Friedrich und Lia L. haben am 3. August 1951 einen Syndikatsvertrag geschlossen. Danach sind der Kläger als Treuhänder der Firma W. und die beiden Beklagten als Gesellschafter der CW.-Ges. m. b. H. bezeichnet, u. zw. der Kläger mit einem Geschäftsanteil, der einer Stammeinlage von 40.000 S entspricht, die Beklagten mit Geschäftsanteilen, die einer Stammeinlage von je 20.000 S entsprechen. Verlangt der Kläger die Bestellung einer Person seines Vertrauens zum Geschäftsführer, so werden die Beklagten bei der Generalversammlung zustimmen. Der Erstbeklagte Friedrich L. verpflichtet sich, seine Geschäftsführung niederzulegen, wenn die Firma W. oder deren Treuhänder es verlangen. Hiebei erklärt die Firma W., daß sie und ihre Treuhänder von diesem Rechte ausschließlich in loyaler Weise Gebrauch machen werden.
Bei der am gleichen Tage abgehaltenen außerordentlichen Generalversammlung der CW. wurde der Abtretung von Geschäftsanteilen zur Herstellung des oben erwähnten Standes zugestimmt. In Abänderung des Gesellschaftsvertrages wurde dem Kläger das Sonderrecht eingeräumt, die Bestellung einer Person seines Vertrauens zum Geschäftsführer sowie den Widerruf einer Geschäftsführung zu verlangen, ferner zu verlangen, daß jede zeichnungsbefugte Person nur kollektiv mit dem auf sein Begehren zu bestellenden Geschäftsführer vertretungsbefugt ist. Der erstbeklagte Friedrich L. wurde zum Geschäftsführer bestellt.
Der Kläger behauptet in seiner Klage verschiedene vom Erstbeklagten als Geschäftsführer und von der Zweitbeklagten als vorübergehende Prokuristin der CW. begangene schwere Vertragswidrigkeiten und verlangt I. beide Beklagte schuldig zu erkennen, auf Antrag des Klägers bei einer Generalversammlung der CW., 1. für den Widerruf der Geschäftsführung des Erstbeklagten, 2. für die Bestellung einer Person des Vertrauens des Klägers, nämlich des Ing. Peter B., zum Geschäftsführer und 3. dafür zu stimmen, daß jede geschäftsführungsundvertretungsbefugte Person nur gemeinsam mit Ing. Peter B. geschäftsführungs- und vertretungsbefugt ist; II. den Erstbeklagten Friedrich L. überdies schuldig zu erkennen, 1. die Geschäftsführung für die CW. niederzulegen, 2. schriftlich in beglaubigter Form, a) dem Firmenregister, b) der CW. zur Kenntnis zu bringen, daß er die Geschäftsführung der CW. niedergelegt hat und seine Löschung als Geschäftsführer beantragt, 3. alle Erklärungen abzugeben, welche zur Löschung seiner Geschäftsführung im Firmenregister der CW. erforderlich sind. Endlich beantragt der Kläger in seiner Klage die einstweilige Verfügung, es werde dem Erstbeklagten Friedrich L. die weitere Ausübung seiner Funktion eines Geschäftsführers der CW. bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses Rechtsstreites verboten.
Das Erstgericht hat den Antrag auf einstweilige Verfügung abgewiesen. Das Rekursgericht hat den erstgerichtlichen Beschluß unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Erstbeklagten (Gegners der gefährdeten Partei) nicht Folge und wies den Revisionsrekurs der Zweitbeklagten zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Revisionsrekurs der zweitbeklagten Partei Lia L. ist unzulässig, derRevisionsrekurs des Erstbeklagten ist nicht berechtigt.
Der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung richtet sich nur gegen den Erstbeklagten, denn nur gegen ihn wird ein gemäß § 382 Z. 5 EO. zu erlassendes Verbot beantragt. Der Zweitbeklagten kommt daher in dem die einstweilige Verfügung betreffenden Verfahren keine Parteistellung zu. Ihr Revisionsrekurs ist mangels eines rechtlich beachtlichen Interesses, mangels einer "Beschwer" als unzulässig zurückzuweisen.
Dem Rekursgerichte ist beizupflichten, daß der in der Entscheidung 2 Ob 215/52 ausgesprochene Rechtssatz, daß der Geschäftsführer der Ges. m. b. H. nur durch Gesellschafterbeschluß, nicht aber durch Richterspruch abberufen werden kann, einer gegen einen Dritten bestehenden vertraglichen Verpflichtung des Geschäftsführers zur Niederlegung der Geschäftsführung nicht im Wege steht. Eine solche Niederlegung (umsomehr eine Unterlassung der weiteren Ausübung der Geschäftsführung) ist, unbeschadet der hieraus allenfalls entstehenden Entschädigungsansprüche, jederzeit möglich, auch wenn der zurücktretendeGeschäftsführer der einzige ist. Es ist Sache der Ges. m. b. H. und nicht des dritten Vertragsgegners des Geschäftsführers sowie im Falle einer schweren Erkrankung oder des Todes des einzigen Geschäftsführers für die Bestellung eines anderen Geschäftsführers Sorge zu tragen. Wer zwei miteinander in Widerspruch stehende vertragliche Verpflichtungen übernimmt, kann sich gegenüber dem einen auf Erfüllung dringenden Gläubiger nicht darauf berufen, daß er durch die Erfüllung die Rechte seines anderen Gläubigers verletzen würde, noch entstehen dem zweiten Gläubiger Rechte gegen den ersten aus der durch die Erfüllung der Forderung des ersten Gläubigers sich ergebenden Unmöglichkeit der Erfüllung seiner Forderung. So kann sich der Erstbeklagte gegenüber dem Kläger nicht auf seine (des Erstbeklagten) Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft CW. als deren Geschäftsführer berufen, während anderseits der Kläger selbstverständlich auf sein obligatorisches Recht gegen den Erstbeklagten beschränkt bleibt und keine sich gegen die Gesellschaft CW. richtende Verfügung erwirken kann (z. B. eine Eintragung im Handelsregister).
Der Erstbeklagte hat sich nun außerhalb des Gesellschaftsvertrages in dem Syndikatsvertrag vom 3. August 1951 der Firma W. gegenüber verpflichtet, auf Verlangen dieser Firma oder des Klägers als ihres Treuhänders seine Geschäftsführung niederzulegen. Nach der Natur und dem Zweck dieses Syndikatsvertrages (§ 881 Abs. 2 ABGB.) kann es keinem Zweifel unterliegen, daß der Kläger mit dem Erwerb seines Geschäftsanteiles an der CW. unmittelbar aus diesem Versprechen des Erstbeklagten berechtigt wurde. Wem im Sinne der zitierten Gesetzesstelle die Leistung des Promissars hauptsächlich zum Vorteile gereichen soll, entscheidet nur in einem - hier nicht vorliegenden - Zweifelsfall darüber, ob der Dritte unmittelbar ein Recht aus dem Vertrage erwirbt. Im gegenständlichen Fall wurde ausdrücklich vereinbart, daß der Kläger als der durch den Vertrag begünstigte Dritte die Erfüllung des Versprechens selbst im eigenen Namen verlangen kann.
Die erwähnte Bestimmung des Syndikatsvertrages vom 3. August 1951 ist nicht wegen Umgehung der Vorschrift des § 16 Abs. 1 Ges. m. b. H. unerlaubt und nichtig. In der vertraglichen Verpflichtung des Geschäftsführers zur Niederlegung der Geschäftsführung gegenüber einem Dritten ist ja nicht etwa die Überlassung des Widerrufes der Geschäftsführung an den Dritten, gleichsam in Ergänzung der Satzung der Gesellschaft, gelegen. Damit wurde nur eine den Rechtskreis der Gesellschaft nicht berührende, lediglich zwischen dem einen bestimmten Geschäftsführer und dem Dritten (der Firma W. bzw. dem Kläger) wirksame Obligation geschaffen. Der Zweck des § 16 Abs. 1 GesmbHG., daß die Gesellschaft durch das den Gesellschaftern mit dieser Gesetzesvorschriftgegebene Recht, die Bestellung zum Geschäftsführer jederzeit zu widerrufen, jederzeit sozusagen "Herr im eigenen Hause" bleibt, wird durch die erwähnte Bestimmung des Syndikatsvertrages nicht vereitelt oder geschmälert (was das Charakteristikum eines Umgehungsgeschäftes wäre). Diesem Zwecke ist der Umstand, daß der bestellte Geschäftsführer infolge einer vertraglichen Bindung die Geschäftsführung niederlegen muß, ebensowenig abträglich, wie etwa der Umstand, daß ein von den Gesellschaftern bestellter Geschäftsführer die Bestellung wegen einer solchen Bindung nicht annehmen kann. Daß ein Geschäftsführer, der durch Gesellschafterbeschluß nicht abberufen werdenkönnte, weil er über 50% des Stammkapitals selbst oder durch ihm geneigte Stimmen verfügt, sich vertraglich verpflichtet, bei Eintritt wichtiger Gründe die Geschäftsführung niederzulegen, widerstreitet auch keineswegs den Tendenzen des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, das Minderheitsrechten wohlwollend gegenübersteht (SZ. II/96).
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