Spruch:
Bei einer mit Schriftsatz vorgenommenen Klagserweiterung wird die Verjährung dieses Anspruches in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Schriftsatz bei Gericht einlangt.
Entscheidung vom 22. Juni 1962, 2 Ob 82/62.
I. Instanz: Kreisgericht St. Pölten; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Nach den Feststellungen der Untergerichte ereignete sich am 11. Jänner 1958 in Klosterneuburg ein Verkehrsunfall, der vom Zweitbeklagten als Lenker des der Erstbeklagten gehörigen LKW verschuldet und bei dem der Gatte der Erstklägerin und Vater der Zweitklägerin Ignaz D. getötet wurde. Der Zweitbeklagte wurde vom Strafgericht rechtskräftig verurteilt. Die Kläger begehren den Ersatz dessen, was ihnen durch den Tod ihres Gatten und Vaters entging, und zwar die Erstklägerin als Witwe für verschiedene Zeitabschnitte eine Rente im Ausmaß von 60% und 40% des Durchschnittseinkommens ihres Gatten in der Zeit vom Jänner 1958 bis Mai 1996, und die Zweitklägerin als Waise bis zur Erreichung ihrer Großjährigkeit eine Rente von 20% auf derselben Grundlage.
Die Beklagten bestritten das Klagebegehren nur der Höhe nach und wendeten ein, daß die Kläger Anspruch auf Rentenleistungen nur nach den entsprechenden Einkommensstufen, nicht aber nach dem Durchschnittseinkommen des Getöteten hätten. Es sei auch das eigene Einkommen der Erstklägerin zu berücksichtigen, das höher gewesen sei als das ihres verstorbenen Gatten und das sie für den gemeinsamen Haushalt verwendet habe. Sie habe durch den Tod ihres Gatten überhaupt einen Entgang.
Nach Schluß der Verhandlung erster Instanz im ersten Rechtsgang erweiterten die Kläger mit dem am 9. Jänner 1961 eingebrachten Schriftsatz das Klagebegehren dahin, daß die Erstklägerin für verschiedene Zeiträume monatliche Renten von 1.188.09 S und 767.64 S und die Zweitklägerin eine monatliche Rente 264.44 S begehrten. Außerdem behaupteten sie, daß Ignaz D. außer seinem Einkommen als Vertragsbediensteter des Amtes der Landesregierung noch zwei Nebeneinkommen hatte, die bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen seien.
Gegen das erweiterte Klagebegehren wendeten die Beklagten im zweiten Rechtsgang Verjährung ein.
Das Erstgericht verurteilte die Beklagten zur ungeteilten Hand, der Erstklägerin für verschiedene Zeiträume monatliche Renten von 1.188.09 S und 767.64 S und der Zweitklägerin eine monatliche Rente von 243.35 S zu bezahlen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge, hob das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Sache an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht hielt weitere Erhebungen über das eigene Einkommen der Erstklägerin und über dessen Verwendung für notwendig, um die Frage des wirklichen Entganges entscheiden zu können.
Im zweiten Rechtsgang verurteilte das Erstgericht die Beklagte, die mit ihren Klagserweiterungen begehrten Beträge zu bezahlen. Das Erstgericht errechnete das Durchschnittseinkommen des Ignaz D., indem es das gesamte Einkommen in den Jahren 1958 bis 1996 zusammenrechnete und durch die Anzahl der Monate teilte. Unter Berücksichtigung der Steuerabzüge kam es zu einem monatlichen Durchschnittseinkommen von netto 3.229.64 S. Diesen Betrag legte es der Rentenberechnung zugrunde.
Das Erstgericht lehnte es ab, das Einkommen der Erstklägerin zu berücksichtigen, weil es feststellte, daß Ignaz D. den Unterhalt für sie aus seinem Einkommen ganz bestritt und die Erstklägerin von ihrem Einkommen besondere Anschaffungen für die Wohnung und den sonstigen Aufwand machte. Das Erstgericht nahm auch eine Verjährung des erweiterten Klagebegehrens nicht an.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Parteien nicht Folge.
Der Oberste Gerichtshof hob auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Mit der Rechtsrüge wenden sich die Beklagten gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß die bedeutenden Aufwendungen der Erstklägerin aus ihrem Einkommen, nämlich 18.000 S für den Ausbau und die Renovierung der Wohnung, 7600 S für Gasherd und Kühlschrank und 20.000 S für einen Kraftwagen, als außerordentliche Aufwendungen anzusehen sind, die den Rahmen des dem Einkommen des Gatten entsprechenden Lebensstandards übersteigen. Sie sind der Meinung, daß diese Frage unter Zugrundelegung des gemeinsamen Einkommens der Erstklägerin und ihres Gatten, das über 4000 S betragen habe, zu beurteilen sei und daß die Erstklägerin mit diesen Aufwendungen einen Teil des Unterhaltes, den ihr der Gatte zu reichen hatte, selbst bestritten habe.
Diesen Ausführungen vermag sich der Oberste Gerichtshof nicht anzuschließen. Das Erstgericht stellte fest und das Berufungsgericht übernahm diese Feststellungen als unbedenklich, daß der Unterhalt für die Erstklägerin einzig und allein aus dem Einkommen ihres Gatten bestritten wurde, daß die Erstklägerin ihr Einkommen sparte und davon erhebliche Anschaffungen machte, die ihr der Gatte nicht hätte bieten können. Aus dieser Tatsache allein schon, daß die Erstklägerin solche Anschaffungen und Ersparnisse (15.000 S) machen konnte, ergibt sich die Richtigkeit der Annahme des Berufungsgerichtes, daß die Erstklägerin ihr Einkommen nicht zur Deckung ihres Unterhaltes verwendete. Diese Anschaffungen gehen auch weit über den Rahmen des standesgemäßen Unterhaltes hinaus, den sie von ihrem Gatten gemäß § 91 ABGB. verlangen konnte. Dabei können, wie das Berufungsgericht richtig annahm, die geringen Anschaffungen der Erstklägerin in den 2 1/2 Jahren ihrer Ehe, nämlich eines Mantels und einer Handtasche, aus ihrem eigenen Einkommen als unwesentlich außer Betracht bleiben. Bei der gegebenen Sachlage ließ das Berufungsgericht das Einkommen der Erstklägerin bei Berechnung dessen, was ihr durch den Tod ihres Gatten entging, mit Recht außer Betracht, weil nicht gesagt werden kann, daß sie schon zu Lebzeiten ihres Mannes freiwillig ihren Unterhalt ganz oder teilweise bestritt (siehe auch ZVR. 1956, Nr. 40).
Die Beklagten sind weiter der Meinung, daß bei der Berechnung des Entganges der Klägerin nach § 1327 ABGB. nur das Einkommen des Gatten aus seiner Tätigkeit bei der Landesregierung zugrunde zu legen gewesen sei, nicht aber auch die beiden Nebeneinkommen. Sie führen hiezu aus, daß die Kläger die Klagserweiterung nicht mehr hätten vornehmen dürfen. Diese Ansprüche seien bereits verjährt.
Auch diese Ausführungen sind nicht stichhältig. Das Berufungsgericht billigte mit Recht die Ansicht des Erstgerichtes, daß eine Verjährung dieser Ansprüche nicht vorliege. Die Verjährungsfrist wäre erst am 11. Jänner 1961, das ist drei Jahre nach dem Unfallstag vom 11. Jänner 1958, abgelaufen. Die Kläger machten aber ihre erweiterten Klagsansprüche bereits mit Schriftsatz vom 9. Jänner 1961 und somit noch innerhalb der dreijährigen Verjährungszeit wirksam geltend. Die Gründe, die die Beklagten zu ihrer Verjährungseinrede vorbrachten, sind nicht durchschlagend. Mit Beschluß des Berufungsgerichtes wurde die Rechtssache wieder an das Erstgericht zurückverwiesen und damit das erstgerichtliche Verfahren wiedereröffnet und fortgesetzt. Die Verjährung wurde daher durch den rechtzeitig eingebrachten Schriftsatz, mit dem das Klagebegehren erweitert wurde, unterbrochen. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes reichte hiezu die Einbringung des Schriftsatzes aus. So wie die Verjährung gemäß § 1497 ABGB. bereits durch die Einbringung der Klage bei Gericht und nicht erst durch die Klagszustellung und die damit eingetretene Streitanhängigkeit unterbrochen wird, ist auch bei einer Klagserweiterung die Unterbrechung der Verjährung mit dem Zeitpunkt anzunehmen, zu dem der vorbereitende Schriftsatz, mit dem die Klagserweiterung geltend gemacht wird, bei Gericht einlangt. Ebensowenig wie der Kläger nach dem Willen des Gesetzgebers die Gefahr der Zustellung der Klage tragen soll (siehe Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu § 243 = § 232 ZPO.), ebensowenig ist es gerechtfertigt, bei einer Klagserweiterung die Unterbrechung der Verjährung erst mit dem Vorbringen in der mündlichen Streitverhandlung (§ 232 (2) ZPO), d.
i. mit der Streitanhängigkeit, anzunehmen und dem Kläger die Gefahr der Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung, auf die ihm kein Einfluß zusteht, tragen zu lassen. Diese Auffassung wird auch in der Lehre (siehe Sperl, Lehrbuch, S. 326) vertreten, nach der die Wirkung der Klagsänderung, zu der auch eine Klagserweiterung gehört, an den Zeitpunkt geknüpft wird, zu dem der sie mitteilende Schriftsatz eingebracht oder ihre Erklärung mündlich in der Streitverhandlung geschehen ist.
Da somit eine Verjährung des erweiterten Klagebegehrens nicht vorliegt, sind auch die Nebeneinkünfte des Ignaz D. bei der Berechnung dessen, was den Klägern gemäß § 1327 ABGB. entging, zu berücksichtigen.
Den Ausführungen der Beklagten in der Revision kommt aber insofern Berechtigung zu, als damit die Rentenberechnung an sich gerügt wird. Wie schon oben erwähnt wurde, berechnete das Erstgericht das Einkommen des Ignaz D. in der Weise, daß es sein gesamtes Einkommen für die Zeit vom Jahre 1958 bis zur Erreichung seines 65. Lebensjahres zusammenrechnete, dieses durch die Anzahl der Monate teilte und unter Berücksichtigung der Abzüge und der Rentenbezüge der Kläger berechnete, was diesen an Unterhalt entging.
Diese Art der Berechnung ist abzulehnen. Darauf hat der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung ZVR. 1959, Nr. 110, hingewiesen. Darnach ist es unzulässig, eine Rente in der Weise zu berechnen, daß zuerst die gesamte Höhe des entgangenen Unterhaltes für die gesamte Zeit nach der durchschnittlichen Lebenserwartung des Getöteten, hier bis zum 65. Lebensjahr des Ignaz D., berechnet und dieses auf monatliche Beträge aufgeteilt wird. Es besteht kein Anlaß, in diesem Fall von dieser Ansicht abzugehen. Durch diese Art der Berechnung würden die Beklagten zu Vorausleistungen verpflichtet sein, die für die Zukunft nicht gerechtfertigt sein könnten. Die Renten der Kläger sind vielmehr stufenweise für die einzelnen Zeiträume der Einkommenserhöhungen, hier also für je zwei Jahre, zu berechnen.
Keinesfalls ist es aber gerechtfertigt, der Berechnung der Renten für die Zweitklägerin das gesamte Einkommen des Ignaz D. für die Zeit bis zu seinem 65. Lebensjahr zugrunde zu legen, da die Zweitklägerin die Leistungen nur bis zur Erreichung ihres 21. Lebensjahres ohne Widerspruch der Beklagten begehrte und daher auch nur das Einkommen des Ignaz D. bis zu diesem Zeitpunkt zur Grundlage der Rentenberechnung zu machen ist.
Der Oberste Gerichtshof sieht sich nicht in der Lage, die Rentenberechnungen nach den oben angeführten Grundsätzen selbst vorzunehmen, weil hiezu eine Erörterung mit den Parteien und neue Feststellungen über die Höhe des der Berechnung zugrunde zu legenden Einkommens des Ignaz D. zu treffen sind, insbesondere auch in der Richtung, welche Abzüge für die einzelnen Zeiträume in Betracht kommen und welche Rentenbezüge der Kläger für die einzelnen Zeiträume zu berücksichtigen sind. Bei der neuerlichen Entscheidung wird das Erstgericht von der oben angeführten Rechtsauffassung auszugehen haben.
Aus den angeführten Gründen waren beide Urteile der Untergerichte aufzuheben.
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