Spruch:
Die Miteigentümerin einer Liegenschaft kann sich auf die ihr drohende Obdachlosigkeit gegenüber der Klage auf Zivilteilung nicht mit Erfolg berufen, wenn sie der anderen Teilhaberin die Mitbenützung der Liegenschaft unmöglich gemacht hat.
Entscheidung vom 17. Dezember 1954, 2 Ob 764/54.
I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.
Text
Die Klägerin hat im Jahre 1951 die früher dem Gatten der Beklagten, einem Holzhändler, gehörige Hälfte der aus einem Einfamilienhaus, zwei Schuppen und einer Gartenparzelle bestehenden Liegenschaft EZ. 290 Grundbuch K. in einem Versteigerungsverfahren um das Meistbot von 14.500 S erworben, um sich damit eine Ferienunterkunft für ihre Kinder zu beschaffen. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 19. September 1952 wurde zwischen den Streitteilen im außerstreitigen Verfahren eine Benützungsregelung dahin getroffen, daß der Klägerin die alleinige Benützung eines Zimmers, die gemeinsame Benützung des Vorraumes und des Klosettes mit der Beklagten, die alleinige Benützung eines Schuppens und eines Gartenteiles sowie der ungehinderte Zugang zu dem Wohnhaus und dem Gartenteil zustehen sollte. Der Beklagten und ihrer aus Gatten und zwei Söhnen im Alter von 13 und 14 Jahren bestehenden Familie verblieben zur Alleinbenützung zwei Zimmer und eine Küche, ein Schuppen und ein Gartenteil. Wegen des Widerstandes der Beklagten gegen die Benützung der der Klägerin zugewiesenen Liegenschaftsteile durch die Klägerin war diese gezwungen, die Räumung der ihr zugewiesenen Liegenschaftsteile im Klage- und Exekutionswege zu erzwingen. Die exekutive Übergabe des Zimmers erfolgte am 13. April 1953. Trotzdem konnte die Klägerin bisher das ihr zugewiesene Zimmer nicht benützen, da der Gatte der Beklagten bei jedem Betreten der Liegenschaft durch ein Mitglied der Familie der Klägerin zu schreien anfing und die Ankömmlinge beschimpfte und belästigte. Der Gatte der Beklagten will die Klägerin unter allen Umständen aus dem Hause "hinausekeln" und hat als Zeuge erklärt, die Beklagte und er werden es nicht zulassen, daß außer ihnen mehrere Personen (Kinder) in dem Hause wohnen (S. 54 des Aktes). Die Beklagte, die selbst eine Realteilung entschieden ablehnt (bei ihrer Vernehmung als Partei, S. 89 des Aktes), vertritt (bei ihrer Vernehmung als Partei) den Standpunkt, daß sie die Klägerin und deren Familie in "ihrem" Hause nicht aufnehmen kann, weil sie das ganze Haus für sich und ihre Familie benötige (S. 88), sie werde daher auch das zwangsweise geräumte Zimmer wieder in Benützung nehmen, sie stimme auf keinen Fall zu, daß die Klägerin und ihre Kinder in das Haus einziehen, dadurch würde ein unhaltbarer Zustand eintreten, sie werde auf jeden Fall der Klägerin oder ihren Verwandten den Zutritt zum Hause verwehren (wozu sie allerdings beisetzte, "d. h., verwehren kann ich es nicht", S. 89). Die Beklagte und ihr Gatte sind weiterhin nicht bereit, die Rechte der Klägerin zu achten. Die Kosten der Behebung der derzeitigen Schäden des gegenständlichen Hauses belaufen sich auf 4.440 S bis 4.940 S. Weder die Beklagte noch ihr Gatte verfügen über die Mittel, den auf die Beklagte entfallenden Teil der Reparaturskosten zu bezahlen. Der Wert der Liegenschaft vor der Hausreparatur beträgt 40.800 S, nach der Hausreparatur würde er 42.800 S betragen, so daß der Verkauf vor Vornahme der Reparatur wirtschaftlicher ist. Eine Realteilung der Liegenschaft ist untunlich.
Die Klägerin verlangt Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft mittels gerichtlicher Feilbietung. Die Beklagte hat dagegen nur eingewendet, daß ihr die Aufhebung zum Nachteil gereichen würde, weil sie und ihre Familie dadurch der Gefahr der Obdachlosigkeit ausgesetzt würden.
Das Erstgericht hat der Klage stattgegeben.
Das Berufungsgericht hat über Berufung der Beklagten in Abänderung des erstgerichtlichen Urteiles das Klagebegehren abgewiesen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei Folge und stellte in Abänderung der zweitinstanzlichen Entscheidung das erstrichterliche Urteil wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Wenn der Beklagten im Sinne der überwiegenden Judikatur des Obersten Gerichtshofes auch das Recht zugebilligt werden mag, die ihr und ihrer Familie bei Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft drohende Obdachlosigkeit als einen dieser Aufhebung entgegenstehenden Nachteil geltend zu machen (obzwar dieser Nachteil nur die subjektiven, persönlichen Interessen der Beklagten berührt und mit der zwischen den Streitteilen bestehenden Eigentumsgemeinschaft nichts zu tun hat), wenn nur die Interessenabwägung ein Überwiegen des wirtschaftlichen Interesses der Beklagten an der Aufrechterhaltung der Eigentumsgemeinschaft über das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der Aufhebung dieser Gemeinschaft ergibt (vgl. hiezu Klang, Komm., 2. Aufl., zu § 830 ABGB., S. 1099 f., 1102), kann die Beklagte eine solche Berücksichtigung dieser ihrer außerhalb der Eigentumsgemeinschaft liegenden Interessen doch nur verlangen und damit eine aus der Eigentumsgemeinschaft abgeleitete Rücksichtnahme auf die persönlichen Verhältnisse des Eigentumsgenossen und eine weitere Bindung an diese Gemeinschaft in Anspruch nehmen, wenn sie selbst der Klägerin als Partnerin in dieser Gemeinschaft Rücksicht widerfahren läßt, selbst zur Eigentumsgemeinschaft steht und die Rechte ihrer Partnerin achtet. Da die Beklagte aber der Klägerin auch nur den bescheidensten zeitweisen Genuß ihres Miteigentumsrechtes bisher unmöglich gemacht hat (analog § 19 Abs. 2 Z. 3 MietG.), hat sie hiebei auch das nach dem von ihr vertretenen Standpunkt in ihrem Sinne und mangels einer gegenteiligen Behauptung offenbar auch mit ihrer Billigung erfolgte aggressive Vorgehen ihres Gatten gegen die Familie der Klägerin zu vertreten und in vollkommen uneinsichtiger Weise (wozu auch auf die Zuschrift der Beklagten an das Gericht, S. 95 des Aktes, zu verweisen ist) darauf beharrt, auch in Zukunft die den ihren gleichen Miteigentumsrechte der Klägerin nicht zu berücksichtigen, kann sie auch ihrerseits eine Berücksichtigung der ihr aus der Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft drohenden persönlichen Nachteile nicht fordern. Es geht gewiß nicht an, der Klägerin einerseits jede Ausübung ihrer Rechte aus der Eigentumsgemeinschaft zu "verekeln", zu verkümmern, zu erschweren, ja zu vereiteln und die Gemeinschaft geradezu zu negieren, anderseits aber die Klägerin an diese Gemeinschaft binden zu wollen.
Wenn die Beklagte auf die Notwendigkeit der vorzunehmenden Reparatur verweist, hat sie doch nicht behauptet, geschweige erwiesen, daß die Teilung vor Vornahme dieser Reparatur zur Unzeit geschehe, abgesehen davon, daß das Beweisverfahren ergeben hat, daß die Feilbietung der Liegenschaft vor der Hausreparatur vorteilhafter ist als nachher und die Beklagte über keine Mittel zur Bezahlung des auf sie entfallenden Reparaturkostenanteiles verfügt. Die allgemeine Behauptung der Beklagten, das Klagebegehren sei "offenbar zur Unzeit gestellt" (S. 9), ist ohne rechtliche Wirkung (Klang, a. a. O., S. 1104). Daß die derzeitige allgemeine wirtschaftliche Lage dem Teilungsbegehren entgegensteht, wurde von der Beklagten nicht eingewendet, eine solche Behauptung widerspräche überdies der nunmehr ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Die Beklagte hat wohl zunächst (S. 58) die Einvernahme eines Sachverständigen darüber beantragt, daß auch eine Naturalteilung der Liegenschaft möglich sei, das Gericht hat aber die Untunlichkeit der physischen Teilung der Liegenschaft von der Beklagten unbekämpft und unbedenklich festgestellt und die Beklagte hat sich schließlich selbst im Zuge ihrer Vernehmung als Partei entschieden gegen eine Realteilung ausgesprochen.
Sohin war die dem Begehren auf Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft mittels gerichtlicher Feilbietung stattgebende erstrichterliche Entscheidung wiederherzustellen.
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