OGH 2Ob75/55

OGH2Ob75/5523.2.1955

SZ 28/52

Normen

ABGB §896
ABGB §1042
ABGB §1478
ABGB §1489
Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen §7
Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen §18
ABGB §896
ABGB §1042
ABGB §1478
ABGB §1489
Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen §7
Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen §18

 

Spruch:

Wenn der Halter eines Kraftfahrzeuges Rückgriff gegen den am Unfall schuldtragenden Lenker oder Mitfahrer nimmt, ist dies kein Schadenersatzanspruch, sondern ein dem § 1042 ABGB. ähnlicher Anspruch; daher unterliegt er nicht der dreijährigen, sondern der allgemeinen 30 jährigen Verjährungszeit.

Entscheidung vom 23. Februar 1955, 2 Ob 75/55.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 5. März 1951 ist der jetzige Erstbeklagte rechtskräftig wegen Vergehens gegen die Sicherheit des Lebens nach § 335 StG. zur Strafe von vier Monaten strengen Arrests verurteilt worden. Der Kläger ist der Halter dieses Kraftfahrzeuges gewesen und von den beim erwähnten Unfall beschädigten Personen, der Witwe des tödlich verunglückten Sozialversicherung wegen, Schadenersatzes in Anspruch genommen worden, wie dies die Vorinstanzen im einzelnen festgestellt haben.

Mit der am 27. Oktober 1953 erhobenen Klage hat der Kläger von den beiden Beklagten zur ungeteilten Hand die Zahlung des Betrages von 34.269 S 28 g samt Anhang unter Hinweis auf die erwähnten Strafakten und die gegen ihn geführten Schadenersatzprozesse und in diesem Zusammenhange sonst erhobenen Ansprüche bzw. die von ihm geleisteten Zahlungen begehrt. Bezüglich des Erstbeklagten hat der Kläger auf dessen strafgerichtliche Verurteilung verwiesen und bezüglich des Zweitbeklagten, der am kritischen Tage im Lastauto in seinem Auftrage mitgefahren ist, ausgeführt, daß der Genannte hafte, weil er trotz ausdrücklichen Verbotes fremde Personen auf dem Lastkraftwagen mitfahren ließ und den Erstbeklagten überdies überredete, diese Personen mitzunehmen, und dafür ein Entgelt genommen habe. Seine Haftpflichtversicherungsanstalt habe die Haftpflicht abgelehnt, weil die verunglückten Personen nicht in seinen Diensten gestanden seien.

Der Erstbeklagte hat den Klagsanspruch bei der ersten Tagsatzung anerkannt, worauf gegen ihn auf Antrag der klagenden Partei Anerkenntnisurteil gefällt wurde. Der Zweitbeklagte hat den Anspruch bestritten und unter anderem Verjährung eingewendet.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren, den Zweitbeklagten zur ungeteilten Hand mit dem Erstbeklagten zur Zahlung des Betrages von 34.269 S 28 g samt Anhang an den Kläger zu verurteilen, abgewiesen, weil die vorliegende Entschädigungsklage gemäß § 1489 ABGB. verjährt sei.

Der Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht Folge gegeben, das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Rechtssache zur Ergänzung der Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Zugleich hat das Berufungsgericht ausgesprochen, daß das Verfahren erster Instanz erst nach Rechtskraft seines Beschlusses fortzusetzen sei. Es hat ausgeführt, daß der Kläger vom ursächlichen Zusammenhange zwischen dem Unfalle und dem Verhalten des Lenkers (des Erstbeklagten) mit Gewißheit frühestens erst mit 5. März 1951, dem Tag seiner strafgerichtlichen Verurteilung, Kenntnis erlangen konnte. Hätte der Erstbeklagte den Unfall nicht schuldhaft herbeigeführt, würde auch der Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem Verhalten des Zweitbeklagten und der aus Artikel IV EVzKraftfVerkG. abgeleiteten Ersatzpflicht des Klägers fehlen. Frühestens am 5. März 1951 konnte also auch die Verjährung wider den Zweitbeklagten beginnen, weil frühestens damals eine Ersatzpflicht des Genannten mittelbar ausgelöst worden sei. Die Klage - eingebracht am 27. Oktober 1953 - sei somit auf jeden Fall innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1489 ABGB. eingebracht worden, und es hätten sich daher auch Ausführungen über die Nichtanwendbarkeit einer dreißigjährigen Verjährungsfrist erübrigt.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zwar ist dem Rekurswerber darin beizupflichten, daß es für die Beurteilung der Verjährung des gegen ihn (den Zweitbeklagten) erhobenen Anspruches belanglos sei, wann das verurteilende Erkenntnis des Strafgerichtes bezüglich des Erstbeklagten, des Führers des Kraftfahrzeuges im Sinne des § 18 KraftfVerkG., ergangen sei; es trifft aber das Vorbringen des Klägers in seiner Berufung gegen das erstgerichtliche Urteil zu, daß er einen Rückersatzanspruch geltend gemacht habe, auf den die in § 1489 ABGB. normierte dreijährige Verjährungszeit nicht anzuwenden sei. Im gegenwärtigen Verfahrensabschnitt ist nicht zu prüfen, ob dieser Rückersatzanspruch des Klägers gegen den Zweitbeklagten ohne Rücksicht auf die von diesem erhobene Verjährungseinrede begrundet ist, zumal Feststellungen über das strittige Prozeßvorbringen nicht vorliegen, es ist vielmehr nur zu erörtern, ob dem vom Kläger gegen den Zweitbeklagten - das Verfahren bezüglich des Erstbeklagten ist schon abgeschlossen - erhobenen Anspruch inhaltlich des Tatsachenvorbringens des Klägers die vom Zweitbeklagten im erstgerichtlichen Verfahren geltend gemachte, wenn auch nicht konkretisierte Einrede der Verjährung entgegensteht. Nun ergibt sich aus dem Zusammenhange des Vorbringens des Klägers, daß er beide Beklagten deswegen in Anspruch nimmt, weil er als Halter des vom Erstbeklagten geführten Kraftfahrzeuges nach den Bestimmungen des KraftfVerkG. den durch den Unfall geschädigten Personen bzw. im Zusammenhange damit Leistungen erbringen muß, bzw. erbracht hat, welche die Beklagten auf Grund ihres vorschriftswidrigen Verhaltens zu erbringen (gehabt) hätten. In diesem Sinne zutreffend, hat also der Kläger seinen Anspruch in der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil als Rückersatzanspruch qualifiziert (maßgeblich ist das Tatsachenvorbringen in erster Instanz, das nach dem Zusammenhange in diesem Sinne aufgefaßt werden kann).

Bei diesem Sachverhalte erweist sich aber die vom Zweitbeklagten erhobene Einrede der Verjährung, damit aber auch der vom Erstgerichte gebrauchte Abweisungsgrund sowie der Rekurs des Zweitbeklagten gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes als unbegrundet. Denn der Rückersatzanspruch ist kein Schadenersatzanspruch, er ist vielmehr dem Anspruche aus § 1042 ABGB. ähnlich (vgl. Wolff in Klang 2. Aufl. VI 56; Weiß, der Rückgriff im Schadenersatzrecht, JBl. 1947 S. 531 zu Anm. 13; Fenzl, der Rückersatz nach den Haftpflichtgesetzen. Zur Problematik der sogenannten Ausgleichung, ÖJZ. 1949 S. 414, sowie Geigel, Haftpflichtprozeß, 7. Aufl. S. 114). Daraus folgt aber, daß der Rückersatzanspruch nicht der in § 1489 ABGB. normierten dreijährigen Verjährungszeit, sondern der allgemeinen Verjährungszeit von 30 Jahren, die § 1478 ABGB. bestimmt, unterliegt.

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