Normen
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1167
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1167
Spruch:
Der Aufwand für Ergänzungsarbeiten ist nicht der angemessenen Entgeltsminderung im Sinne des § 1167 ABGB. gleichzusetzen.
Entscheidung vom 4. November 1953, 2 Ob 720/53.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Oberlandesgericht Graz.
Text
Mit dem Bauvertrag vom 8. Juni 1951 hat der Kläger für die Beklagten den Bau eines Einfamilienhauses in U. für eine Bausumme von 16.500 S übernommen, die dann in einem Zusatzvertrag auf 20.500 S erhöht wurde.
Kläger behauptet, daß die Regieabrechnung vom 20. November 1951 infolge der von den Beklagten geforderten Abänderungen, mangelhafter Arbeitsleistung, unsachgemäßer Verwendung von Baumaterialien und Mehrarbeit wegen vertragswidrigen Verhaltens der Beklagten einen Gesamtbaukostenbetrag von 23.237.45 S ergeben habe, und begehrt demgemäß Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des eingeschränkten Betrages von 9154.45 S. Das Erstgericht hat dem Kläger den Betrag von 4251.18 S samt Zinsen zugesprochen und die Kosten gegenseitig aufgehoben. Das Berufungsgericht hat der nur von den Beklagten erhobenen Berufung nach teilweiser Beweiswiederholung zum Teile Folge gegeben und das erstgerichtliche Urteil dahin abgeändert, daß die Beklagten zur ungeteilten Hand lediglich schuldig erkannt wurden, dem Kläger einen Betrag von 3239.58 S samt 4% Zinsen seit 30. November 1951 zu bezahlen, wogegen das Mehrbegehren abgewiesen wurde bzw. abgewiesen blieb. An Kosten erster Instanz legte es dem Kläger einen Teilbetrag von 2219.21 S und an Kosten des Berufungsverfahrens einen Teilbetrag von 1153.49 S zum Ersatz an die Beklagten auf.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei teilweise Folge und verurteilte die Beklagten zur Zahlung von 3319.52 S s. A. zur ungeteilten Hand.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
In Betreff der von den Beklagten beanstandeten Ausführung der Hohlkehle durch den Kläger führt das angefochtene Urteil aus, daß es die bezügliche Feststellung des Erstrichters übernehme.
Danach sei dem Kläger bei Abschluß des Zusatzvertrages die baubehördliche Vorschreibung einer gemauerten Hohlkehle bekannt gewesen, dessenungeachtet aber nur eine hölzerne Vorsprungschalung hergestellt worden. Das Erstgericht habe dem Beklagten einen Betrag von 370 S als Differenz zwischen den Herstellungskosten der Hohlkehle und der hölzernen Vorsprungschalung angerechnet. Das Berufungsgericht sei nun der Meinung, daß die Beklagten Anspruch auf Herstellung der gemauerten Hohlkehle gehabt hätten. Da dies (wegen unverhältnismäßigen Aufwandes) nicht mehr in Frage komme, seien sie gezwungen, wenigstens die zur Sicherung erforderlichen Ergänzungsarbeiten vorzunehmen, wozu ein Betrag von 450 S aufgewendet werden müsse, sodaß ein weiterer Anspruch von 80 S über die vom Erstrichter bereits zuerkannten 370 S zugunsten der Beklagten als gerechtfertigt anerkannt werden müsse.
Demgegenüber macht die Revision geltend, daß es unzulässig gewesen sei, ohne Beweiswiederholung oder -ergänzung aus dem schriftlichen Teil des Sachverständigengutachtens neue Feststellungen abzuleiten, die vom Erstgerichte nicht getroffen wurden. Es liege daher diesbezüglich Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens vor. In der Annahme des Berufungsgerichtes, daß als Entgeltsminderung jener Betrag anzunehmen sei, der angeblich für Ergänzungsarbeiten aufzuwenden ist, sei aber überdies eine unrichtige rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zu erkennen; denn der bezügliche Anspruch der Beklagten sei von beiden Unterinstanzen als Wertminderung und nicht als Schadenersatzanspruch qualifiziert worden.
Es mag dahingestellt bleiben, ob sich das Berufungsgericht, indem es aus dem Sachverständigengutachten Feststellungen traf, die das erstgerichtliche Urteil nicht getroffen hat, einer Mangelhaftigkeit des Verfahrens im Sinne des § 503 Z. 2 ZPO. schuldig machte, da eine Notwendigkeit zur Prüfung dieser Frage mit Rücksicht auf die Berechtigung der Rechtsrüge in diesem Punkte nicht besteht. Die Beklagten haben dem Klagsanspruch aus dem Titel der nicht ordnungsgemäßen Herstellung der Hohlkehle lediglich einen Wertminderungsanspruch im Sinne des § 1167 ABGB. entgegengesetzt. Der Betrag der Minderung ergibt sich aus dem Verhältnis des Wertes, den das fehlerlose Werk gehabt hätte, zu dem Wert des mangelhaften Werkes (Adler, Höller bei Klang[2], zu § 1167, Seite 396). Diesen Unterschied hat das Erstgericht auf Grund des Sachverständigengutachtens mit 370 S ermittelt. Wenn die Beklagten darüber hinaus noch einen Betrag von 80 S fordern, weil der Aufwand für Ergänzungsarbeiten vom Sachverständigen mit insgesamt 450 S beziffert wurde, so konnten sie ein solches Verlangen nicht im Rahmen des Gewährleistungsanspruches auf Minderung des Entgelts stellen. Eine solche Möglichkeit bestand nur im Falle der Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches. Ein Begehren dieser Art ist aber nicht erhoben worden. Dies gibt auch die Revisionsbeantwortung zu, wenn sie wortwörtlich ausführt: "Wir haben uns zum Verlangen auf Preisminderung entschlossen. Es ist unwiderlegbar, daß uns im gegebenen Falle als Preisminderung nicht der Preisunterschied zwischen einer Mauerkehle und einer Holzkehle, sondern der notwendige Verbesserungsaufwand gebührt. Ein massives Gesims ist nicht mehr herstellbar, zumindest wirtschaftlich nicht tunlich. Es bleibt uns nur noch übrig, die vom Sachverständigen angeführten Ergänzungsarbeiten vorzunehmen, um wenigstens annähernd den Bedingungen der Baubehörde zu entsprechen und auch unseren Anspruch auf Herstellung einer sicheren und haltbaren Hohlkehle zu erfüllen." Sowohl das Berufungsgericht wie auch die Revisionsbeantwortung gehen in die Irre, wenn sie den Aufwand für Ergänzungsarbeiten mit der angemessenen Entgeltsminderung, wie sie § 1167 ABGB. versteht, gleichsetzen. Sofern die Beklagten durch mangelhafte Ausführung des Werkes geschädigt wurden - und ein solcher Schaden kann durch die Notwendigkeit von Ergänzungsarbeiten begrundet sein -, stand es ihnen frei, Schadenersatz zu begehren, vorausgesetzt, daß sich Kläger schuldhaft verhalten hat. Wenn sie davon keinen Gebrauch machten, so müssen sie die Folgen dieses Versäumnisses vertreten. Die Abänderung des erstgerichtlichen Urteils im besprochenen Punkte durch das Berufungsgericht war nach dem soeben Gesagten nicht gerechtfertigt.
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