Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Endurteil vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte ist Gesellschafterin der „S*****“ (in der Folge: S*****), einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Diese Gesellschaft betreibt eine Anschlussbahn, die dazu dient, den Güterverkehr zwischen den Betrieben der Gesellschafter im Industriezentrum L***** und der Hauptstrecke der Ö***** durchzuführen. Am 5. 11. 1979 wurden um ca 09:40 Uhr zwei leere Waggons auf dem Anschlussgleis der Beklagten auf einer 5 ‰ geneigten Stelle abgestellt. Die Waggons wurden vor dem Abkuppeln von der Lokomotive aus mit der Druckluftbremse eingebremst, doch wurden weder Hemmschuhe unterlegt noch die Handbremse angezogen. Um ca 09:50 Uhr, kurz nachdem die Arbeiter der Beklagten mit dem Beladen begonnen hatten, begannen die beiden Waggons wegen eines Defekts im Druckluftsystem zu rollen, erreichten nach etwa 850 m eine Geschwindigkeit von etwa 25 km/h, durchstießen den Prellbock und kamen erst in der Fertigteilhalle der Klägerin zum Stillstand. Der Prellbock war schon zwei Tage vor diesem Vorfall durch eine Lokomotive beschädigt worden und hatte sich auch schon vorher nicht in einem ordnungsgemäßen technischen Zustand befunden. Wäre der Prellbock am 5. 11. 1979 in Ordnung gewesen, hätten die Waggons nicht so weit über den Gleisabschluss hinausfahren können, es wäre ein geringerer Schaden eingetreten. Außer der Fertigungshalle wurde durch die Waggons noch ein im Eigentum der Klägerin stehender PKW beschädigt.
Die Klägerin brachte vor, die Dienstnehmer der Beklagten treffe ein Verschulden an diesem Vorfall, die Beklagte hafte aufgrund der Vorschriften des ABGB und des EKHG. Geltend gemacht wurden 251.677,15 S für die beschädigte Halle, 317.431,18 S für das Dach der Halle sowie 20.598 S für den PKW, insgesamt daher 589.706,33 S samt Zinsen.
Die Beklagte bestritt ein Verschulden ihrer Dienstnehmer und führte aus, der Unfall habe sich nicht beim Betrieb der Eisenbahn ereignet. Eine Solidarhaftung der Gesellschafter der S***** bestehe nicht.
Mit dem Teil- und Zwischenurteil erkannte das Erstgericht die Beklagte schuldig, der Klägerin 251.677,15 S samt Zinsen zu bezahlen. Außerdem sprach es aus, dass das weitere Begehren von 338.029,18 S samt Zinsen dem Grunde nach zu Recht bestehe. Das Erstgericht beurteilte den oben wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, dass mehrere Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die eine Eisenbahn betreibe, gemäß § 5 Abs 2 EKHG zur ungeteilten Hand haften. Der Unfall habe sich beim Betrieb der Eisenbahn ereignet.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es führte aus, die Gefährdungshaftung nach dem EKHG treffe den Betriebsunternehmer. Die den Unfall verursachende Eisenbahn werde von der S*****, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, betrieben. Es sei daher jeder Gesellschafter, somit auch die Beklagte, als Betriebsunternehmer anzusehen. Mehrere Betriebsunternehmer derselben Eisenbahn haften jedoch zur ungeteilten Hand (§ 5 Abs 2 EKHG). Daraus folge die Haftung der beklagten Partei gegenüber der klagenden Partei für die Unfallsfolgen. Die Ausführungen in der Berufung betreffend die Haftung für Delikte von Gesellschaftern einer bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft gingen an der Tatsache vorbei, dass die Solidarhaftung gemäß § 5 Abs 2 EKHG für alle Betriebsunternehmer ausdrücklich normiert sei. Die Darlegungen der Berufungswerberin, es habe sich um keinen Betriebsunfall gehandelt, entfernten sich vom festgestellten Sachverhalt. Abschließend sei noch darauf hinzuweisen, dass die beklagte Partei selbst zugestehe, dass für den eingetretenen Schaden auch das Fehlen eines funktionstüchtigen Prellbocks am Gleisende kausal gewesen sei. Hiefür sei aber gleichfalls die beklagte Partei als Betriebsunternehmer verantwortlich; jedenfalls hätte sie in einem solchen Fall besondere Vorsichtsmaßnahmen bis zur ehesten Reparatur desselben treffen müssen, zB durch Anbringen von Gleissperrschienen.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten und der Nebenintervenientin. Geltend gemacht wird der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Antrag gestellt, das Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Revisionswerber vertreten die Ansicht, der Schaden sei nicht „beim Betrieb“ der Eisenbahn entstanden, weil die Waggons bereits 10 Minuten abgestellt gewesen seien. Die Hinfahrt sei beendet gewesen, die Rückfahrt habe noch nicht begonnen. Der Unfall, der sich beim Beladen ereignet habe, sei nicht auf eine typische Betriebsgefahr zurückzuführen. Die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts hafteten überdies nicht solidarisch, sondern nach § 1192 ABGB nur für ihre Anteile. Es hätten daher alle Gesellschafter geklagt werden müssen. Betriebsunternehmer iSd § 5 Abs 2 EKHG seien nur natürliche oder juristische Personen, nicht aber eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, weshalb nur anteilsmäßige Haftung zum Tragen komme.
Diesen Ausführungen ist Folgendes zu erwidern:
Gemäß den §§ 1 und 5 EKHG hat der Betriebsunternehmer der Eisenbahn den Schaden, der durch den Unfall beim Betrieb einer Eisenbahn entstand, zu ersetzen. Dass die Gesellschafter der S***** Betriebsunternehmer iSd § 5 EKHG der Bahn sind, in deren Bereich sich der Unfall ereignete, wird nicht mehr bestritten, wohl aber, dass es sich um einen Betriebsunfall iSd § 1 EKHG handelte. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs liegt ein Unfall beim Betrieb der Eisenbahn dann vor, wenn ein unmittelbarer örtlicher und zeitlicher Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder mit Betriebseinrichtungen besteht (8 Ob 10/80; 7 Ob 657/80). Die der Rechtsprechung und einem Teil der Lehre entsprechende weite Auslegung des Begriffs „Betrieb“, wird von einem anderen Teil der Lehre zwar nicht geteilt, doch besteht Einhelligkeit darüber, dass die strenge Gefährdungshaftung wegen der besonderen typischen Gefährlichkeit der Eisenbahn angeordnet wurde und ein Unfall jedenfalls dann beim Betrieb erfolgt, wenn sich diese spezifischen Gefahren verwirklicht haben (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2 II 517). Die Schäden, deren Ersatz die klagende Partei begehrt, sind aber auf eine typische Betriebsgefahr der Eisenbahn zurückzuführen, nämlich auf die Fortbewegung relativ großer Massen. Diese typische Betriebsgefahr bestand im vorliegenden Fall, obwohl sich die Waggons zunächst nicht in Bewegung befanden. Sie waren nämlich gegen Abrollen unzureichend gesichert und konnten sich daher auf dem Gleis, das ein Gefälle aufwies, in Bewegung setzen, eine Geschwindigkeit von immerhin etwa 25 km/h erreichen und zufolge ihrer Masse den (schon vorher schadhaften) Prellbock durchstoßen. Es kann daher kein Zweifel daran bestehen, dass der Schaden „beim Betrieb“ der Eisenbahn iSd § 1 EKHG entstand und den Betriebsunternehmer daher gemäß § 5 Abs 1 EKHG die Haftung trifft.
Die Eigenschaft des Betriebsunternehmers kommt nicht der S***** als Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu, sondern den einzelnen Gesellschaftern. Es sind somit mehrere Betriebsunternehmer iSd § 5 Abs 2 EKHG vorhanden (vgl ZVR 1982/142), die zur ungeteilten Hand haften.
Daher kann die Klägerin von der Beklagten, die Gesellschafterin der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist, den Ersatz ihres gesamten Schadens fordern, sie ist nicht genötigt, alle Gesellschafter zu belangen.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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