Spruch:
Gewöhnliche Auslobung oder Preisausschreibung.
Entscheidung vom 17. Dezember 1954, 2 Ob 659/54.
I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Text
In einer öffentlichen Bekanntmachung hat der Beklagte "für jede richtige Lösung tiefer stehender Aufgabe" unter der Voraussetzung des Bezuges einer 2 kg Dose der Bodenpasta B. zu bestimmten Bedingungen eine Prämie von 300 S in bar zugesagt. Diese Aufgabe ist folgendermaßen formuliert worden: "a) im untenstehenden Quadrat mit 9 Feldern sind die Ziffern 1 - 9 mathematisch derart in die Felder einzusetzen, daß sich möglichst viele Summenkombinationen mit der Endsumme 15 ergeben, wobei nur (an Ecken und Seiten) aneinandergrenzende Felder bzw. Zahlen addiert werden dürfen. Im Quadrat darf sich nichts wiederholen; b) Wie viele Summenkombinationen mit der Endsumme 15 enthält Ihr Quadrat?." In der öffentlichen Bekanntmachung des Beklagten heißt es ferner:
"Durchführung: Die Bezahlung der Prämie hängt nicht von einer Auslosung ab, sondern jeder erhält sie, der eine richtige Lösung einsendet. Diese wurde bei Herrn Notar Dr. M. in Graz hinterlegt. Die eingesandten Lösungen werden am 2. April 1953 um 17 Uhr durch den Notar geöffnet. Jedem Teilnehmer wird die richtige Lösung per Post bekanntgegeben und die Prämie sofort zur Anweisung gebracht. Ihre Lösung samt Bestellung muß spätestens am 28. März 1953 an meine Adresse zugesandt werden.
Unter dem 3. April 1953 hat der Beklagte die Kläger von der richtigen Auflösung des Prämienausschreibens, u. zw. nach Öffnung der in einem versiegelten Umschlag deponierten richtigen Lösung" in Kenntnis gesetzt. Die von den Klägern eingesandten Lösungen stellten sich als 16 Additionskombinationen unter der Verwendung natürlicher Zahlen dar. Der Beklagte verweigerte die Bezahlung eines Betrages von 300 S an die Kläger mit dem Hinweise, daß es sich nur um eine von mehreren möglichen Lösungen gehandelt habe, die jedoch nicht diejenige sei, die er hinterlegt gehabt habe.
Das Erstgericht hat den Beklagten zur Zahlung von je 300 S an die Kläger verurteilt. Es ging von dem vorbezeichneten Sachverhalt aus und nahm auf Grund von Angaben eines Sachverständigen an, daß die Ausschreibebedingungen des vom Beklagten veranstalteten Preisausschreibens nicht exakt gewesen seien und einer Erläuterung durch den Beklagten bedurft hätten. Die im Preisausschreiben gegebene Textierung lasse eine Reihe von Lösungsmöglichkeiten zu, u. zw. solche, unter Verwendung ausschließlich natürlicher Zahlen von 1 - 9, aber auch solche unter Verwendung von Funktions- und Operationszeichen, wie sinus, cosinus, Arcus, Differential, Integral, Kubikwurzel usw., wobei sich jeweils Optimallösungen einer Lösungstype ergäben. Das Preisausschreiben des Beklagten sei als Auslobung im Sinne des § 860 ABGB. zu qualifizieren, die Fristsetzung sei gewahrt worden. Die Frage, ob die Entscheidung des Auslobenden, nämlich die Weigerung der Prämienzahlung an die klagende Partei, vom Gericht überprüft werden könne, sei im vorliegenden Falle zu bejahen, weil die Ausschreibebedingungen, wenn auch - mathematisch gesehen - nicht völlig exakt, doch so eindeutig seien, daß hieraus der Wille des Auslobenden entnommen werden könne, jedem Einsender "einer richtigen und gleichwertigen Lösung" den Betrag von 300 S zu bezahlen. Die von den Klägern eingesandten Lösungen unter Verwendung natürlicher Zahlen seien einer richtigen Lösung gleichwertig und auch in absolutem Sinne richtig. Da sich das Preisausschreiben an eine mathematisch nicht gebildete Käuferschicht gewandt habe, müsse gesagt werden, daß die Bedingungen nach den allgemeinen Verkehrsauffassungen völlig eindeutig seien.
Der Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht Folge gegeben und in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung das Begehren sämtlicher Kläger abgewiesen. Entscheidend sei, ob es sich bei der in Frage stehenden Auslobung um eine reine Auslobung, also um eine solche handle, bei der es nur einen absoluten Erfolg und eine absolute Lösung gebe oder um ein echtes Preisausschreiben, bei dem verschiedene Lösungen und mehrere Einsendungen möglich seien, von denen dann der Auslobende eine als beste oder richtige prämiere und bestimme. Im vorliegenden Falle handle es sich um ein echtes Preisausschreiben, es seien also verschiedene Lösungen und Lösungssysteme möglich gewesen, wobei es also dem Willen und der Absicht des Auslobenden überlassen bleiben müsse, welche Lösung er als richtige prämieren wolle. Er habe diese richtige Lösung auch durch die Hinterlegung beim Notar auch ausdrücklich bezeichnet. Da dies den Ausschreibungsbedingungen entsprochen habe, sei sie für das Gericht bei der Beurteilung, ob eine Lösung als richtig aufzufassen sei, bindend. Die Entscheidung des Beklagten als Auslobenden über die richtige und gleichwertige Lösung könne beim vorliegenden echten Preisausschreiben nicht überprüft werden und sei daher bindend.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Bei der Beurteilung ist vom Inhalte der streitgegenständlichen Auslobung im Sinne der §§ 860 ff. ABGB. auszugehen.
Die Revisionswerber führen in ihrer Rechtsrüge aus, daß ihre Lösung der gestellten Aufgabe richtig gewesen sei, während dies von der vom Beklagten bekanntgegebenen Lösung nicht zutreffe; ein Preisausschreiben mit den vom Berufungsgerichte daraus abgeleiteten Folgerungen liege nicht vor; bei der vorliegenden reinen Auslobung gehe es nicht an, daß der Auslobende unter Verletzung der formalen Auslobungsbedingungen eine materiell unrichtige Lösung als richtig bezeichne; die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß die Bewertung des Beklagten der richterlichen Beurteilung entzogen sei, sei unrichtig;
die Grundsätze des redlichen Verkehrs seien auch hier zu beachten;
das Erstgericht habe den Fall rechtlich richtig beurteilt.
Den Revisionswerbern ist allerdings darin beizupflichten, daß der streitgegenständliche Reklamewettbewerb - im vorliegenden Prozeß ist es nicht von Bedeutung, ob die Ankündigung des Beklagten gegenüber seinen Wettbewerbern als sittenwidrig zu qualifizieren sei oder nicht, da die Kundschaft die Zuhaltung der Auslobung nach Maßgabe ihrer Bedingungen jedenfalls fordern kann und dem Kaufmann, der die Auslobung erfüllt, auch dann aus der Erfüllung kein Vorwurf gemacht werden kann, wenn die Ankündigung selbst wettbewerbsfremd gewesen sein sollte und (vgl. 3 Ob 346/53) nicht als Preisausschreiben im technischen Sinne (vgl. Ehrenzweig, Recht der Schuldverhältnisse, 1928, S. 253, sowie Gschnitzer in Klangs Kommentar, 2. Aufl. zu § 860, S. 44; Sonderfall des § 860 Satz 2 ABGB.) zu werten ist, so daß die vom Berufungsgerichte aus dieser rechtlichen Qualifikation gezogenen Folgerungen im vorliegenden Falle nicht zutreffen. Denn bei der Preisausschreibung im erwähnten Sinne stellt der Auslobende eine Aufgabe und verspricht einen Preis für die beste Lösung, die innerhalb einer gewissen Frist vorgelegt werden wird (vgl. die genannten beiden Autoren, a. a. O., sowie Gramm in Palandts Beckschem Kurzkommentar zum BGB., 12. Aufl., S. 643, wonach das Preisausschreiben eine Art der Auslobung ist und sich von der gewöhnlichen Auslobung dadurch unterscheidet, daß die Belohnung nur den sich um sie Bewerbenden versprochen wird, ferner darin, daß nicht bereits die Leistung, sondern erst die Entscheidung des Preisrichters den Anspruch auf den Preis begrundet), während vorliegendenfalls nach dem für die Beurteilung maßgeblichen Inhalte der öffentlichen Bekanntmachung des Beklagten dieser jedem Einsender einer richtigen oder gleichwertigen Lösung unter den sonstigen Voraussetzungen der Bekanntmachung und unter Bezugnahme auf die beim Notar hinterlegte Lösung eine Prämie von 300 S zugesagt hat. Für die Revisionswerber ist aber damit im Ergebnis nichts gewonnen, weil sie die Bezugnahme des Auslobenden auf die beim Notar hinterlegte Lösung, die nach dem Inhalte der öffentlichen Bekanntmachung als maßgeblich anzusehen ist und worauf auch das Berufungsgericht hingewiesen hat, völlig unberücksichtigt lassen. Im einzelnen ergibt sich dazu folgendes:
Der Hinweis des Auslobenden in der öffentlichen Bekanntmachung auf die Hinterlegung der "richtigen Lösung" beim Notar und deren Öffnung am 2. April 1953 durch den Notar, sowie auf die Bekanntgabe der "richtigen Lösung" an alle Teilnehmer durch die Post, ist ein wesentlicher Bestandteil der vorliegenden Auslobung, da es doch im Ermessen des Auslobenden liegt, die Leistung oder den Erfolg, wofür er eine Belohnung zusagt, zu bestimmen. Das darf allerdings vorliegendenfalls nicht dahin verstanden werden, daß das Urteil des Auslobenden ohne Rücksicht auf die von den Bewerbern erbrachten Lösungen verbindlich wäre, derart, daß das Gericht die Entscheidung des Beklagten hinsichtlich der Weigerung der Auszahlung der Prämie an die Kläger materiell nicht überprüfen dürfte. Diese Folgerung wäre nur hinsichtlich der Preisausschreibung im engeren Sinne gerechtfertigt (vgl. Ehrenzweig, a. a. O., S. 254); im streitgegenständlichen Falle ist sie mangels des Vorliegens einer derartigen Preisausschreibung im Sinne der obigen Ausführungen aber abzulehnen. Bei der reinen Auslobung, die vorliegendenfalls mit den Revisionswerbern nach der maßgeblichen Bekanntmachung des Beklagten anzunehmen ist, kann sich der Auslobende die Entscheidung darüber, ob die in der Bekanntmachung verlangte Leistung wirklich vollbracht worden sei, keinesfalls wirksam selbst vorbehalten, da er durch einen derartigen Vorbehalt jede Gebundenheit auf seiner Seite ausschließen würde, es vielmehr immer in der Hand hätte, die Leistung als nicht vollbracht zu erklären (vgl. Gschnitzer a. a. O., S. 48). Das Gericht ist daher wohl berechtigt, die vom Beklagten getroffene Entscheidung zu überprüfen. Die Beweisaufnahme des Erstgerichtes und die von diesem - von den Klägern und jetzigen Revisionswerbern unbekämpft - getroffenen Feststellungen lassen diese Überprüfung unter Auslegung des Inhalts der Auslobung des Beklagten in dritter Instanz ohne weiteres zu. Denn das Erstgericht hat auf der Grundlage des von ihm durchgeführten Sachverständigenbeweises dargelegt, daß die in der Bekanntmachung des Beklagten verwendete Textierung eine Reihe von Lösungsmöglichkeiten zulasse, u. zw. solche unter Verwendung ausschließlich natürlicher Zahlen von 1 bis 9 (entsprechend der Lösung der Kläger), aber auch solche unter Verwendung von Funktions- und Operationszeichen (die vom Beklagten beim Notar hinterlegte Lösung fällt unter diese Gruppe). Damit erledigen sich aber alle Ausführungen der Revisionswerber, worin darzulegen versucht wird, daß nur ihre Lösung richtig sei. Es muß vielmehr auch die vom Beklagten beim Notar hinterlegte Lösung als richtig qualifiziert werden. Die Auslegung der gegenständlichen Bekanntmachung des Beklagten führt aber bei diesem Sachverhalte zum weiteren Ergebnis, daß die von den Bewerbern zu erbringende Leistung mindestens 24 Summenkombinationen der im Reklamewettbewerb verlangten Art enthalten mußte (als) eine der "richtigen" Lösung gleichwertige kann ja nur eine solche von mindestens ebenso vielen Summenkombinationen der geforderten Art verstanden werden). Wohl ist die in der öffentlichen Bekanntmachung des Beklagten gestellte Aufgabe so lange mehrdeutig gewesen, als der Inhalt der vom Beklagten beim Notar hinterlegten Lösung nicht bekannt war. Daraus läßt sich aber für die Revisionswerber nichts gewinnen, weil die Prämie auf den den Bewerbern unbekannten Umstand der hinterlegten "richtigen" Lösung abgestellt war und die vom Beklagten hinterlegte Lösung als eine der in Betracht kommenden richtigen Lösung zu qualifizieren ist. Von einer Verletzung mathematischer Gesetze und der Ausschreibungsbedingungen des Beklagten kann bei dieser Sachlage nicht die Rede sein und es trifft auch nicht zu, daß der Beklagte Arbeiten der Kläger, die formal den Bedingungen entsprochen hätten, "wegen inhaltlicher Unwürdigkeit" zurückgewiesen hätte.
Es greift aber auch der Hinweis der Revisionswerber auf die Grundsätze des redlichen Verkehrs und die Bestimmungen des § 915 2. Halbsatz ABGB. nicht durch. Denn der Inhalt der Auslobung des Beklagten ist durch die oben vorgenommene Auslegung ihrer Bestimmungen eindeutig zu ermitteln und die Regel des § 915 ABGB. ist bloß subsidiär; sie gilt nur, wenn sich die Undeutlichkeit nach den gewöhnlichen Auslegungsregeln nicht beheben läßt (vgl. Ehrenzweig - Allgemeiner Teil, 1951, S. 263).
Die von den Revisionswerbern gerügte unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache (§ 503 Z. 4 ZPO.) liegt also im Ergebnis nicht vor.
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