OGH 2Ob65/21d

OGH2Ob65/21d5.8.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am * 2019 verstorbenen Z* G*, über den Rekurs der Republik Österreich, Finanzamt *, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Steyr als Rekursgericht vom 23. November 2020, GZ 1 R 91/20f‑25, womit der Rekurs der Republik Österreich gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Kirchdorf an der Krems vom 12. Mai 2020, GZ 3 A 308/19z‑16, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E132663

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Das Erstgericht hat mit Beschluss ausgesprochen, dass die Verlassenschaft (einschließlich der auf den Todesfall geschenkten Liegenschaft) überschuldet sei (Punkt 1) und die Aktiva (ausgenommen die Liegenschaft) einer Tochter der Erblasserin gegen Bezahlung bzw teilweise Abdeckung der angeführten Passiva gemäß §§ 154 f AußStrG an Zahlungs statt überlassen würden (Punkt 2). Weiters wurde der Tochter „namens der Verlassenschaft die Ermächtigung erteilt, Anträge bzw Erklärungen bei Finanzbehörden zu stellen oder abzugeben“ (Punkt 3).

[2] Das Rekursgerichtwies den gegen Punkt 3 dieser Entscheidung erhobenen Rekurs der Republik Österreich mangels Parteistellung und Rekurslegitimation zurück. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR nicht übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Durch die Ermächtigung der Tochter der Verstorbenen, namens der Verlassenschaft Anträge bzw Erklärungen bei Finanzbehörden zu stellen oder abzugeben, werde die Rechtssphäre der Abgabenbehörde nicht beeinträchtigt. Es obliege ohnedies dieser, in einem allfälligen Abgabenverfahren die Legitimation der für die Verlassenschaft einschreitenden Person zu überprüfen.

[3] Nachträglich ließ das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs doch zu, weil die Argumentation des Bundes, dass die Abgabenbehörde im Abgabenverfahren gemäß § 116 Abs 2 BAO an die „kompetenzwidrige Entscheidung“ des Erstgerichts gebunden sei, nicht von der Hand zu weisen sei.

Rechtliche Beurteilung

[4] Entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) – Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs des Bundes nicht zulässig. Die Entscheidung hängt nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG ab:

[5] 1. Die Rechtsmittelwerberin gründet ihre materielle Parteistellung und Rechtsmittellegitimation im Wesentlichen darauf, dass mit dem angefochtenen Teil des erstinstanzlichen Beschlusses in für sie bindender Weise über die Antragslegitimation der Tochter der Erblasserin im Abgabenverfahren abgesprochen und dieser der materiell-rechtliche Anspruch auf ein allfälliges Abgabenguthaben übertragen worden sei.

[6] 2. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Rechtsmittelwerberin vernachlässigt zunächst, dass mit dem angefochtenen Beschlussteil keinerlei Vermögenswerte oder Rechte zugewiesen worden sind. Im Übrigen hat das Rekursgericht den – missverständlich formulierten – Spruch in unbedenklicher Weise dahin ausgelegt, dass der Tochter der Erblasserin lediglich die Ermächtigung erteilt wurde, im Namen der Verlassenschaft, also als deren Vertreterin, beim Finanzamt Anträge zu stellen und Erklärungen abzugeben. Gegen die Richtigkeit dieser Auslegung führt die Rechtsmittelwerberin nichts ins Treffen.

[7] Auf deren Ausführungenzu einer für sie bindend entschiedenen Antragstellungsbefugnis der Tochter im eigenen Namen sowie zur vermeintlichen Zuweisung eines „Rechts auf Rechtsbesitz am negativen Abgabenanspruch der Verlassenschaft im Wege der Einzelrechtsnachfolge“ ist daher – mangels Vorliegens eines solchen Beschlusses – nicht weiter einzugehen. Auch die dazu geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor.

[8] 3. Zur Vertretungsvorsorge für die Verlassenschaft ist aber das Verlassenschaftsgericht berufen. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass die Rechtssphäre des am Verfahren nicht beteiligten Bundes durch den angefochtenen Beschluss nicht beeinträchtigt werde, weshalb ihm keine Rechtsmittelbefugnis zukomme, wirft daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf. Ob mit der Vorgangsweise des Erstgerichts die Vertretungsbefugnis der Tochter ausreichend klargestellt wurde (vgl dazu jüngst Berger, Steuerguthaben und Arbeitnehmerveranlagung, iFamZ 2021, 173), wird die Behörde in einem allfälligen Abgabenverfahren zu beurteilen haben.

[9] 4. Mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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