OGH 2Ob61/91

OGH2Ob61/915.2.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** GEBIETSKRANKENKASSE, ***** vertreten durch Dr. Vera Kremslehner, Dr. Josef Milchram und Dr. Anton Ehm, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei *****Versicherungs-Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Leopold Hammer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 26.527,42 s.A. und Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 30. August 1991, GZ 17 R 104/91-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 26. Februar 1991, GZ 5 Cg 717/90-6, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.623,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 603,84 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der bei der Klägerin krankenversicherte Gerhard B***** wurde am 17. 10. 1986 bei einem Verkehrsunfall, für dessen Folgen die Beklagte haftet (§ 22 KHVG), verletzt, er befand sich 157 Tage im Krankenhaus. Die Klägerin leistete für die Anstaltspflege Pflegegebühren von insgesamt S 141.306,95. Die Beklagte ersetzte der Klägerin diese Pflegegebühren, lehnte den Ersatz eines Anteiles der Zahlungen, die die Klägerin an den Krankenanstalten-Zusammenarbeitsfonds (im folgenden KRAZAF) leistete, aber ab.

Die Klägerin brachte vor, die Beiträge, die sie aufgrund der Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Krankenanstalten-Zusammenarbeitsfonds, BGBl 1978/454 in der jeweils geltenden Fassung (§§ 14 und 15) geleistet habe, stellten eine zusätzliche Leistung für die Anstaltspflege dar. Durch die 48. Novelle zum ASVG sei klargestellt worden, daß der gemäß § 332 ASVG übergegangene Anspruch auch diese Leistungen anteilsweise umfasse. Dieser Anteil betrage für die Zeit der Krankenhausaufenthalte des Gerhard B***** insgesamt S 26.527,42. Auch die Rechtslage vor der 48. Novelle zum ASVG habe einen Anspruch auf Ersatz der anteilsmäßigen Zahlungen an den KRAZAF zugelassen. Die Pflegegebühren, die ein nicht Sozialversicherter zu zahlen habe, seien höher als die von den Krankenversicherungsträgern zu zahlenden Pflegegebühren zuzüglich der anteiligen Zahlungen an den KRAZAF; ein Deckungsfonds, in dessen Rahmen sich die Legalzession vollziehe, sei daher gegeben. Überdies könnte die Klägerin schon aufgrund der Vorschrift des § 1325 ABGB Ersatz der Heilungskosten fordern. Die Klägerin begehrte daher die Zahlung eines Betrages von S 26.527,42 samt 4 % Zinsen. Weiters begehrte sie mit der Begründung, aufgrund der Verletzungen des Gerhard B***** werden noch weitere Krankenhausaufenthalte notwendig sein, die Feststellung, daß die beklagte Partei in Hinkunft verpflichtet sei, der klagenden Partei im Falle einer wegen der Folgen des Unfalles vom 17. 10. 1986 dem Gerhard B***** als Leistung aus der gesetzlichen Krankenversicherung gewährten Anstaltspflege neben dem Ersatz des von der klagenden Partei unmittelbar dem Träger der Krankenanstalt bezahlten Pflegegebühren auch jene von ihr entrichteten Zahlungen zu ersetzen, welche unter Anwendung der im § 28 Abs 4 Z 3 KAG festgesetzten Berechnungsmethode anteilsmäßig auf sie entfallen, wobei die Höhe der Haftung mit der zum Unfallszeitpunkt betreffend den LKW W 772.142 vereinbarten Haftpflichtversicherungssumme begrenzt sei.

Die beklagte Partei wendete ein, vor der 48. Novelle zum ASVG sei klar gewesen, daß mit den Pflegegebührensätzen alle Leistungen der Krankenanstalten (mit hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen) abgegolten seien. Die Beiträge zum KRAZAF seien den Pflegegebühren nicht sachlich kongruent, die Regressierbarkeit dieser Beiträge sei erst durch die 48. Novelle zum ASVG ermöglicht worden, ein Direktanspruch nach § 1325 ABGB bestehe nicht. Überdies seien die durch die 48. Novelle zum ASVG novellierten Vorschriften der §§ 148 Z 3 und 332 ASVG verfassungswidrig.

Das Erstgericht wies das Leistungs- und das Feststellungsbegehren ab. Es führte aus, die Zahlungen der Krankenversicherungsträger an den KRAZAF seien erst durch die am 1. 1. 1990 in Kraft getretene 48. Novelle zum ASVG regreßfähig geworden. Da sich der Anlaßfall vorher ereignet habe, sei auch das Feststellungsbegehren abzuweisen gewesen. Die geltend gemachten Kosten könnten auch nicht unter den Begriff der Heilungskosten subsumiert werden, weil der KRAZAF den Charakter einer gesamtwirtschaftlichen Steuerungsmaßnahme für das ganze österreichische Krankenanstaltenwesen habe. Die dem Fonds zukommenden Funktionen beträfen Strukturmaßnahmen, die weit über Pflegeaufgaben im Sinne einer unmittelbaren Behandlung von Patienten hinausgingen. Diese Beiträge seien daher den Heilungskosten sachlich nicht kongruent.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß dem Feststellungsbegehren stattgegeben wurde, gab der Berufung der Klägerin hinsichtlich des Leistungsbegehrens aber nicht Folge. Das Gericht zweiter Instanz teilte die Ansicht des Erstgerichtes, mangels besonderer gesetzlicher Bestimmungen vor Inkrafttreten der 48. Novelle zum ASVG seien die Beiträge der Krankenversicherungsträger zum KRAZAF nicht regressierbar gewesen. Nur die Pflegegebühren gemäß § 148 ASVG bildeten den Deckungsfonds für den Regreßanspruch des Sozialversicherungsträgers, weil damit die Leistungen der Krankenanstalten abgegolten gewesen seien. Das Zahlungsbegehren sei daher abzuweisen gewesen. Für den Fall künftiger Anstaltspflege habe die Beklagte aber die Beiträge zum KRAZAF anteilsmäßig zu ersetzen, weshalb das Feststellungsbegehren berechtigt sei. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes, über den es entschieden habe, S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei.

Die Klägerin bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes hinsichtlich der Abweisung des Leistungsbegehrens mit Revision, macht den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß auch dem Leistungsbegehren stattgegeben werde.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Nach der durch die am 1. 1. 1990 in Kraft getretenen 48. Novelle zum ASVG geänderten Grundsatzbestimmung des § 148 Z 3 lit d ASVG sind die Leistungen der Krankenanstalten unter anderem auch mit den Beiträgen der Krankenversicherungsträger zum KRAZAF abgegolten. Nach der gleichzeitig geänderten Vorschrift des § 332 Abs 1 ASVG umfaßt der dort normierte Forderungsübergang im Fall der Gewährung von Anstaltspflege auch die gesetzlichen Zahlungen des Versicherungsträgers zur Krankenhausfinanzierung.

Die Revisionsausführungen, auf § 148 ASVG könne die Abweisung des Begehrens nicht gegründet werden, weil es sich um eine Grundsatzbestimmung handle, die rechtliche Wirkungen nur gegenüber dem Ausführungsgesetzgeber entfalte, nicht aber unmittelbar anwendbares Recht sei, sind nicht zielführend. Auch wenn man diese Vorschrift nicht anwendet, würde dies nämlich nicht dazu führen, daß die Beiträge der Krankenversicherungsträger zum KRAZAF schon vor dem 1. 1. 1990 gemäß § 332 ASVG regreßfähig wären.

Die Klägerin weist in ihrer Revision weiters darauf hin, daß in den EBzRV 1098 BlgNR 17. GP die Änderung im § 332 Abs 1 ASVG als "Klarstellung" bezeichnet wurde und vertritt die Ansicht, eine "Klarstellung" sei nach dem allgemeinen Sprachgebrauch primär auf etwas Bestehendes gerichtet, das bloß verdeutlicht werden solle. Daraus ergebe sich die Absicht des Gesetzgebers, daß die Regressierbarkeit der Beiträge an den KRAZAF schon vor dem Wirksamkeitsbeginn der 48. Novelle zum ASVG aufgrund der seinerzeitigen Rechtslage möglich gewesen sei.

Dem ist entgegenzuhalten, daß die 48. Novelle zum ASVG am 1. 1. 1990 in Kraft trat. Es handelte sich um eine Gesetzesänderung ab diesem Zeitpunkt, nicht aber - wie auch die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 19. 6. 1990, ON 3 ausführte - um eine authentische Interpretation im Sinne des § 8 ABGB. Wohl können die Gesetzesmaterialien zur Auslegung herangezogen werden (Bydlinski in Rummel2, Rz 19 zu § 6; SZ 47/65 ua), dies aber nur zur Auslegung des Gesetzes, dessen Vorarbeiten sie sind. Nicht zulässig ist es, aus den Erläuternden Bemerkungen zu einer Regierungsvorlage darauf zu schließen, welche Absicht der Gesetzgeber bei Erlassung eines früheren Gesetzes hatte. Die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage der 48. Novelle zum ASVG haben daher für die Auslegung der früheren Rechtslage keine Bedeutung.

Bei Beurteilung der Frage, ob schon vor der 48. Novelle zum ASVG die Zahlungen der Krankenversicherungsträger an den KRAZAF anteilsmäßig gemäß § 332 ASVG gegenüber dem Schädiger geltend gemacht werden konnten, ist im übrigen folgendes zu erwägen:

Die Höhe der Beiträge der Krankenversicherungsträger zum KRAZAF sind nicht von der Anzahl der Tage abhängig, in der sich Versicherte in Anstaltspflege befinden (vgl § 447 f ASVG sowie die §§ 17 ff des Bundesgesetzes über die Errichtung eines Krankenanstalten-Zusammenlegungsfonds, für den hier maßgebenden Zeitraum BGBl 1985/215 und 1988/281). Lediglich der Anteil, der gemäß § 332 Abs 1 ASVG idF der 48. Novelle auf den einzelnen Versicherten entfällt, wird aufgrund der Gesamtanzahl der Verpflegstage ermittelt. Die Verletzung des Gerhard B***** und die dadurch erforderlich gewordene Behandlung im Krankenhaus hatten auf die Höhe der Beitragszahlungen der Klägerin zum KRAZAF somit keinen Einfluß, durch den Krankenhausaufenthalt dieses Sozialversicherten entstanden der Klägerin abgesehen von den Pflegegebühren, die die Beklagte bereits ersetzte, keine Kosten. Für die Beitragszahlungen der Klägerin zum KRAZAF war die Verletzung des Gerhard B***** nicht kausal, es handelt sich bei diesen Beitragszahlungen nicht um Leistungen der Klägerin im Sinne des § 332 Abs 1 erster Satz, letzter Halbsatz ASVG, und daher ist insoweit auch keine Forderung auf die Klägerin übergegangen, selbst wenn der Verletzte - wäre er nicht sozialversichert gewesen - höhere Ansprüche als die von der Klägerin bezahlten Pflegegebühren hätte geltend machen können. Die Frage eines Deckungsfonds ist somit hier ohne Bedeutung. Aus § 332 Abs 1 ASVG idF vor der 48. Novelle kann daher ein Anspruch auf Ersatz anteiliger Beitragszahlungen zum KRAZAF nicht abgeleitet werden.

Auf § 1325 ABGB kann ein derartiger Anspruch aber ebenfalls nicht gestützt werden. Wie bereits ausgeführt, wurden die Beiträge der Klägerin an den KRAZAF nicht durch die Verletzung des Gerhard B***** verursacht, es handelte sich um keine Heilungskosten im Sinne des § 1325 ABGB. Aus diesem Grund ist es nicht erforderlich, auf die Revisionsausführungen zur Frage der Klagslegitimation eines Dritten, der Heilungskosten beglich, einzugehen.

Für die wegen der Verletzung des Gerhard B***** bisher notwendig gewesenen Krankenhausaufenthalte (der letzte endete laut Vorbringen der Klägerin am 1. 2. 1988) steht der Klägerin somit kein Anspruch auf Ersatz anteiliger Beiträge zum KRAZAF zu, weshalb der Revision ein Erfolg zu versagen war.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Kostenbemessungsgrundlage war lediglich das Leistungsbegehren von S 26.527,42.

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