Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Das Erstgericht übertrug die elterlichen Rechte und Pflichten hinsichtlich des 5 Jahre alten Mädchens Marianne der Mutter Edith P***. Es wies den Antrag des Vaters, Rudolf P***, ihm die elterlichen Rechte zuzuweisen, ab. Dem Vater wurde ein Besuchsrecht alle 14 Tage, und zwar Montag von 7 Uhr bis 18 Uhr, eingeräumt. Der Antrag des Vaters auf Einräumung eines darüber hinausgehenden Besuchsrechtes wurde abgewiesen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters, der sich sowohl gegen die Zuteilung der Elternrechte an die Mutter als auch gegen den abweisenden Teil der Besuchsrechtsregelung richtete, nicht Folge. Beide Vorinstanzen gingen bei ihren Entscheidungen von folgendem Sachverhalt aus:
Die Ehe der Eltern der mj. Marianne wurde mit Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 17.6.1985 gemäß § 55 a EheG einvernehmlich geschieden. In dem am 14.6.1985 vor dem Landesgericht für ZRS Wien abgeschlossenen Vergleich kamen die Eltern überein, daß die elterlichen Rechte und Pflichten hinsichtlich der mj. Marianne der Mutter allein zustehen sollten. Die pflegschaftsbehördliche Genehmigung dieses Vergleichspunktes unterblieb, weil der Vater am 23.8.1985 beantragte, ihm die elterlichen Rechte und Pflichten zuzuweisen. Die Minderjährige lebt seit der Scheidung bei der Mutter. Die außergerichtliche Besuchsrechtsregelung zwischen Vater und Mutter funktionierte nur kurze Zeit. Dann verweigerte die Mutter dem Vater das Besuchsrecht, weil dieser die ihm zugestandene Besuchszeit überzog und die Besuchskontakte aufgrund seiner übertriebenen Besorgnis, das Kind sei krank, dazu verwendete, mit der Minderjährigen einen Kinderarzt aufzusuchen. Am 12.9.1985 entzog der Vater die mj. Marianne der Pflege und Erziehung der Mutter. Als die Mutter am Morgen mit der Minderjährigen aus dem Haus kam, entriß er ihr die Minderjährige und fuhr mit dieser davon. Der Vater wies nach der "Entführung" Marianne mit der Begründung, sie leide an "Gedeihstörungen", in das Wilhelminen-Spital ein. Die Minderjährige war jedoch organisch völlig gesund. Nach einigen Tagen nahm der Vater die Minderjährige wieder aus dem Spital.
Am 16.9.1985 trug das Erstgericht mit einstweiliger Verfügung dem Vater auf, die Minderjährige unverzüglich der Mutter auszufolgen; es untersagte ihm jeglichen Kontakt zur Minderjährigen bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die elterlichen Erziehungsrechte. Dem dagegen erhobenen Rekurs des Vaters blieb ein Erfolg versagt.
Am 5.5.1986 schlossen die Eltern einen Vergleich, demzufolge der Vater berechtigt ist, die Minderjährige alle 14 Tage an einem Montag von 7 Uhr bis 18 Uhr bei sich zu haben. Der Vater besitzt zwei Gewerbebetriebe, die er verpachtet hat; er ist derzeit somit nicht berufstätig. Er hat eine irreale Vorstellung von der kindlichen Psyche und ist zufolge seiner großen Liebe zu seiner minderjährigen Tochter übertrieben besorgt. Die Mutter ist berufstätig. Sie ist eine gute und dem Kind gegenüber aufgeschlossene Mutter und versorgt das Kind in jeder Hinsicht bestens. Die mj. Marianne ist ein dem Alter entsprechend entwickeltes Kind, psychisch und körperlich völlig in Ordnung und intelligent. Sie ist lebhaft, kontaktfreudig und gut gefördert. Die Minderjährige besucht tagsüber einen Kindergarten, fühlt sich dort wohl und hat auch eine gute Beziehung zu den "Tanten". Nur nach der Entführung durch den Kindesvater war sie irritiert.
Zwischen der Mutter und der Minderjährigen besteht ein gutes und herzliches Verhältnis. Die vom Vater behaupteten "Verfehlungen" der Mutter haben sich als nicht zutreffend erwiesen. Bei der Minderjährigen zeigt sich keine Bevorzugung des Vaters und keine Abkehr von der Mutter. Die vom Vater gegen die Mutter erhobenen, zum Teil gravierenden Vorwürfe (Alkoholismus, schlechter Lebenswandel) haben nach umfangreichen Erhebungen des jugendpsychologischen Dienstes keinerlei Bestätigung gefunden.
Rechtlich verwies das Rekursgericht ua darauf, daß der Umstand, wonach die Mutter der Minderjährigen wieder einer Berufstätigkeit nach der Scheidung der Ehe nachgehen würde, dem Rekurswerber bei Abschluß des Scheidungsvergleiches, mit welchem er der Übertragung der elterlichen Rechte an die Mutter zustimmte, klar sein mußte. Die vom Rekurswerber im Zuge des Pflegschaftsverfahrens behaupteten Erkrankungen der mj. Marianne, deretwegen er nach seiner Ansicht genötigt war, mit dem Kind einen Arzt aufzusuchen bzw. sie sogar ins Spital einweisen zu lassen, hätten nicht objektiviert werden können. Insbesondere die Einweisung in das Wilhelminen-Spital am 12.9.1985 unter Hinweis auf "Gedeihstörungen" habe sich als völlig haltlos herausgestellt. Dieser Vorfall bestätige mit aller Deutlichkeit jenes Persönlichkeitsbild, das der Sachverständige Prof. Dr. Walter Spiel vom Vater zeichnete, nämlich, "daß dieser eine etwas irreale Vorstellung von der kindlichen Psyche hat, wobei ihm zugute zu halten sei, daß er aus lauter Überfürsorge und Betulichkeit die Kleine am liebsten in ein liebevolles Glashaus setzen würde, das unter seiner Oberhoheit steht". Nicht zu erkennen sei, worin eine Gefährdung des Kindeswohles liegen sollte. Die Mutter komme jeden Tag nach dem Büro nach Hause und verbringe jedes Wochenende mit dem Kind. Daß sie gelegentlich einmal erst gegen etwa 20 Uhr nach Hause kommt und dann die Minderjährige von den mütterlichen Großeltern im Kindergarten abgeholt wird, liege nicht außerhalb der Norm eines berufstätigen Menschen. Daß der Rekurswerber, und zwar offenbar unmittelbar nach der am 17.6.1985 erfolgten Scheidung seine eigene Berufstätigkeit, wie er selbst angibt, seiner Tochter wegen aufgegeben habe, um sich dauernd um sein Kind kümmern zu können, müsse bei einem 43-jährigen Menschen als ein zumindest etwas ungewöhnliches Verhalten gewertet werden. Üblicherweise seien nämlich Menschen dieses Alters berufstätig und sorgten daneben auch noch für eine Familie, ohne daß in diesem Umstand eine Gefährdung des Kindeswohles gesehen werden könnte. Letztlich sei davon auszugehen, daß beide Elternteile anläßlich der Scheidung ihrer Ehe gemäß § 55 a EheG eine Vereinbarung über die Zuteilung der Elternrechte getroffen haben und daß diese Vereinbarung eine Voraussetzung für die einverständliche Scheidung ihrer Ehe war. Die Notwendigkeit der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung der das Kind betreffenden Punkte ändere nichts daran, daß die Eltern selbst an diesen gerichtlichen Vergleich gebunden sind. Das Pflegschaftsgericht habe dann zwar zu prüfen, ob die einverständliche Regelung dem Wohle des Kindes entspricht. Die Eltern könnten sich in diesem Verfahren nur auf eine nachträgliche Änderung des Sachverhaltes berufen. Zur Frage der Zuweisung der Elternrechte müßte die Änderung aber eine Entziehung der Elternrechte im Sinne des § 176 ABGB rechtfertigen. Das dem Rekurswerber in vierzehntägigen Intervallen eingeräumte Besuchsrecht für die Dauer eines ganzen Tages von 7 Uhr früh bis 18 Uhr abends entspreche dem Alter des Kindes und basiere auf dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Walter Spiel. Dieses Besuchsrecht erscheine ausreichend, um die zweifellos guten Kontakte zwischen Vater und Kind nicht abreißen zu lassen. Ein darüber hinausgehendes Besuchsrecht, wie der Rekurswerber es wünscht, wäre derzeit dem Interesse des Kindes der notwendigen Beruhigung der Situation abträglich.
Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der ao. Revisionsrekurs des Vaters, der sich auf die Anfechtungsgründe nach § 16 AußStrG bezieht und beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben oder dahin abzuändern, daß seinem Rekurs gegen die erstgerichtliche Entscheidung Folge gegeben werde.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist unzulässig.
Der Rechtsmittelwerber behauptet, daß bei der Entscheidung der Vorinstanzen das Wohl des Kindes verletzt worden sei. Es gehe nicht an, von einer "in jeder Hinsicht besten Versorgung" der Minderjährigen durch die Mutter zu sprechen, wenn diese berufsbedingt nicht zu Hause sei. Besser sei es, ein Kind durch einen Elternteil selbst versorgen zu lassen, als es dritten Personen zu überlassen. Die Aufgabe der eigenen Berufstätigkeit durch den Rekurswerber sei nicht im richtigen Licht gesehen worden. Es fehlten ausreichende Feststellungen über die Pflege der Minderjährigen. Dem ist zu erwidern:
Wie schon das Rekursgericht zutreffend klarlegte, ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, daß die Vereinbarung der Eltern gemäß § 55 a Abs 2 EheG eine Voraussetzung für die einverständliche Scheidung ihrer Ehe war. Die Notendigkeit der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung der das Kind betreffenden Punkte ändert nichts daran, daß die Eltern selbst an diesen gerichtlichen Vergleich gebunden sind. Das Pflegschaftsgericht hat zwar zu prüfen, ob die einverständliche Regelung dem Wohl des Kindes entspricht. Die Eltern können sich in diesem Verfahren aber nur auf nachträgliche Änderungen des Sachverhaltes berufen. In der Frage der Zuweisung der Elternrechte müßten die Änderungen eine Entziehung der Elternrechte im Sinn des § 176 ABGB rechtfertigen (1 Ob 776/81 ua). Nach den für den Obersten Gerichtshof maßgeblichen Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen sind aber keine Umstände und besonders auch nicht eine berufliche Überforderung der Mutter, die sie für die Pflege und Erziehung des Kindes schlecht geeignet erscheinen lassen könnten, erkennbar. Mit keinem der gemäß § 16 AußStrG geltend gemachten Anfechtungsgründe vermag der Rekurswerber Umstände aufzuzeigen, die die dargelegten Erwägungen des Rekursgerichtes als unberechtigt erscheinen ließen. Die Ausführungen gehen an der Tatsache vorbei, daß der Rekurswerber selbst einverstanden war, die Pflege und Erziehung seiner Tochter der Mutter zu überlassen. Daß er seine berufliche Laufbahn nach seinen eigenen Angaben deshalb aufgab, "um sich allein dem Wohl des fünfjährigen Kindes zu widmen", hat das Rekursgericht zutreffend als zumindest psychologisch auffällig beurteilt; die damit zusammenhängenden Erwägungen sind jedenfalls nicht geeignet, einem der hier allein zulässigen Anfechtungsgründe des § 16 AußStrG unterstellt zu werden. Da schließlich die Vorinstanzen unter ausreichender Begründung ihres Standpunktes feststellten, daß die Mutter trotz ihrer Berufstätigkeit sehr wohl alle für das Wohl des Kindes erforderlichen Belange erfüllt, stellen die gegenteiligen Ausführungen des Rekurswerbers keine gesetzmäßige Geltendmachung der Anfechtungsgründe des § 16 AußStrG dar.
Zur Regelung des Besuchsrechtes bringt der Rechtsmittelwerber nichts Konkretes mehr vor. Es genügt daher, diesbezüglich auf die zutreffende Begründung des Rekursgerichtes zu verweisen. Der Revisionsrekurs des Vaters war somit mangels Vorliegens eines der im § 16 AußStrG genannten Beschwerdegründe zurückzuweisen.
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