Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat der beklagten Partei die mit 18.324,15 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.447,65 S Umsatzsteuer und 2.400 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit der Behauptung, die beklagte Partei habe gegen den Kläger als einen ihrer Vertragsärzte an die Bundespolizeidirektion Wien wissentlich eine völlig unbegründete Anzeige erstattet, wonach der Verdacht des Rezeptbetruges durch Ausfertigung und Einlösung eines Rezeptes für der betreffenden, 86-jährigen Patientin nie zugekommene Augentropfen im Werte von 19,40 S vorliege, die beklagte Partei habe diesen Verdacht auch noch in einer Pressekonferenz ausdrücklich aufrechterhalten, die folgenden Ermittlungen hätten aber die absolute Korrektheit der Rezeptverschreibung ergeben, begehrt der Kläger unter Hinweis auf das angeblich gegen Vertrags- und Gesetzespflichten verstoßende Verhalten der beklagten Partei und einen hieraus bereits entstandenen bzw. noch entstehenden beruflichen, moralischen und finanziellen Schaden die Verurteilung der beklagten Partei zum Ersatze der ihm erwachsenen Kosten des Strafermittlungsverfahrens in Höhe von 10.458,41 S sowie die Feststellung ihrer Haftung für alle seine zukünftigen Schäden aus der Anzeigeerstattung bzw. aus den von der beklagten Partei gegenüber der Presse abgegebenen Erklärungen.
Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Die Auskunft der Versicherten, zu deren Gunsten das Rezept ausgestellt worden war, dieses Rezept sei ihr unbekannt, habe für die beklagte Partei ein so schwerwiegendes Verdachtsmoment dargestellt, daß die Anzeigeerstattung nicht nur gerechtfertigt gewesen, sondern gemäß § 84 Abs 1 StPO sogar eine Verpflichtung hiezu vorgelegen sei. Die Erstattung einer Strafanzeige erfülle auch nicht den Tatbestand des § 1330 Abs 2 ABGB. Im übrigen habe der Kläger der beklagten Partei schriftlich bestätigt, daß ihre Anzeigeerstattung nicht leichtfertig erfolgt sei.
In der Folge brachte der Kläger vor, sein Vertragsverhältnis, aus welchem er 75 % seines Einkommens beziehe, sei von der beklagten Partei aufgekündigt und diese Kündigung sodann nur unter der Voraussetzung zurückgenommen worden, daß er die ihm von der beklagten Partei vorgelegten Erklärungen unterschreibe. Das Erstgericht wies die Klage ab; sein Urteil wurde vom Berufungsgericht bestätigt und ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, den Betrag von 300.000 S übersteigt.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wendet sich die auf § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision des Klägers mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Klagsstattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Der angefochtenen Entscheidung liegt folgender, vom Erstgericht unbekämpft festgestellter Sachverhalt zugrunde: Der Kläger übt in Wien seinen Beruf als Facharzt für Augenheilkunde aus und ist seit ca. 15 Jahren auch als Amtsarzt der Bundespolizeidirektion Wien tätig. Sein Vertragsverhältnis zur beklagten Partei ist auf Grund eines vom Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger mit der Ärztekammer für Wien abgeschlossenen Gesamtvertrages sowie eines zwischen den Streitteilen am 30.Juni 1970 geschlossenen Einzelvertrages geregelt. Gemäß § 34 Abs 1 des Gesamtvertrages sind die Vertragspartner sowie die Parteien der Einzelverträge zur gegenseitigen Unterstützung bei der Vertragsdurchführung verpflichtet. Nach § 34 Abs 4 des Gesamtvertrages hat sowohl der Versicherungsträger als auch der Vertragsarzt alles zu unterlassen, was das Ansehen des anderen Teiles in den Augen der Anspruchsberechtigten oder der Öffentlichkeit herabsetzen könnte. Gemäß § 36 des Vertrages sollen Streitigkeiten durch einen Schlichtungsausschuß einvernehmlich beigelegt werden. Am 21.September 1982 verschrieb der Kläger seiner 85-jährigen, von der Entrichtung der Rezeptgebühr befreiten Patientin Leopoldine O*** Augentropfen, wobei das Rezept die Anweisung an den Apotheker zur magistralen Herstellung derselben enthielt und in der Mutter-Gottes-Apotheke eingelöst wurde. Der dieser Apotheke für die Augentropfen von der beklagten Partei zu vergütende Betrag belief sich auf 34,20 S. Da im Jahre 1982 bei stichprobenweisen Kontrollen der beklagten Partei verhältnismäßig häufig Unregelmäßigkeiten bei der Rezeptverrechnung festgestellt wurden, führte sie bei ihren Versicherten eine große Befragungsaktion durch. Unter Anschluß einer Kopie des Rezeptes versandte sie Fragebögen an die Versicherten mit der Bitte, das Rezept zu überprüfen und folgende Fragen zu beantworten: "1. Haben Sie oder eine von Ihnen beauftragte Person dieses Rezept in der angeführten Apotheke eingelöst? 2. Haben Sie alle auf dem Rezept angeführten Medikamente erhalten? 3. Wenn nein, welche Medikamente haben Sie bekommen?". Von den 100.000 versandten Fragebögen wurden 82.000 beantwortet und der Beklagten rückgemittelt. Auch Leopoldine O*** erhielt einen solchen Fragebogen, wobei eine Kopie des obgenannten Rezeptes vom 21.September 1982 angeschlossen war. Für die Beantwortung der ersten und zweiten Frage waren zwei Antwortmöglichkeiten, nämlich "ja" oder "nein", vorgegeben und der Versicherte sollte diese Fragen durch Ankreuzen der entsprechenden Kästchen beantworten. Leopoldine O*** hat dies nicht getan, sondern das Wort "ja" in Form eines "X-Zeichens" durchgestrichen und das Wort "nein" unterstrichen. Auf der Rückseite des Formulars führte sie zunächst einige Medikamente an, zog nach der Nennung des letzten Medikamentes einen Strich und schrieb sodann "Apotheke Kettenbrückengasse". Abschließend schrieb sie folgendes: "Das Rezept von Ihnen ist mir unbekannt. Ich kann es auch nicht lesen, die Medikamente". Die Worte "die Medikamente" hat sie unterstrichen. Nach der Aufzählung der vorhin genannten Fragen stand auf dem Formular der Vordruck "Die obigen Angaben bestätige ich durch meine Unterschrift". Leopoldine O*** hat auf der hiefür vorgesehenen Zeile ihre Unterschrift abgegeben. Darüber hinaus hat sie auch auf der Rückseite des Formulars unterschrieben. Am 9.Februar 1983 schlossen die beklagte Partei und die Ärztekammer für Wien ein Übereinkommen, wonach bei Verdacht einer Malversation ein gemeinsames Vorgehen zu beobachten sei und die Ergebnisse der Rezeptaktion gemeinsam überprüft werden, um daraus allenfalls notwendige Konsequenzen ziehen zu können. Beide Vertragsteile behielten sich das Recht vor, in begründeten Fällen Anzeige zu erstatten bzw. den Disziplinaranwalt vom Sachverhalt in Kenntnis zu setzen. Dieser Vereinbarung entsprechend fand in der Folge eine Besprechung statt, an der seitens der Ärztekammer Dr. R*** und Dr. N*** und seitens der beklagten Partei Dr. P*** sowie zwei Herren von der Apothekerkammer teilnahmen. Dabei wurden ca. 45 Rezepte geprüft, unter anderem auch das klagsgegenständliche. Dr. N*** bezeichnete dieses als völlig unverdächtig, weil es sich um ein magistraliter verschriebenes Rezept handle. Von der Patientin sei offenkundig nicht erkannt worden, daß bei einem derartigen Rezept mehrere Zeilen zu schreiben seien. Darin, daß Leopoldine O*** die Apotheke Kettenbrückengasse angegeben hatte, das Rezept tatsächlich aber in der Apotheke Schönbrunnerstraße eingelöst worden war, lag für Dr. N***, ohne daß er dies äußerte, kein Verdachtsmoment, zumal das Rezept durch einen Boten eingelöst worden sein konnte. Auf Grund der von Juristen der beklagten Partei erstatteten "Mitteilungen" erfolgte sodann die Behandlung der Verdachtsfälle durch die beklagte Partei, indem entweder Anzeige an die Wirtschaftspolizei erstattet oder nichts unternommen wurde. Gegen den Kläger wurde kurz nach der obgenannten Besprechung, und zwar am 2.März 1983, eine Anzeige erstattet, welcher das klagsgegenständliche Rezept und das von Leopoldine O*** ausgefüllte Formular angeschlossen waren. Die Organe der beklagten Partei hatten bei dieser Anzeigeerstattung die Unwahrheit der Angaben der Leopoldine O*** nicht gekannt. Die Ärztekammer für Wien wurde von der beklagten Partei von allen ihren Anzeigeerstattungen in Kenntnis gesetzt. Durch diese Kammer erfuhr der Kläger von der gegen ihn erfolgten Anzeige. Anfang März 1983 hielt der Generaldirektor der beklagten Partei, Dr. P***, eine Pressekonferenz ab. Da ihm der Kläger kurz vorher versichert hatte, daß er mit der sogenannten "Rezeptaffäre" nichts zu tun habe und hinsichtlich seiner Person nur dieses eine verdächtige Rezept vorlag, der Kläger außerdem selbst Funktionär der Wiener Ärztekammer war, ersuchte Dr. P*** den Vertreter der Wirtschaftspolizei, den Fall des Klägers "zuletzt zu behandeln" und vereinbarte mit dem Kläger, bei der Pressekonferenz keinen Hinweis zu machen, daß er zum Kreis der Verdächtigen gehöre, an welche Vereinbarung sich der Kläger auch hielt. Zwei Tage später fand eine Pressekonferenz der Wiener Ärztekammer statt, an welcher auch der Kläger und für die beklagte Partei Frau Dr. P*** teilnahmen. Im Verlaufe dieser Konferenz, bei welcher Dr. N*** äußerte, er halte die von der beklagten Partei erstatteten Anzeigen für leichtfertig, erklärte der Kläger selbst, er sei einer derjenigen Ärzte, gegen welche eine unbegründete Anzeige vorliege. Hierauf erwiderte Dr. P***, daß lediglich in schwerwiegenden Verdachtsfällen Anzeige erstattet worden sei. Der Journalist Dr. E*** führte mit Dr. P*** später ein Telefongespräch und gab deren auf den Kläger bezogene Äußerung "Was den Augenarzt betrifft: Ich kann nur sagen, daß wir ausschließlich in schwerwiegenden Verdachtsfällen angezeigt haben", in einem Zeitungsartikel wieder, ebenso die ihm gegenüber gemachte Erklärung des Klägers, daß die Kosten des gegenständlichen Rezeptes lächerliche 1,40 S betragen hätten. Sowohl der Disziplinarrat der Ärztekammer als auch das Personalbüro der Bundespolizeidirektion Wien hatten Kenntnis von der gegen den Kläger erstatteten Anzeige. Von der Wirtschaftspolizei wurden im Falle des Klägers keinerlei Erhebungen durchgeführt. Mit Schreiben vom 13.April 1983 zog die beklagte Partei die Anzeige zurück. Am 15.April 1983 übermittelte die Wirtschaftspolizei der Staatsanwaltschaft Wien sowohl das Schreiben über die Anzeigeerstattung als auch jenes über deren Rücknahme. Am 5.Mai 1983 wurde die den Tatverdacht nach § 146 StGB betreffende Anzeige von der Staatsanwaltschaft Wien gemäß § 90 StPO zurückgelegt. Da der Kläger in dieser Strafsache einen Anwalt beigezogen hatte, entstanden ihm Vertretungskosten in der Höhe von 10.458,41 S. Mit Schreiben vom 25.Mai 1983 kündigte die beklagte Partei dem Kläger den zwischen ihnen bestehenden Einzelvertrag wegen vertragswidrigen Verhaltens durch Herabsetzen ihres Ansehens, wogegen der Kläger Einspruch erhob. Bei einer mit ihm für den 16. Juni 1983 vereinbarten Aussprache wurde eine Einigung erzielt und diese wie folgt festgehalten: "1. Dr. S*** konnte sich davon überzeugen, daß die W*** G*** keinesfalls
leichtfertigt die Anzeige an die Wirtschaftspolizei gegen ihn erstattet hat, da die W*** G*** auf Grund einer
eindeutigen Angabe einer Versicherten nach der Strafprozeßordnung verpflichtet war, wegen Verdachtsmomenten die Anzeige zu erstatten. Die Staatsanwaltschaft hat das Strafverfahren gegen ihn mit der Begründung eingestellt, daß keine Gründe zur Verfolgung vorlagen.
2. Bei diesem Gespräch konnte geklärt werden, daß die von Dr. S*** der Presse gegenüber gemachten Angaben über die Höhe der Kosten des auf dem Rezeptformular verordneten Medikamentes nicht richtig waren. Er versichert, daß er nie die Absicht hatte, das Ansehen der W*** G*** durch seine Äußerungen der Presse gegenüber in der Öffentlichkeit herabzusetzen. 3. Auf Grund dieser Klarstellungen wird die W*** G*** die Vertragsaufkündigung
zurückziehen. 4. Von dieser Vereinbarung wird die anhängige Feststellungsklage von Dr. S*** gegen die W***
G*** nicht berührt". Der Disziplinaranwalt teilte dem Kläger unter Hinweis auf die Anzeigerückziehung mit, daß er einen Antrag auf Einstellung des Disziplinarverfahrens stellen werde. Der Kläger hat vorwiegend Kassenpatienten. Im Zusammenhang mit der gegenständlichen Anzeigeerstattung hat sich sein in der Folge erzieltes Einkommen nicht verringert.
In seiner rechtlichen Beurteilung erachtete das Erstgericht die Anzeigeerstattung durch die beklagte Partei als gutgläubig erfolgt. Im übrigen sei die gegenständliche Anzeige nicht als Verbreitung von kreditschädigenden Tatsachen gemäß § 1330 Abs 2 Satz 1 ABGB, sondern als nichtöffentlich vorgebrachte Mitteilung zu qualifizieren. Für eine solche werde nicht gehaftet, weil der Mitteilende ein berechtigtes Interesse daran habe. Derartige Mitteilungen an Behörden, die nicht nur zur Verschwiegenheit, sondern auch zur gewissenhaften Nachprüfung der Angaben verpflichtet seien, erschienen selbst im Falle ihrer Unwahrheit nicht jedenfalls verpönt. Im Hinblick auf den guten Glauben der beklagten Partei hafte sie vorliegendenfalls somit nicht für ihre unwahre Mitteilung. Auch die von ihren Organen gegenüber Pressevertretern abgegebenen Erklärungen, wonach sie ausschließlich in schwerwiegenden Verdachtsfällen Anzeige erstattet habe, seien gutgläubig erfolgt, da zu diesem Zeitpunkt Anhaltspunkte für die Wahrheit der behaupteten Tatsachen bestanden hätten.
Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsansicht, Voraussetzung für die Pflicht zum Ersatz der durch eine falsche Anzeigeerstattung verursachten Rechtsberatungskosten sei die Bejahung eines Rechtsmißbrauches im Sinne des § 1295 Abs 2 ABGB. Eine Ersatzpflicht nach § 1330 Abs 2 ABGB entstehe dann, wenn eine verbreitete Tatsache unrichtig sei, wobei die Verbreitung entgegen der erstgerichtlichen Ansicht auch in einer Anzeigeerstattung an eine Behörde gelegen sein könnte. Die Frage, ob jemand die Unrichtigkeit der von ihm verbreiteten Tatsachen kennen habe müssen, stelle eine Rechtsfrage dar. Das Recht zur Strafanzeige (§ 86 StPO) erlaube, die Verdachtsgründe an Behörden mitzuteilen, bei deren objektiver Begründetheit ein Fahrlässigkeitsvorwurf ausscheide. Vermutungsmitteilungen seien in der Regel nicht vorwerfbar, weil die Behörde selbständig Ermittlungen zu führen habe. Wegen des allgemeinen staatlichen Interesses an der Mitwirkung der Bevölkerung bei der Strafrechtspflege dürfe der objektive Sorgfaltsmaßstab bei Vermutungsmitteilungen gegenüber der Behörde nicht zu hoch angesetzt werden. An all dem ändere auch § 34 Abs 4 des zwischen den Streitteilen geschlossenen Kassenvertrages nichts, weil damit kein Verzicht auf die Erstattung einer Strafanzeige erklärt worden sei. Eine Verpflichtung zu Ermittlungen vor Anzeigeerstattung bestehe grundsätzlich nicht. Entscheidend für die Berechtigung zur Anzeigeerstattung sei lediglich, ob ausreichende Verdachtsgründe bestanden. Vorliegendenfalls habe die 85-jährige Leopoldine O*** Angaben gemacht, aus welchen hervorgegangen sei, daß sie das Rezept nicht erhalten habe. Allein ihr hohes Alter habe keinen hinreichenden Grund für die Annahme einer Unrichtigkeit ihrer Angaben dargestellt. Ihr Hinweis, daß das Rezept nicht in ihrer Apotheke eingelöst worden sei, habe den von der beklagten Partei gehegten Verdacht noch bestärken müssen. Schließlich mache auch der geringe Preis der verschriebenen Augentropfen von 34,20 S die Anzeigeerstattung nicht leichtfertig, weil von der beklagten Partei nur Stichproben gemacht worden seien, deren positives Ergebnis den Verdacht auf weitere strafbare Handlungen nahegelegt habe. Auch mit den Erklärungen in der Pressekonferenz über einen "schwerwiegenden Verdacht" habe die beklagte Partei nur Wahrheitsgemäßes wiedergegeben und ihre Anzeigeerstattung motiviert, was sie selbst bei zwischenzeitiger Entkräftung des Verdachtes hätte tun können. In der Revision wird dagegen der Standpunkt vertreten, sowohl bei der Anzeigeerstattung als auch anläßlich der in der Pressekonferenz abgegebenen Erklärungen sei den Organen der beklagten Partei die Unrichtigkeit des gegen den Kläger erhobenen Vorwurfes bekannt gewesen oder hätte ihnen zumindest bekannt sein müssen. Im Hinblick auf die Vertragspflichten nach § 34 des Vertrages habe die beklagte Partei den Sachverhalt jedenfalls durch die ihr zur Verfügung stehenden Mitarbeiter (Mediziner, Pharmazeuten, Juristen) genauer prüfen und auch auf die Person des Klägers als Polizeiarzt Rücksicht nehmen sowie weiters bedenken müssen, daß er bisher keinen Anlaß zu Beanstandungen gegeben habe. Im Sinne des § 34 Abs 4 des Vertrages dürfe nur eine begründete Strafanzeige erstattet werden. Aus § 86 Abs 1 StPO folge im übrigen eine besondere Sorgfaltspflicht bei Anzeigeerhebungen. Die berufungsgerichtlichen Ausführungen über die mangelnde Vorwerfbarkeit von Vermutungsmitteilungen gegenüber den Behörden bezögen sich in ihrer allgemeinen Form nur auf die Anzeigeerstattung durch Private, bei welchen die Sorgfaltspflicht im Interesse der Strafrechtspflege nicht überspannt werden dürfe. Die Möglichkeiten der Wirtschaftspolizei hätten vorliegendenfalls lediglich in der Einvernahme der Frau O*** bestanden, was die beklagte Partei durch ihre Erhebungsbeamten aber in gleicher Weise hätte tun können. Öffentliche Behörden könnten den Sachverhalt gemäß § 84 StPO direkt der Staatsanwaltschaft anzeigen, doch müsse der Sachverhalt vorher genau geprüft werden. Die beklagte Partei habe somit ihre gesetzliche Sorgfaltspflicht nicht erfüllt und demgemäß fahrlässig gehandelt. Abgesehen von all dem reichten aber bereits die der beklagten Partei bekannten Umstände für eine Ausschließung jeden Tatverdachtes aus, nämlich das Vorliegen eines einzigen verdächtigen, noch dazu magistraliter verschriebenen Rezeptes, dessen geringer Wert, und zwar auch in Relation zum Einkommen des Klägers, die Stellung des Klägers als Polizeiarzt, das Fehlen jeglichen Verdachtes von Unregelmäßigkeiten seit Bestehen des Vertragsverhältnisses zwischen den Streitteilen sowie das äußere Bild der Beantwortung der Formularanfrage durch die 85-jährige Patientin, aus welcher deren Überforderung bei der Beantwortung der Fragen ersichtlich und erkennbar gewesen sei, daß sie sich "geirrt haben muß". Weiters sei bei der Besprechung mit Vertretern der Ärztekammer von Dr. N*** das gegenständliche Rezept als völlig unverdächtig bezeichnet worden, weshalb die beklagte Partei nicht mehr habe gutgläubig sein können. Dennoch hätten ihre Vertreter im Bewußtsein des Fehlens jeglicher weiterer Prüfung von schwerwiegendem Verdacht gesprochen.
Den Ausführungen des Revisionswerbers kann nicht gefolgt werden. Gemäß § 86 Abs 1 StPO ist jedermann, der von einer strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist, Kenntnis erlangt, berechtigt, sie anzuzeigen, wobei zur Annahme der Anzeige nicht bloß der Staatsanwalt, sondern auch der Untersuchungsrichter, das Bezirksgericht und die Sicherheitsbehörden verpflichtet sind. Diese haben die Anzeige dem Staatsanwalt zu übermitteln. Ämter und Behörden sind gemäß § 84 Abs 1 StPO verpflichtet, ihnen bekanntgewordene strafbare Handlungen dem Staatsanwalt anzuzeigen. In einer derart erstatteten Strafanzeige enthaltene, objektiv unrichtige Beschuldigungen sind, sofern sie den Rahmen eines sachdienlichen Vorbringens nicht überschreiten, wegen des staatlichen Rechtsverfolgungsinteresses nur dann rechtswidrig, wenn sie vom Anzeiger wider besseres Wissen erhoben wurden (EvBl 1975/37, 1985/55; 10 Os 61/78; SSt XXVI/70, VII/65, VII/84, VIII/3). In zivilrechtlicher Sicht ergibt sich dies aus § 1305 ABGB im Zusammenhang mit § 1330 Abs 2 letzter Satz ABGB (vgl. SZ 17/68; Reischauer in Rummel, ABGB, Anm. 26 zu § 1330; Koziol, Haftpflichtrecht 2 II 169, 177). Nach letzterer Gesetzesstelle wird für eine nichtöffentlich vorgebrachte Mitteilung, deren Unwahrheit der Mitteilende nicht kannte, nicht gehaftet, wenn er oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse hatte. Die solcherart erstattete Strafanzeige bleibt daher auch zivilrechtlich ohne Haftungsfolgen. Eine besondere Sorgfaltspflicht des Anzeigers in der Richtung, die vorliegenden Verdachtsgründe auf ihre Stichhältigkeit zu prüfen und das Für und Wider selbst abzuwägen, besteht nicht. Dies würde dem öffentlichen Interesse, den Behörden Kenntnis von strafbaren Handlungen zu verschaffen, widersprechen. Es genügt daher grundsätzlich das Vorliegen nicht offenkundig bereits widerlegter Verdachtsgründe für die Annahme, daß die Strafanzeige nicht wider besseres Wissen und somit rechtmäßig erstattet wurde.
Vorliegendenfalls steht in dritter Instanz unbekämpfbar fest, daß die beklagte Partei die Unrichtigkeit der Angaben der Leopoldine O*** nicht gekannt hat, sodaß die in ihrer durch § 34 des Vertrages nicht ausgeschlossenen - auch dort ist Öffentlichkeit vorausgesetzt - Anzeige vorgebrachten Beschuldigungen nicht wider besseres Wissen erfolgten. Einen Vorwurf absichtlicher Schadenszufügung im Sinne des § 1295 Abs 2 ABGB hat der Kläger gar nicht erhoben. Somit steht ihm aber kein Anspruch auf Ersatz seiner Vertretungskosten aus dem Titel des Schadenersatzes zu. Hinsichtlich des auf § 1330 Abs 2 ABGB gegründeten Feststellungsbegehrens des Klägers über ihm aus der Anzeigeerstattung bzw. aus den Erklärungen der Vertreter der beklagten Partei gegenüber der Presse entstehende zukünftige Schäden hätte der Kläger ein im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung (4.September 1984) bestehendes Interesse an dieser Feststellung dartun müssen. Ein solches wäre vorliegendenfalls nach der Judikatur (ZVR 1972/36; JBl 1975, 605 uva) dann gegeben, wenn nach diesem Zeitpunkt noch mit der Möglichkeit zukünftiger Schäden zu rechnen wäre. Der Mangel eines Feststellungsinteresses ist von Amts wegen auch im Rechtsmittelverfahren wahrzunehmen (SZ 26/116; JBl 1965, 316 uva).
Vorliegendenfalls steht fest, daß der Kläger im Zusammenhang mit der am 2.März 1983 erfolgten Anzeigeerstattung keinen Einkommensverlust erlitten hat. Da die Unrichtigkeit der in der Anzeige enthaltenen Vermutungen unbestritten ist und diese Anzeige demgemäß nach § 90 StPO zurückgelegt wurde, darüber hinaus sowohl das Personalbüro der Bundespolizeidirektion Wien als auch der Diszplinarrat der Ärztekammer für Wien hievon Kenntnis haben, ist es entgegen der Ansicht des Revisionswerbers aber auch auszuschließen, daß er in Zukunft im Zusammenhang mit der Anzeige "in seiner Karriere" behindert werden und hiedurch einen Vermögensschaden erleiden könnte. Demnach mangelt es hier aber an dem für ein Feststellungsbegehren erforderlichen Feststellungsinteresse. Schon aus diesem Grunde erweist sich die unterinstanzliche Abweisung auch des Feststellungsbegehrens im Ergebnis als zutreffend, sodaß auf die diesbezüglichen weiteren Revisionsausführungen nicht eingegangen werden muß.
Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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