Spruch:
Der Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen den bestätigenden Teil des Beschlusses des Rekursgerichtes richtet, zurückgewiesen; im übrigen wird dem Rechtsmittel nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die Ehe der Eltern des Minderjährigen ist rechtskräftig geschieden; die Elternrechte stehen der Mutter zu.
Im Zuge des Scheidungsverfahrens hatten die Eltern vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien eine Besuchsrechtsvereinbarung geschlossen, wonach dem Vater ein Besuchsrecht an jedem 2. und 4. Wochenende jeden Monats und während je einer Woche in jedem Sommer nach vorheriger Vereinbarung zustehe. Der Vater dürfe das Kind zur Ausübung des Besuchsrechtes an den oben genannten Wochenenden am Samstag 10 Uhr abholen und habe es am Sonntag um 18 Uhr zur Mutter zurückzubringen. Da dieser Vergleich bedingt für den Fall der Ehescheidung geschlossen wurde, das Scheidungsurteil aber infolge eines länger dauernden Rechtsmittelverfahrens bis hin zum Obersten Gerichtshof erst am 6. Oktober 1987 in Rechtskraft erwuchs, kam ihm keine praktische Bedeutung zu. Am 11.August 1987 (also noch vor rechtskräftiger Scheidung der Ehe) trafen die Eltern vor dem Pflegschaftsgericht eine Besuchsrechtsregelung, wonach diese den jeweiligen Abmachungen der Eltern vorbehalten bleibe, wobei sich die Mutter bereit erklärte, das Kind auch allein ohne ihr Beisein dem Vater zur Besuchsrechtsausübung zu überlassen.
Am 30.Oktober 1987 brachte der Vater vor, daß die mit Vergleich vom August 1987 vereinbarte flexible Besuchsrechtsregelung sich nicht bewährt habe. Er beantragte daher, sein Besuchsrecht in der Weise zu regeln, daß er berechtigt sei, sein Kind an jedem 1. und 3. Samstag des Monats um 8.30 Uhr von der mütterlichen Wohnung abzuholen, und verpflichtet sei, es am darauffolgenden Sonntag bis spätestens 19.30 Uhr dorthin zurückzubringen. Am 27.Oktober 1987 hatte die Mutter beantragt, das Besuchsrecht des Vaters überhaupt auszusetzen.
Mit Beschluß ON 51 wies das Erstgericht (Punkt 1.) diesen Antrag der Mutter ab. Hinsichtlich des Besuchsrechtsantrages des Vaters entschied es teilweise antragsgemäß (Punkt 2.). Dem Vater wurde ein Besuchsrecht zunächst an einem Sonntag im Monat - die Festlegung des Sonntages sollte der Vereinbarung der Eltern vorbehalten bleiben - von Samstag 9 Uhr bis Samstag 19 Uhr eingeräumt (1. und 2. Absatz) und ausgesprochen, daß nach Ablauf von drei Monaten und Rechtskraft des Beschlusses das Besuchsrecht des Vaters in der Weise erweitert werde, daß ihm das Besuchsrecht auch an einem 2. Sonntag des Monats - dessen genaue Festlegung ebenfalls der Vereinbarung der Eltern vorbehalten bleibe - in der oben beschriebenen Form zustehe (3. Absatz). Abgewiesen wurden der darüber hinausgehende Antrag des Vaters, das Kind bereits am Samstag um 8.30 Uhr jeweils abholen zu dürfen (4. Absatz), der zugleich mit der Beschwerde vom 18. Dezember 1987 gegen den Beschluß vom 16.November 1987 gestellte Antrag auf "Besuchsrechtsregelung 14-tägig" und Überlassung des Kindes zu Weihnachten für eine Woche (5. Absatz) und schließlich der Antrag des Vaters, ihm mittels einstweiliger Verfügung die Elternrechte über seinen Sohn zu übertragen und ihm das Kind sofort zu übergeben (6. Absatz).
Das Erstgericht legte seiner Entscheidung im wesentlichen folgende Feststellungen zugrunde:
Die Mutter Isabella S*** bewohnt gemeinsam mit dem Sohn Alexander seit Frühjahr 1986 eine Zimmer/Küche-Altbaugemeindewohnung im 19.Bezirk in Wien; die Wohnverhältnisse sind etwas beengt, die Wohnung ist aber sauber und gepflegt. Die Mutter hat vor der Geburt des zweiten Kindes, des mj.Robert, geboren am 28.August 1987, im Amalienbad als Masseuse gearbeitet. Hinsichtlich des mj. Robert ist ein Ehelichbestreitungsverfahren anhängig. Der nun fünfjährige Alexander besucht den Kindergarten der Gemeinde Wien und ist sehr gut in der Gruppe integriert. Er ist ein aufgewecktes und folgsames Kind. Die Mutter ist um seine Erziehung sehr bemüht. Das Verhältnis zwischen der Mutter Isabella S*** und ihrem geschiedenen Ehegatten Franz S*** ist noch sehr konfliktgeladen. Der mj.Alexander steht zwischen beiden Eltern und "bekommt diese Spannungen voll mit". Derzeit zeigt der Minderjährige offensichtlich eine gewisse Distanz und Ablehnung zum Vater und ist bemüht, zur Mutter "loyal" zu sein. Bedingt durch die lange Kontaktunterbrechung seit Oktober 1987 bedarf es nunmehr einer gewissen Eingewöhnungszeit, um einen für das Wohl des Minderjährigen positiven Kontakt zum Vater wieder herzustellen. Der begutachtende Psychologe Dr.K*** spricht sich dagegen aus, den Buben in Pflege und Erziehung des Vaters zu geben. Der mj.Alexander lebt seit seiner Geburt bei der Mutter, die als primäre Bezugsperson anzusehen ist. Alexander selbst gibt im Gespräch spontan an, nicht zum Vater zu wollen. Der projektive Test ergibt jedoch keine Hinweise auf eine konflikthafte Beziehung zum Vater. Grundsätzlich dient ein Besuchsrecht des Vaters durchaus dem Wohl des Kindes, doch ist derzeit mit Rücksicht auf die angespannten Beziehungen zwischen den Eltern eine langsame Kontaktanbahnung mit monatlich einmaligem Kontakt ohne Übernachten beim Vater angeraten. Vom Gutachter wird daher vorerst ein einmal monatliches Besuchsrecht tagsüber und nach etwa drei Monaten die Ausdehnung auf zwei monatliche Kontakte ebenfalls tagsüber empfohlen. Ein Besuchsrecht mit Nächtigung scheint vom psychologischen Standpunkt aus derzeit noch nicht ratsam, da Alexander in letzter Zeit unruhig schläft und nachts den Kontakt zur Mutter sucht.
Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs des Vaters teilweise Folge und änderte den Beschluß des Erstgerichts, der in seinem Punkt 1.) unangefochten geblieben war und hinsichtlich des 4., 5. und 6. Absatzes des Punktes 2.) bestätigt wurde, hinsichtlich der Absätze 1. bis 3. des Punktes 2.) dahin ab, daß dem Vater ein Besuchsrecht zu seinem mj. Sohn Alexander in der Form eingeräumt wurde, daß er berechtigt ist, das Kind am 1. und 3. Sonntag des Monats um 9 Uhr von der Wohnung der Mutter abzuholen, und verpflichtet ist, es bis 19 Uhr desselben Tages dorthin zurückzubringen. Die Mutter ist verpflichtet, das Kind dem Vater ausgehbereit zu übergeben. Übt der Vater sein Besuchsrecht nicht binnen einer halben Stunde ab Beginn aus, so wird angenommen, daß er für diesen Tag darauf verzichtet. Der darüber hinausgehende Antrag des Vaters, wonach das Besuchsrecht jeweils am Samstag um 8.30 Uhr beginnen solle und am Sonntag um 19.30 Uhr enden solle, wurde abgewiesen.
Das Rekursgericht führte aus, entgegen der Meinung des Vaters sei das Gutachten des psychologischen Dienstes der Stadt Wien, auf das sich das Erstgericht gestützt habe, eine durchaus taugliche Grundlage für die Feststellungen des Erstgerichts. Auf Grund dieses Gutachtens sei auch das Rekursgericht der Auffassung, daß nach den Gegebenheiten des Falles ein ausgedehnteres Besuchsrecht als zwei Tage im Monat nicht angezeigt sei. Ein Besuchsrecht im Ausmaß von zwei Tagen im Monat (statt zwei Wochenende mit Übernachtung) zu Kindern im Vorschulalter sei von der Rechtsprechung wiederholt als ausreichend angesehen worden. Wenngleich einem flexiblen, einvernehmlich gestalteten Besuchsrecht der Vorzug zu geben sei, habe sich doch gezeigt, daß dieser Versuch fehlgeschlagen sei. Dem Vater könne daher ein berechtigtes Interesse an einer genauen zeitlichen Fixierung der Besuchszeiten durch die gerichtliche Entscheidung nicht abgesprochen werden. Was die zeitliche Fixierung dieser beiden Besuchstage im Monat anlange, so habe der Vater den Zuspruch des ersten und dritten Wochenendes im Monat (von Samstag 8.30 Uhr bis Sonntag 19.30 Uhr) beantragt. Im Rekurs verweise er auf den Scheidungsvergleich, in dem als Besuchszeiten das 2. und 4. Wochenende von Samstag 10 Uhr bis Sonntag 18 Uhr vorgesehen waren. Wegen der Einseitigkeit des Rekursverfahrens habe die Mutter keine Gelegenheit gehabt, sich zu letzterem Begehren (2. und 4. Wochenende) zu äußern. Der ursprüngliche Besuchsrechtsantrag (1. und 3. Wochenende) sei ihr hingegen durch Übersendung der Protokollsabschrift zur Kenntnis gebracht worden, wobei sie keine Bedenken gegen Besuchstage gerade am 1. und 3. Wochenende äußerte, weshalb vom Rekursgericht auch der erste und der dritte Sonntag im Monat als Besuchstage bestimmt würden. Die vom Erstgericht festgesetzten Zeiten erwiesen sich als unbedenklich. Das Erstgericht habe das Ende mit 19 Uhr festgesetzt, formell beantragt sei
19.30 Uhr gewesen, im Rekurs werde allerdings auf den Scheidungsvergleich verwiesen, wo das Ende um 18 Uhr vorgesehen sei. Da 19.30 Uhr für Kinder dieses Alters grundsätzlich schon recht spät sei, habe es bei 19 Uhr zu bleiben.
Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs des Vaters, dessen Ausführungen zu einem Großteil in polemischen Angriffen gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes bestehen und in den Antrag auf "Wiederaufnahme des Verfahrens, Zeugenladungen, Befragung des Kindes und eine Entscheidung zum Wohle des Kindes und nicht zum Zweck der Konfliktverschärfung" münden. Außerdem beantragt der Vater, "bereits heute je zwei Wochen Sommer- und/oder Winterurlaub für 1989 bis 1990" als Besuchsrecht festzusetzen. Der Rechtsmittelantrag läßt im Zusammenhang mit den Rechtsmittelausführungen mit gerade noch hinreichender Deutlichkeit erkennen, daß der Vater die Abänderung des Beschlusses des Rekursgerichts im Sinne der Einräumung eines Besuchsrechts im Ausmaß von "zwei kompletten Wochenenden und/oder Sommer bzw. Winterferien" anstrebt und überdies die Vornahme ergänzender Erhebungen durch das Erstgericht, worin allenfalls ein Aufhebungsantrag erblickt werden könnte.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zum Teil unzulässig, im übrigen aber nicht berechtigt.
Soweit der Vater den bestätigenden Teil der Entscheidung des Rekursgerichts bekämpft, ist sein Rechtsmittel als außerordentlicher Revisionsrekurs im Sinne des § 16 Abs 1 AußStrG anzusehen. Gemäß § 16 Abs 1 AußStrG findet gegen eine bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes die Beschwerde an den Obersten Gerichtshof nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität statt. Der Revisionsrekurswerber macht keinen dieser Anfechtungsgründe ausdrücklich geltend. Mit seinem Vorbringen, mit dem er die Richtigkeit des Gutachtens des vom Erstgericht beigezogenen psychologischen Sachverständigen bekämpft und die Unterlassung der Berücksichtigung eines von ihm vorgelegten Privatgutachtens einer Sozialtherapeutin rügt, versucht er einen angeblichen Verfahrensmangel darzutun. Dem Anfechtungsgrund der Nullität könnte jedoch nur ein Verfahrensverstoß unterstellt werden, der seinem Gewicht nach einer Nichtigkeit gleichkommt (EFSlg 50.002 ua). Einen solchen Verfahrensverstoß vermochte der Rechtsmittelwerber jedoch in keiner Weise aufzuzeigen. Seine Ausführungen stellen vielmehr, soweit sie sich nicht in bloßer Polemik ohne entsprechendes sachliches Substrat erschöpfen, den Versuch einer im Rahmen eines außerordentlichen Revisionsrekurses unzulässigen Bekämpfung der Beweiswürdigung der Vorinstanzen dar (vgl. EFSlg 52.746 ua).
Die Rechtsmittelausführungen über die angebliche Vernachlässigung des Kindeswohls könnten dem Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit zugeordnet werden. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt jedoch nur dann vor, wenn ein Fall im Gesetz selbst ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (SZ 44/180; SZ 46/98 uva) oder das Gericht gegen ein Grundprinzip der Rechtsordnung, etwa durch gänzliche Außerachtlassung des Kindeswohls, verstoßen hat (EFSlg 52.759 uva).
Nach ständiger Rechtsprechung ist das Recht jedes Elternteils, mit dem Kind persönlich zu verkehren, ein Grundrecht der Eltern-Kind-Beziehung, somit ein allgemein anzuerkennendes Menschenrecht (EFSlg 48.275, 45.716, 43.216 uva). Zweck des Besuchsrechts ist es, eine auf der Blutsverwandtschaft beruhende Bindung zwischen Eltern und Kind aufrechtzuerhalten, eine gegenseitige Entfremdung zu verhindern und dem nicht erziehungsberechtigten Elternteil die Möglichkeit zu geben, sich von der Erziehung und dem Gesundheitszustand des Kindes zu überzeugen (EFSlg 48.278, 43.218 uva). Doch haben die Eigeninteressen der Eltern zurückzustehen; ausschlaggebend ist allein das Wohl der Kinder (EFSlg 48.276, 45.720 und 45.721 uva).
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen, von denen der Oberste Gerichtshof auszugehen hat, erscheint ein Besuchsrecht des Vaters mit Nächtigung des Kindes vom psychologischen Standpunkt derzeit nicht ratsam. In der vom Rekursgericht festgesetzten Besuchsrechtsregelung kann daher in keiner Weise eine gänzliche Außerachtlassung des Kindeswohls erblickt werden.
Wurden aber im Fall einer Entscheiung über die Besuchsrechtsregelung alle nach dem Gesetz zu berücksichtigenden Kriterien, insbesondere das Wohl des Kindes, in die anzustellenden Ermessenserwägungen einbezogen, dann liegt eine offenbare Gesetzwidrigkeit im Sinne des § 16 Abs 1 AußStrG nicht vor (EFSlg 44.656, 44.657, 49.966 uva).
Mangels Vorliegens einer der im § 16 AußStrG genannten Anfechtungsgründe mußte daher der außerordentliche Revisionsrekurs als unzulässig zurückgewiesen werden.
Selbst wenn den Ausführungen des Revisionsrekurses eine Bekämpfung auch des abändernden Teils der Entscheidung des Rekursgerichts unterstellt wird, kommt dem Rechtsmittel keine Berechtigung zu. Auch diesbezüglich vermochte nämlich der Rechtsmittelwerber keinen Verfahrensmangel aufzuzeigen. Unter Berücksichtigung der für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen und unter Hinweis auf die bezüglich des Besuchsrechts oben dargelegten Grundsätze kann auch in der vom Rekursgericht festgelegten Besuchsrechtsregelung keine Fehlbeurteilung erblickt werden.
Es war daher auch dem vom Vater erhobenen Rekurs nach § 14 Abs 1 AußStrG ein Erfolg zu versagen.
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