OGH 2Ob599/88

OGH2Ob599/887.2.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Robert M***,

Angestellter, Altendorf 76, 9411 St. Michael, vertreten durch Dr. Jakob Oberhofer, Rechtsanwalt in Lienz, wider die beklagte Partei V*** DER R***-B***

W***, reg.Gen.m.b.H., 9400 Wolfsberg, Herrengasse 102, vertreten durch Dr. Wolfgang Gewolf, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Nichtigerklärung von Beschlüssen der Generalversammlung, Streitwert S 310.000,--, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 15. Juni 1988, GZ 6 R 131/88-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 8. März 1988, GZ 24 Cg 392/87-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 10.766,25 (darin keine Barauslagen und S 978,75 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war Mitglied der beklagten Genossenschaft, von der er mit Vorstandsbeschluß vom 5. Juni 1987 gemäß § 7 Abs 1 lit c der Satzung ausgeschlossen wurde. Gegen diesen Beschluß erhob er gemäß § 7 Abs 3 der Satzung Beschwerde beim Aufsichtsrat der Genossenschaft, der am 3. Dezember 1987 nicht Folge gegeben wurde. Ein weiterer Rechtszug an Organe der Genossenschaft ist in der Satzung nicht vorgesehen. Mit der am 27. November 1987 beim Erstgericht überreichten und in der Folge geänderten Klage begehrte der Kläger die Feststellung, daß die im Ersturteil angeführten Beschlüsse der 57.Generalversammlung der beklagten Partei vom 15. Dezember 1986 und der 58.Generalversammlung vom 16.Juni 1987 nichtig seien, in eventu aufgehoben werden. Zur Begründung brachte er im wesentlichen vor, die Anberaumung der Generalversammlung zu den angeführten Terminen sei nicht gesetz- und satzungsgemäß erfolgt, die Beschlußfähigkeit nicht gegeben gewesen und die Einbringung des bankgeschäftlichen Unternehmens der R***-B*** W*** reg.Genossenschaft mbH in die

R***-B*** W*** AG, satzungswidrig. Der Ausschluß,

für den keine Gründe mitgeteilt wurden, sei rechtswidrig, da der Kläger keinen Anlaß hiezu gegeben habe. Der Aufsichtsrat habe den Kläger zu den angeblichen Ausschließungsgründen nicht gehört; er habe deshalb mangels einer Möglichkeit zur Rechtfertigung zu 24 Cg 405/87 des Landesgerichtes Klagenfurt auf Feststellung der Unwirksamkeit seines Ausschlusses aus der Beklagten geklagt. Im vorliegenden Verfahren sei die Rechtmäßigkeit seines Ausschlusses auf Vorfragenebene zu klären, weshalb er ungeachtet des Ausschlusses aktiv zur Klage legitimiert sei. Sein rechtliches Interesse an der streitgegenständlichen Feststellung sei gegeben.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte Klagsabweisung und brachte vor, die erwähnten Generalversammlungsbeschlüsse seien weder nichtig noch gesetz- oder satzungswidrig. Die Aktivlegitimation des Klägers werde bestritten, weil er nicht Genossenschafter der beklagten Partei sei und weil ihm das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung (§ 228 ZPO) fehle.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen fehlender Aktivlegitimation ab. Zur Rechtsfrage führte es aus, der Kläger sei nicht Mitglied der Beklagten; als Dritter könnte er nur bei Vorliegen eines rechtlichen Interesses auf Feststellung klagen, was aber von ihm nicht behauptet worden sei. Eine Prüfung der Rechtmäßigkeit des Ausschlusses auf Vorfragenebene führe zu keinem anderen Ergebnis, denn nach der Rechtsprechung habe eine spätere Aufhebung eines Ausschlusses keine rückwirkende Kraft. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hatte, S 300.000,-- übersteigt; ausgehend von den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichtes billigte es auch die rechtliche Beurteilung der ersten Instanz.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Klägers aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Aufhebung der Entscheidung und Rückverweisung an die erste Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger bekämpft insbesondere die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß die gerichtliche Unwirksamerklärung seines Ausschlusses als Genossenschaftsmitglied keine rückwirkende Kraft hätte und der Ausgeschlossene daher die vorher ergangenen Beschlüsse der Genossenschaftsorgane gegen sich gelten lassen müsse. Rechtswidrige Ausschließungsbeschlüsse seien nichtig und entfalteten daher keine, nicht einmal vorübergehende Rechtswirkungen. Der Kläger sei jedenfalls berechtigt, den vor seinem Ausschluß gefaßten Beschluß der Generalversammlung vom 15.12.1986 anzufechten. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Die Grundlage des Verhältnisses zwischen der Genossenschaft und ihren Mitgliedern ist die Satzung, die grundsätzlich für jedes Mitglied bindend ist (vgl. HS 8493 ua). Genossenschaften sind bei der Regelung der Bedingungen für die Ausschließung eines Genossenschafters (§ 5 Z 4 GenG) autonom, auch hinsichtlich der Ausschließungsgründe und der Verfahrensbestimmungen über den Ausschluß (vgl. EvBl 1987/102 ua). Im Streitfall hat das Gericht darüber zu entscheiden, ob der Ausschluß eines Genossenschafters unter Einhaltung der Verfahrensbestimmungen des Statuts und materiell richtig vor sich gegangen ist (vgl. HS 7519 ua). Daraus kann abgeleitet werden, daß die Bestimmungen des Statuts der Genossenschaft auch bei der gerichtlichen Überprüfung des Ausschlusses eines Genossenschafters nicht außer Betracht bleiben dürfen.

Werden diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewendet, ist zu berücksichtigen, daß nach den diesbezüglich gleichlautenden Bestimmungen der Satzungen der R***-B*** W***

reg.Gen.mbH (§ 7 Abs 3 und 4) bzw. der Verwaltungsgenossenschaft der R***-B*** W*** reg.Gen.mbH. (§ 6 Abs 3 und 4) der Ausgeschlossene das Recht hat, innerhalb von acht Tagen ab der Zustellung des Vorstandsbeschlusses über den Ausschluß Beschwerde beim Aufsichtsrat zu erheben, der endgültig entscheidet (Abs 3). Bis zur Entscheidung des Aufsichtsrates kann der Ausgeschlossene seine Mitgliedsrechte nicht ausüben (Abs 4). Diesen Bestimmungen kann der Zweck entnommen werden, die Rechtswirkungen eines Ausschlusses in der Richtung zu begrenzen, daß ein Schwebezustand hinsichtlich der Ausübung der Mitgliedsrechte zwischen dem Ausschlußbeschluß des Vorstandes und der endgültigen Entscheidung des Aufsichtsrates, der jedenfalls eine Rechtsunsicherheit bewirken würde, möglichst vermieden wird.

Was nun das Recht der Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen betrifft, ist zu berücksichtigen, daß gerade diese Beschlüsse weitgehend die Grundlage für das Schicksal einer Genossenschaft darstellen. Man denke etwa an die Bestellung der Organe, an Beschlüsse über große Investitionen, an die Warenrückvergütung oder Haftungsveränderungen bei den Genossenschaften, auf Verschmelzungsbeschlüsse usw. Diese und andere Beschlüsse verlangen möglichst rasche Klärung und Sicherheit, ob sie wirksam sind oder nicht. Das liegt im Interesse der Gesellschaft (oder Genossenschaft) und der Gesellschafter und dient der Vermeidung von Erschwernissen des Verkehrs. Es kann für die Existenz einer Gesellschaft von sehr schwerwiegender Wirkung sein, wenn die Gültigkeit wichtiger Beschlüsse lange Zeit zweifelhaft bleibt. Dies kann zu einer unerträglichen Erschütterung der Rechtssicherheit führen und zur Unsicherheit der wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft (vgl. Reischauer in JBl. 1967, 9). Dieselben Wirkungen müßten aber in Kauf genommen werden, wenn die Feststellung der Unwirksamkeit des Ausschlusses eines Genossenschafters durch das Gericht diesem rückwirkend die Möglichkeit eröffnen würde, sämtliche bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung, die oft erst nach langer Verfahrensdauer eintreten wird, ergangenen Generalversammlungsbeschlüsse anzufechten und unter Umständen deren Nichtigerklärung herbeizuführen, da gerade dadurch eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Rechtssicherheit und auch der wirtschaftlichen Verhältnisse der Genossenschaft verursacht werden könnte. Der erkennende Senat vertritt daher die Auffassung, daß nach den Umständen des vorliegenden Falles insbesondere unter Bedachtnahme auf die angeführten Bestimmungen des Statuts der Beklagten, auch eine allfällige gerichtliche Feststellung der Unwirksamkeit des Ausschlusses des Klägers diesen nicht zurückwirkenden Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen berechtigen würde, die vor der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung ergangen sind.

Die Frage der generellen Rückwirkung von gerichtlichen Entscheidungen über die Feststellung der Unwirksamkeit des Ausschlusses eines Genossenschafters, und zwar ohne Rücksicht auf die Bestimmungen des jeweiligen Statuts, kann daher im vorliegenden Fall unerörtert bleiben. Ebenso erübrigt sich eine Prüfung der Wirksamkeit des Ausschlusses des Klägers als Vorfrage. Die Auffassung des Berufungsgerichtes, ein rechtliches Interesse des Klägers als außenstehendem Dritten an der alsbaldigen Feststellung der Nichtigkeit der von ihm angefochtenen Generalversammlungsbeschlüsse sei zu verneinen, weil ein aktueller Anlaß zu einer Klärung der Rechtsbeziehungen des Klägers als Drittem zur Genossenschaft durch Feststellungsurteil nur dann bestehen würde, wenn er sein Begehren aus Rechtsbeziehungen ableiten könnte, die unabhängig von der hier in den Vordergrund gerückten Frage seiner Mitgliedschaft bestehen, was aber nicht der Fall sei, wird in der Revision nicht bekämpft, so daß diesbezüglich auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden kann.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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