Spruch:
1.) Die Revision wird insoweit, als sie sich gegen den Zuspruch eines Teilbetrages von 6.000 S sA richtet, zurückgewiesen.
2.) Im übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 11.557,26 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.926,21 S an USt.) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 16.7.1984 ereignete sich gegen 17.40 Uhr im Ortsgebiet von Wels auf der Kreuzung der Hans-Sachs-Straße mit dem Steiningerweg ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger mit dem von Gerhard T*** gehaltenen Moped KTM Hobby (O 76.607) und der Erstbeklagte mit seinem bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten Kombinationskraftwagen Mazda 323 (O 756.972) beteiligt waren. An dem vom Kläger gelenkten Moped entstand dabei Totalschaden in der Höhe von 6.000 S. Der daraus resultierende Ersatzanspruch wurde von Gerhard T*** dem Kläger abgetreten.
Der Kläger begehrte von den Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall die Bezahlung von 326.000 S sA (320.000 S an Schmerzengeld und 6.000 S für das beschädigte Moped) sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für alle künftigen Schäden des Klägers aus diesem Unfall, die Haftung der zweitbeklagten Partei beschränkt nach Maßgabe der zugrundeliegenden Haftpflichtversicherung. Er sei mit dem Moped auf der bevorrangten Hans-Sachs-Straße in westlicher Richtung gefahren, um die ampelgeregelte Kreuzung mit dem Steiningerweg bei Grünlicht in gerader Richtung zu überqueren. Infolge eines nach der Kreuzung aufgetretenen Rückstaues habe sich vor der Kreuzung eine stehende Kolonne von einigen Kraftfahrzeugen gebildet, an denen er am äußersten rechten Fahrstreifen vorbeigefahren sei. Der Erstbeklagte habe den Unfall infolge Verletzung seines Vorranges allein verschuldet. Ein Mitverschulden treffe ihn nicht, weil er auf der 10 m breiten Straße an der stehenden Kolonne habe vorbeifahren dürfen und ihm auch keine verspätete Reaktion anzulasten sei. Im Hinblick auf die Verletzungen, die er bei dem Unfall erlitten habe, sei unter Berücksichtigung der eingetretenen Dauerfolgen sowie der Gefahr von Spätkomplikationen das begehrte Schmerzengeld und das Feststellungsbegehren berechtigt.
Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung sowohl des Leistungs- als auch des Feststellungsbegehrens, weil den Kläger das alleinige Verschulden an dem Unfall treffe. Der Erstbeklagte sei wegen des Rückstaues auf der Hans-Sachs-Straße berechtigt in die Kreuzung eingefahren; darüber hinaus habe der auf dem linken Fahrstreifen der Hans-Sachs-Straße an der Kreuzung anhaltende Fahrzeuglenker angezeigt, er könne im Zuge des Steiningerweges die Kreuzung durchfahren. Ein Querverkehr sei für den Erstbeklagten nicht sichtbar gewesen, er habe auch nicht damit rechnen müssen, daß der Kläger sich an der stehenden Kolonne rechts vorbeischlängeln werde. Das Schmerzengeld sei überhöht geltend gemacht worden, Spätfolgen seien nicht zu erwarten.
Das Erstgericht erkannte - vom Alleinverschulden des Erstbeklagten ausgehend - die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger 256.000 S samt stufenweisen Zinsen zu bezahlen und gab dem Feststellungsbegehren unter Abweisung eines Leistungsmehrbegehrens von 70.000 S sA statt. Die vom Erstgericht über den bereits wiedergegebenen Sachverhalt hinaus getroffenen Feststellungen lassen sich im wesentlichen wie folgt zusammenfassen:
In Annäherung an die Kreuzung von Osten kommend (Fahrtrichtung des Klägers stadteinwärts gesehen) verläuft die Hans-Sachs-Straße über mehrere 100 m völlig gerade und übersichtlich und weist eine asphaltierte Breite von zunächst 12 m auf. Auf der Fahrbahn verläuft eine Leitlinie, so daß der stadteinwärts gesehen links der Leitlinie gelegene Fahrbahnteil bis zur Bordsteinkante vorerst eine Breite von 6 m aufweist. Dieser Fahrbahnteil verjüngt sich ohne Änderung der Lage der Leitlinie in bezug auf die Fahrbahnlängsachse durch den linksseitig vorspringenden Gehsteigbereich ab etwa 5 m vor dem im Mittel rund 4 m vor der Fluchtlinie zum Steiningerweg über die Hans-Sachs-Straße führenden Schutzweg auf eine Breite von 4 m. Die Breite des rechts der Leitlinie gelegenen Teiles der Fahrbahn der Hans-Sachs-Straße beträgt bis an die Kreuzung heran gleichbleibend 6 m. Auf Höhe des rechtwinkelig die Hans-Sachs-Straße querenden Schutzweges sind rechts und links des Fahrbahnrandes und über der Fahrbahnmitte die Ampeln für die Hans-Sachs-Straße angebracht, mit denen eine Ampelregelung des Schutzweges erfolgt (Fußgängerdrückampel). Kurz vor dem Schutzweg an der Kreuzung ist am rechten Fahrbahnrand der Hans-Sachs-Straße das Gebotszeichen "vorgeschriebene Fahrtrichtung geradeaus oder nach rechts" angebracht. Nach dem Kreuzungsbereich mit dem Steiningerweg verläuft die Hans-Sachs-Straße stadteinwärts wieder in einer Breite von 12 m weiter bis an die Osttangente. Erst unmittelbar vor der Osttangente ist die Fahrbahn durch entsprechende Bodenmarkierungen in vier Fahrspuren unterteilt. Der aus Richtung Süden im rechten Winkel an die Hans-Sachs-Straße heranführende Steiningerweg weist eine Breite von 8,5 m und an der Fluchtlinie zur Hans-Sachs-Straße eine Trichterlänge von 15 m auf; er ist vor dem Kreuzungsbereich zur Hans-Sachs-Straße dieser gegenüber durch das Vorschriftszeichen "Vorrang geben" abgewertet. Für den Steiningerweg selbst besteht keine Ampelregelung. Er wird in Richtung Norden an die Hans-Sachs-Straße heran (Fahrtrichtung des Erstbeklagten) als Einbahnstraße, nach der Kreuzung aber in beide Fahrtrichtungen geführt. Für die aus Richtung Süden auf dem Steiningerweg an die Hans-Sachs-Straße herankommenden Verkehrsteilnehmer (Fahrtrichtung des Erstbeklagten) besteht an der Kreuzung auf Grund der Örtlichkeiten keine Sichtbehinderung nach rechts auf die Hans-Sachs-Straße, weil das stadteinwärts gesehen linksseitig stehende letzte Haus vor der Kreuzung weit zurückversetzt ist. Im Kreuzungsbereich verlaufen die Fahrbahnen eben, die kreuzenden Straßenzüge sind niveaugleich, der Fahrbahnbelag besteht aus Rutschasphalt. Zur Unfallszeit war es sonnig, die Fahrbahn trocken, es bestanden keine atmosphärischen Sichtbehinderungen. Am Unfallstag fuhren auf der Hans-Sachs-Straße sowohl auf dem links, als auch auf dem rechts der Leitlinie gelegenen Fahrbahnteil mehrere PKWs im Zuge einer Kolonne zur Kreuzung mit dem Steiningerweg und weiter Richtung Osttangente. Da im weiteren Verlauf die Ampel für die Hans-Sachs-Straße vor der Osttangente auf Rotlicht schaltete, kamen die Fahrzeugkolonnen links und rechts der Leitlinie bis nach der Kreuzung mit dem Steiningerweg zum Stillstand. Auf Grund dieses Rückstaus bis zur Kreuzung mit dem Steiningerweg hielt eine in der links der Leitlinie fahrende Kolonne befindliche PKW-Lenkerin ihr Fahrzeug vor dem Schutzweg vor der Kreuzung mit dem Steiningerweg an, um so den Kreuzungsbereich frei zu halten. Auch der in der Kolonne rechts der Leitlinie mit seinem PKW fahrende Dipl.Ing.W*** brachte wegen der vor ihm bis zur Kreuzung heranreichenden Kolonne sein Fahrzeug vor dem Schutzweg vor der Kreuzung mit dem Steiningerweg zum Stillstand, wenngleich damals die für die Regelung des Fußgängerverkehrs auf dem Schutzweg vor der Kreuzung bestimmte Ampel Grünlicht zeigte. Der Kläger fuhr zunächst etwa eingereiht im Zuge der rechten Kolonne. Als die Kolonne hinter dem anhaltenden PKW Dipl.Ing.W*** immer langsamer wurde und schließlich zum Stillstand kam, scherte er mit seinem Moped etwa 70 bis 80 m vor der Kreuzung nach rechts aus und fuhr an der letztlich schon stehenden rechten Kolonne mit einer Geschwindigkeit von 30 bis 40 km/h vorbei, zumal zwischen der rechts der Leitlinie befindlichen, durchgehenden Kolonne und dem rechten Fahrbahnrand insbesondere auf Höhe des PKWs Dipl.Ing.W*** eine freie Fahrbahnbreite von zumindest 3 m bestand. Der Kläger hielt dabei mit dem Moped eine Fahrlinie ein, die bezogen auf die Radaufstandspunkte (Lenkerbreite des Mopeds: 80 cm) etwa 2 m vom rechten Fahrbahnrand der Hans-Sachs-Straße entfernt lag. Er beabsichtigte - zumal die für die Regelung des Fußgängerverkehrs bestimmte Ampel nach wie vor grün zeigte - die Kreuzung geradeaus zu übersetzen, zunächst im - wie vor der Kreuzung - freien Raum rechts neben der rechten Kolonne, wie schon zuvor entlang zu fahren und dann nach einigen Metern das Moped am rechten Fahrbahnrand abzustellen. Währenddessen hatte sich der Erstbeklagte mit seinem PKW auf dem Steiningerweg aus Richtung Süden kommend der Kreuzung mit der Hans-Sachs-Straße genähert. Auf Grund des regen Verkehrsaufkommens auf der Hans-Sachs-Straße hielt der Erstbeklagte sein Fahrzeug vor der Fluchtlinie zunächst an und wartete ab. Nachdem die PKW-Lenkerin in der links der Leitlinie der Hans-Sachs-Straße befindlichen Kolonne ihr Fahrzeug vor dem Schutzweg zum Stillstand gebracht und auch Dipl.Ing.W*** mit seinem PKW ebenfalls vor dem Schutzweg angehalten hatte, nahm der Erstbeklagte mit der PKW-Lenkerin zunächst Blickkontakt auf, die ihm ein Zeichen gab, daß er die Kreuzung überqueren könne. Da auch Dipl.Ing.W*** vor dem Schutzweg angehalten hatte, fuhr der Erstbeklagte aus seiner Stillstandsposition an der Fluchtlinie zur Hans-Sachs-Straße mit eingelegtem ersten Gang und normaler Beschleunigung los, um die Hans-Sachs-Straße geradlinig zu überqueren und dann nach der Kreuzung im Steiningerweg weiterzufahren. Schon beim Einfahren in den Kreuzungsbereich war dabei für den Erstbeklagten die erhebliche freie Fahrbahnbreite zwischen dem PKW Dipl.Ing.W*** und dem rechten Fahrbahnrand der Hans-Sachs-Straße erkennbar, die der Erstbeklagte selbst mit etwa 2 m abschätzte. Im Zuge des Überquerens der Kreuzung erreichte der Erstbeklagte mit seinem PKW eine Geschwindigkeit von rund 15 km/h, die er auch einhielt, als er die Vorderfront des PKWs Dipl.Ing.W*** passierte. Währenddessen war auch der Kläger, für den die Fußgängerampel nach wie vor grün zeigte, mit dem Moped und einer Geschwindigkeit von 30 bis 40 km/h in die Kreuzung eingefahren, worauf er etwa gegen das letzte Drittel der rechten Seite des Kombis des Erstbeklagten stieß. Dabei lag die Kollisionsstelle etwa 7 m nach dem Schutzweg auf der Hans-Sachs-Straße und rund 2 m links der Verlängerung des rechten Fahrbahnrandes der Hans-Sachs-Straße. Für die beiden Fahrzeuglenker war eine objektive Sicht auf die beteiligten Fahrzeuge auf Grund der Kolonnenbildung auf der Hans-Sachs-Straße erst möglich, als die Vorderfront des Fahrzeuges des Beklagten über die rechte Fahrzeugbegrenzung des PKWs Dipl.Ing.W*** vorkam. Für den Erstbeklagten wäre die Kollision dann vermeidbar gewesen, wenn er sich schrittweise (3 bis 4 Sekunden über den ersten Meter) über die rechte Fahrzeugbegrenzung des PKWs Dipl.Ing.W*** vorgetastet hätte. Für den Kläger hätte sich eine Unfallvermeidung praktisch nur dann ergeben, wenn er eine Geschwindigkeit von knapp 10 km/h eingehalten hätte, bei der er sein Fahrzeug beim Vorbeifahren am PKW Dipl.Ing.W*** auf 3 bis 3,5 m, also noch vor dessen Vorderfront hätte anhalten können. Tatsächlich betrug die Annäherungs- und Kollisionsgeschwindigkeit des Erstbeklagten rund 15 km/h und für den Kläger 30 bis 40 km/h; beide Fahrzeuglenker kamen praktisch zu keiner wirksamen Abwehrhandlung mehr. Der Erstbeklagte wurde auf den Kläger erst bei der Kollision aufmerksam; er bremste ab und kam etwa 3,7 m nach der Fluchtlinie der Hans-Sachs-Straße im nördlichen Teil des Steiningerweges zum Stillstand. Ein Reaktionsverzug des Klägers auf das Vorkommen der Front des Beklagtenfahrzeuges über die rechte Seitenbegrenzung des PKWs Dipl.Ing.W*** lag nicht vor, weil der Erstbeklagte bei seiner Geschwindigkeit von rund 15 km/h den einen Meter zur Kollisionsstelle in deutlich weniger als einer Sekunde zurücklegte.
Das Erstgericht traf dann noch im einzelnen Feststellungen über die Verletzungen des Klägers bei diesem Unfall, deren Behandlung, die damit verbundenen Schmerzen und die verbliebenen Dauerfolgen. Rechtlich kam das Erstgericht zu dem Ergebnis, daß den Erstbeklagten das Alleinverschulden am streitgegenständlichen Unfall treffe, weil der Kläger grundsätzlich Vorrang gehabt habe, auf seinen Vorrang gegenüber dem Erstbeklagten nicht verzichtet habe und mit Rücksicht auf die dem Kläger zur Verfügung gestandene Durchfahrtsbreite auch von einem verbotenen "Vorschlängeln" im Sinn des § 12 Abs 5 StVO nicht gesprochen werden könne. Den festgestellten Verletzungen und Schmerzen körperlicher und psychischer Art erachtete es ein Schmerzengeld von 250.000 S angemessen, sodaß es dem Kläger diesen Betrag zuzüglich des Fahrzeugschadens zusprach. Das Feststellungsinteresse des Klägers erkannte es im Hinblick auf die möglichen weiteren unfallsbedingten Komplikationen als berechtigt.
Das Gericht zweiter Instanz gab keiner der von beiden Teilen erhobenen Berufungen Folge. Es erkannte den in der Berufung der Beklagten vorgetragenen Beweis- und Mängelrügen keine Berechtigung zu und nahm zu der von den Beklagten in Ansehung ihrer Haftung erstatteten Rechtsrüge - die in den Berufungen im übrigen erörterte Frage der Höhe des Schmerzengeldes ist nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens - im wesentlichen wie folgt Stellung:
Nach der neuesten höchstgerichtlichen Rechtsprechung liege der Zweck der Vorschrift des § 12 Abs 5 StVO darin, das "Vorbeischlängeln" einspuriger Fahrzeuge an mehreren angehaltenen Fahrzeugen vorbei, hintanzuhalten. Von einem Vorschlängeln könne aber nicht gesprochen werden, wenn nicht auf dem Fahrstreifen gefahren werde, auf dem eine Kolonne aufgestaut sei, sondern auf einem anderen der für diese Fahrtrichtung bestimmt sei und auf dem sich keine angehaltenen Fahrzeuge befänden. Sei aber für die betreffende Fahrtrichtung mehr als ein Fahrstreifen vorhanden, so sei es dem Lenker eines einspurigen Fahrzeuges nicht verboten, an einer auf einem Fahrstreifen aufgestauten Kolonne auf einem anderen Fahrstreifen vorbeizufahren. Da ein Fahrstreifen nicht in jedem Falle eine Breite von 2,5 m aufweisen müsse (§ 9 Abs 2 Bodenmarkierungsverordnung), habe das Höchstgericht in der Entscheidung ZVR 1988/120 auch bei einer nur zur Verfügung stehenden Durchfahrtsbreite von 1,4 m kein verbotenes "Vorschlängeln" angenommen. Ausgehend von dieser Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und von der von der Berufung der Beklagten zugestandenen Tatsache, daß dem Kläger (jedenfalls) eine Durchfahrtsbreite von 2 m zur Verfügung gestanden habe, könne es nicht von rechtserheblicher Bedeutung sein, daß östlich der Kreuzung mit dem Steiningerweg auf der Hans-Sachs-Straße südlich des rechten Fahrbahnrandes, in Fahrtrichtung des Klägers gesehen, lediglich eine Leitlinie angebracht sei und diese Leitlinie vom rechten Fahrbahnrand einen Abstand von 6 m aufweise. Das Vorhandensein von mehreren Fahrstreifen sei entgegen der Ansicht der beklagten Parteien nicht davon abhängig, daß diese Fahrstreifen je durch Bodenmarkierungen eingegrenzt seien. Das Erstgericht habe daher zutreffend einen Verstoß des Klägers gegen § 12 Abs 5 StVO verneint. Die Beklagten hätten zur Behauptung eines Verstoßes gegen die Bestimmungen der §§ 17 Abs 4 und 18 Abs 3 StVO im erstinstanzlichen Verfahren die Stellung eines Beweisanbotes unterlassen. Es sei daher davon auszugehen, daß der Beweis des Vorliegens einer Situation für den Kläger, welche in den vorhin zitierten Gesetzesstellen umschrieben sei, den hiefür beweispflichtigen Beklagten mißlungen sei. Dieser Umstand müsse bei der rechtlichen Beurteilung mit Rücksicht auf ihre Beweispflicht zu ihrem Nachteil gewertet werden. Was den Vorwurf der Berufung der Beklagten betreffe, der Kläger sei mit einer überhöhten Geschwindigkeit in die Kreuzung eingefahren, sei vorerst darauf zu verweisen, daß das Erstgericht eine Geschwindigkeit von 30 bis 40 km/h und nicht eine solche von 40 km/h festgestellt habe. Mit Rücksicht auf die diesbezügliche Beweispflicht und den Umstand, daß Unklarheiten zu Lasten des Beweispflichtigen gingen, sei der rechtlichen Beurteilung hinsichtlich der Geschwindigkeit des Klägers der untere Wert von 30 km/h zugrunde zu legen. Da ferner bei der rechtlichen Würdigung davon auszugehen sei, daß der Kläger berechtigterweise in die Kreuzung eingefahren sei, könne diese Geschwindigkeit jedenfalls nicht mehr als ein Verschulden gewertet werden, welches zu einer Ausgleichspflicht im Sinne des § 11 Abs 1 EKHG zu führen hätte. Die Berufung der Beklagten habe somit erfolglos bleiben müssen.
Gegen diese Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die auf die Anfechtungsgründe des § 502 Z 2 und 4 ZPO gestützte Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der gänzlichen Abweisung der Klagebegehren abzuändern.
Der Kläger beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist insoweit, als sie sich gegen den Zuspruch von 6.000 S sA richtet, gemäß § 502 Abs 2 Z 2 ZPO unzulässig, weil gleichartige Forderungen verschiedener Gläubiger - so wie hier - aus demselben Unfallsereignis, die durch Zession auf den Kläger übergingen, nicht zusammenzurechnen sind (vgl Arb 7295; SZ 57/17 ua). Im übrigen ist die Revision nicht berechtigt.
Die in der Revision vorerst geltend gemachte Mangelhaftigkeit (§ 503 Z 2 ZPO) ist nicht gegeben, weil deren Vorliegen bereits vom Berufungsgericht verneint wurde, und sie daher nach ständiger Rechtsprechung (EvBl 1968/344 u.v.a.) im Revisionsverfahren nicht neuerlich geltend gemacht werden kann.
In ihrer Rechtsrüge halten die Beklagten an ihrer Ansicht fest, der Unfall sei nicht aus dem Alleinverschulden des Erstbeklagten zustandegekommen, er sei vielmehr auf das alleinige Verschulden des Klägers zurückzuführen. Der Kläger habe nämlich die Vorschrift des § 18 Abs 3 StVO mißachtet und sich deshalb nicht im Vorrang befunden; er hätte den Erstbeklagten passieren lassen müssen. Der Erstbeklagte hingegen habe darauf vertrauen dürfen, daß die in der Hans-Sachs-Straße vorgesehenen Fahrbahnen bereits mit Verkehrsteilnehmern besetzt gewesen seien, die ihm der StVO entsprechend Platz zum Durchfahren ließen, und nicht damit rechnen müssen, ein anderer Verkehrsteilnehmer werde die Vorschrift des § 18 Abs 3 StVO nicht einhalten. Dem kann nicht gefolgt werden. Insoweit die Beklagten bei diesen Ausführungen von der Annahme ausgehen, eine Weiterfahrt wäre für den Kläger jenseits der Kreuzung nicht möglich gewesen, weil dort "kein freier Raum für Verkehrsteilnehmer" vorhanden gewesen sei, dieser wäre ja dann von anderen Verkehrsteilnehmern benützt worden, bringen sie ihre Rechtsrüge nicht dem Gesetz entsprechend zur Darstellung. Denn nach den Feststellungen der Vorinstanzen fuhren damals auf der Hans-Sachs-Straße (nur) zwei Fahrzeugkolonnen in Richtung Osttangente, die wegen Rotlichtes vor der Osttangente bis nach der nachmaligen Unfallskreuzung zum Stillstand kamen, und blieben auf der Hans-Sachs-Straße vor dem Schutzweg vor der Kreuzung - trotz Grünlichtes in ihrer Fahrtrichtung - sowohl links von der auf der Fahrbahn angebrachten Leitlinie, als auch rechts davon je ein Kraftfahrzeug - in der linken Kolonne eine PKW-Lenkerin, in der rechten Dipl.Ing.W*** - stehen, um den Kreuzungsbereich freizuhalten, wobei zwischen der rechts der Leitilinie befindlichen Fahrzeugkolonne - insbesondere auf Höhe des PKWs
Dipl.Ing.W*** - und dem rechten Fahrbahnrand eine "freie Fahrbahnbreite" von jedenfalls mindestens 2 m bestand. Der Kläger benützte bei seiner Weiterfahrt diesen freien Raum der Fahrbahn. Im Hinblick auf die Breite der Fahrbahn der Hans-Sachs-Straße jenseits des Steiningerwegs von 12 m und vor der Kreuzung von 10 m, wovon der rechts der Leitlinie befindliche Fahrbahnteil 6 m breit war, und das Vorhandensein von nur zwei Fahrzeugkolonnen kann keine Rede davon sein, der Kläger wäre im Sinne des § 18 Abs 3 StVO als Lenker hintereinander fahrender Fahrzeuge wegen des Heranreichens einer Reihe auf demselben Fahrstreifen anhaltender Fahrzeuge zurück bis zum Steiningerweg verpflichtet gewesen, sein Fahrzeug anzuhalten, um den Verkehr auf der Querstraße nicht zu behindern. Unter Bedachtnahme auf die Breite der als Einbahn geführten Fahrbahn der Hans-Sachs-Straße unmittelbar vor der Kreuzung (10 m) und nach der Kreuzung (12 m) war jedenfalls mehr als ein Fahrstreifen (in der betreffenden Richtung) vorhanden; dem Kläger war es damit erlaubt, an den hinter dem PKW Dipl.Ing.W*** angehaltenen Kraftfahrzeugen und diesem PKW selbst vorbeizufahren (§ 17 Abs 4 StVO) und - da die im Bereich des Fußgängerüberganges angebrachten Ampeln (Fußgängerdrückampel) in seiner Fahrtrichtung Grünlicht zeigten, die Fahrzeuge also nicht vor dem Fußgängerübergang angehalten hatten, um Fußgängern das Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen (§ 17 Abs 3 StVO) - auch in den Kreuzungsbereich einzufahren.
Es entspricht weiters der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß selbst ein Verstoß gegen das Vorbeifahrverbot des § 17 Abs 4 StVO und das Anhaltegebot des § 18 Abs 3 StVO keinen Einfluß auf die Vorrangregeln haben (vgl Dittrich-Stolzlechner, Anm 27 a) zu § 17 StVO; ZVR 1982/154 ua), sodaß nicht erkennbar ist, aus welchem Grund dem Kläger gegenüber dem auf dem benachrangten Steiningerweg kommenden Erstbeklagten der Nachrang hätte zukommen sollen (§ 19 Abs 4 StVO), zumal auch der von den Lenkern der vor der Kreuzung angehaltenen Fahrzeuge dadurch zum Ausdruck gebrachte Vorrangverzicht nur für deren eigenen Vorrang, nicht aber auch für jenen des Klägers galt (ZVR 1974/62 ua). Die Vorinstanzen haben daher zu Recht dem Erstbeklagten, der unter den gegebenen Umständen nicht darauf vertrauen durfte, andere Fahrzeuglenker würden sich ebenfalls an diesen Verzicht halten (ZVR 1974/62 ua), und nicht dem Kläger eine Vorrangverletzung zur Last gelegt.
Zu Unrecht machen die Revisionswerber den Vorinstanzen weiters zum Vorwurf, sie hätten rechtsirrig dem Kläger keinen Verstoß gegen die Bestimmung des § 12 Abs 5 StVO angelastet. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, daß von einem "Vorbeischlängeln" nicht gesprochen werden kann, wenn - so wie hier - der Lenker des einspurigen Fahrzeuges nicht den allein vorhandenen Fahrstreifen, auf dem sich auch die Kolonne aufgestaut hatte, befuhr, sondern einen weiteren mindestens 2 m breiten freibleibenden Fahrbahnteil benützte, der sich neben einer Reihe von Kraftfahrzeugen befindet, die auf einem rechts der Leitlinie gelegenen, 6 m breiten weiteren Teil der Fahrbahn zum Stillstand gekommen waren.
Den Revisionswerbern kann schließlich auch darin nicht gefolgt werden, wenn sie versuchen, ein Mitverschulden des Klägers aus der von ihm eingehaltenen Geschwindigkeit abzuleiten. Abgesehen davon, daß die Vorinstanzen mit Recht bloß von einer Geschwindigkeit von 30 km/h ausgegangen sind, zumal im Hinblick auf die hinsichtlich des Mitverschuldens die Beklagten treffende Beweislast alle Unklarheiten des Unfallsherganges zu ihren Lasten gehen, haben die Beklagten das Verschulden des Klägers auf einen Verstoß gegen § 20 Abs 1 StVO gar nicht gestützt.
In der Annahme der Vorinstanzen, den Kläger treffe kein Mitverschulden an dem Unfall, kann somit kein Rechtsirrtum erblickt werden. Da im Hinblick auf die dem Erstbeklagten zur Last zu legende Vorrangverletzung es nicht erforderlich ist, den Kläger zum Schadenausgleich nach § 11 Abs 1 EKHG heranzuziehen, konnte der Revision kein Erfolg beschieden sein.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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