Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß der minderjährigen Yasmin H***** gemäß § 4 Z 2 UVG ein monatlicher Unterhaltsvorschuß für die Zeit vom 1.Jänner 1993 bis 30.April 1993 von S 1.700 und für die Zeit vom 1.Mai 1993 bis 31.Mai 1995 ein solcher von S 1.000 weiter gewährt wird.
Das Vorschußmehrbegehren wird abgewiesen.
Der Unterhaltsschuldner ist bei Exekution schuldig, die ausgezahlten Unterhaltsvorschüsse an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien zurückzuzahlen.
Der Unterhaltsschuldner wird zur Zahlung einer Pauschalgebühr von S 850 verpflichtet.
Text
Begründung
Der Minderjährigen wurden zuletzt bis Ende 1992 monatliche Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 Z 2 UVG in Höhe von S 2.400 gewährt. Am 15.Dezember 1992 beantragte der Unterhaltssachwalter die Weitergewährung der Unterhaltsvorschüsse. Er legte eine Lohnbestätigung vor, nach welcher die Minderjährige im ersten Lehrjahr (ab 1. September 1992) bis 29. März 1993 monatlich netto S 3.074 und im zweiten Lehrjahr ab 1.Mai 1993 monatlich netto S 4.281 verdiene.
Das Erstgericht gewährte der Minderjährigen auf Grund der Feststellung, daß sie über ein durchschnittliches Eigeneinkommen bis 30. April 1993 von monatlich S 3.586 und ab 1. Mai 1993 von monatlich S 4.995 verfüge, weitere monatliche Unterhaltsvorschüsse von S 2.200 vom 1. Jänner 1993 bis 30. April 1993 und von S 1.400 ab 1. Mai 1993 bis 31. Mai 1995. Es verpflichtete den Unterhaltsschuldner zur Rückzahlung der ausgezahlten Unterhaltsvorschüsse an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien und zur Zahlung einer Pauschalgebühr von S 1.100.
Das Gericht zweiter Instanz gab dem gegen den erstgerichtlichen Beschluß erhobenen Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien, in welchem die Herabsetzung der weiter zu gewährenden Unterhaltsvorschüsse vom 1. Jänner 1993 bis 30. April 1993 auf S
1.700 und ab 1. Mai 1993 auf S 1.000 begehrt wurde, nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Nach der nunmehr einheitlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sei der Richtsatz für die Gewährung der Ausgleichszulage gemäß § 293 Abs 1 lit a/bb ASVG für die Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit eines Lehrlings maßgebend und die Lehrlingsentschädigung im Regelfall zur Hälfte als Eigeneinkommen des Lehrlings sowohl gegenüber dem geldunterhaltspflichtigen, als auch gegenüber dem die Betreuungsleistungen erbringenden Elternteil zu berücksichtigen. Die Summe der vom Erstgericht gewährten Richtsatzvorschüsse und der anzurechnenden Lehrlingsentschädigung der Minderjährigen erreiche hier nicht den für die Annahme der Selbsterhaltungsfähigkeit maßgeblichen Richtsatzbetrag. Die Anrechnung des Eigeneinkommens der Minderjährigen könne nicht bloß nach mathematischen Formeln erfolgen, sondern liege auch im Ermessen des Gerichtes. Die Ermessensausübung des Erstgerichtes sei vertretbar. Für die erstgerichtliche Entscheidung spreche auch die Erwägung, daß einem Lehrling erfahrungsgemäß berufs- und lehrbedingte Auslagen entstünden, die im allgemeinen gemäß § 273 ZPO mit etwa 500 bis 700 S angenommen werden könnten.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen die zweitinstanzliche Entscheidung erhobene außerordentliche Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien ist zulässig und berechtigt.
Die Vorinstanz ist, ohne dies ausdrücklich auszusprechen und ohne in der Begründung seiner Entscheidung auf die entsprechenden Argumente des Rekurswerbers einzugehen, in der Frage der Berücksichtigung des Eigeneinkommens des gemäß § 4 Z 2 UVG unterhaltsvorschußberechtigten Kindes von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen, nach welcher das anrechenbare Eigeneinkommen des Kindes vom Richtsatzvorschuß nach § 6 Abs 2 UVG abzuziehen und die verbleibende Summe als restlicher Richtsatzvorschuß weiter zu gewähren ist (ÖA 1992, 102 mit weiteren Hinweisen auf Rechtsprechung und Lehre; 3 Ob 569/91 u.a.). Betrafen die beiden zitierten Entscheidungen auch Richtsatzvorschüsse gemäß § 4 Z 3 UVG (Haftvorschüsse), so ist doch wegen der gemeinsamen negativen Ausgangslage für die Vorschußgewährung (Fehlen bzw. Unmöglichkeit der Erlangung eines Unterhaltstitels) gemäß § 6 Abs 2 UVG und der für diese beiden Tatbestände gleich geregelten Anrechnung des Eigeneinkommens des Kindes gemäß § 7 Abs 1 Z 2 UVG die Anwendung der gleichartigen Anrechnungsart geboten. Der vorliegende Fall bietet daher keine Veranlassung, von den in der erstgenannten (nach der Entscheidung des verstärkten Senates, EvBl 1993/12, ergangenen) Entscheidung ausführlich dargestellten Anrechnungsregeln des § 7 Abs 1 Z 2 UVG abzugehen.
Danach ist im Sinne der zutreffenden Rechtsmittelausführungen vom maßgeblichen Richtsatzbetrag gemäß § 6 Abs 2 Z 3 UVG, hier von S
3.483 im Jahr 1993, jeweils die Hälfte der festgestellten Lehrlingsentschädigungen - ein davon abzugsfähiger Mehraufwand des Kindes wurde im Verfahren nicht behauptet - abzuziehen, sodaß die (nach oben gerundeten) Beträge von S 1.700 bzw. S 1.000 die weiter zu gewährenden Unterhaltsvorschußbeträge darstellen.
Die Aussprüche über die Gebühren- und Rückzahlungspflicht des Schuldners beruhen auf den §§ 24 und 28 UVG.
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