Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.086,40 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 1.014,40, keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Gegen die Beklagte erging am 12.10.1994 ein klagsstattgebendes Urteil, welches entgegen § 93 Abs 1 ZPO nicht an den von ihr bevollmächtigten Rechtsanwalt, sondern an die Firma *****I*****-GmbH zugestellt wurde. Am 5.12.1994 wurden die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit bestätigt.
Auf Grund eines Antrages der betreibenden (klagenden) Partei bewilligte das Erstgericht am 16.1.1995 die Exekution wider die verpflichtete (beklagte) Partei auf Pfändung und Überweisung deren Forderung gegen eine drittschuldnerische Bank. Am 1.6.1995 bewilligte das Erstgericht als Titelgericht über Antrag der klagenden (betreibenden) Partei die Zwangsversteigerung hinsichtlich einer der verpflichteten (beklagten) Partei gehörigen Liegenschaft.
Am 10.7.1995 beantragte die beklagte Partei die Aufhebung der am 5.12.1994 erteilten Vollstreckbarkeitsbestätigung des Urteiles vom 12.10.1994 mit der Begründung, die Zustellung des Urteiles sei nicht rechtswirksam erfolgt.
Diesem Antrag gab das Erstgericht statt und führte aus, die Bestätigung der Vollstreckbarkeit sei irrtümlich erteilt worden, weil das Urteil nicht dem die beklagte Partei vertretenden Rechtsanwalt zugestellt worden sei.
Das von der klagenden Partei angerufene Rekursgericht änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, daß der Antrag, die Bestätigung der Vollstreckbarkeit aufzuheben, zurückgewiesen wurde. Der ordentliche Revisionsrekurs wurde für zulässig erklärt.
Das Rekursgericht führte aus, eine Aufhebung der Vollstreckbarkeit nach § 7 Abs 3 EO sei nur dann vorzunehmen, wenn ein vom Titelgericht verschiedenes Exekutionsgericht die Exekution bewilligt habe (EvBl 1957/92). Der Zweck der Bestimmung des § 7 Abs 3 EO sei, jede bei einem vom Titelgericht verschiedenen Gerichte beantragte Exekution auszuschließen, weil zufolge des Neuerungsverbotes eine von einem anderen Gericht auf Grund einer vollstreckbaren Ausfertigung bewilligte Exekution wegen Fehlens der Vollstreckbarkeit nicht angefochten werden könne. Das Neuerungsverbot stehe aber einem Rekurs nicht entgegen, wenn das Titelgericht selbst die Exekution bewilligt habe, weil im Rechtsmittel ohne Verletzung des Neuerungsverbotes geltend gemacht werden könne, daß das Bewilligungsgericht eine Tatsache außer acht gelassen habe, die es trotz der fehlerhaften Vollstreckbarkeitsbestätigung wahrnehmen hätte können und müssen. Wenn daher Abhilfe gegen eine vom Titelgericht gesetzwidrig erteilte Bestätigung der Vollstreckbarkeit eines der im § 1 Z 4 EO angeführten Exekutionstitels möglich sei, bedürfe es nicht noch außerdem eines Verfahrens nach § 7 Abs 3 EO. Die gegenteilige Entscheidung EvBl 1954/451 lehnte das Rekursgericht ab.
Wegen der Widersprüchlichkeit der Judikatur wurde der ordentliche Revisionsrekurs für zulässig erklärt.
Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß der erstinstanzliche Beschluß bestätigt wird; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der beklagten Partei ist zulässig, er ist auch berechtigt.
Die beklagte Partei verweist in ihrem Rechtsmittel darauf, daß der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung EvBl 1957/92 ein anderer Sachverhalt zugrunde liege. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall sei eine Räumungsexekution bewilligt worden. Für eine solche sei aber ausschließlich das Titelgericht zuständig. In einem solchen Fall reiche es aus, wenn Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung erhoben werde, da bei einem erfolgreichen Rechtsmittel die Exekutionsführung verhindert werde und jeder weitere Exekutionsantrag beim selben Gericht eingebracht werden müsse, das dann die ursprünglich bestätigte Vollstreckbarkeit einfach ignorieren könne. Liege jedoch ein Exekutionstitel vor, mit dem auch beim Exekutionsgericht ein Exekutionsantrag eingebracht werden könne, sei ein Aufhebungsantrag nach § 7 Abs 3 EO (auch) zulässig, da der Verpflichtete ansonsten in Gefahr laufe, daß auf Grund der Bestätigung der Vollstreckbarkeit weitere Exekutionen durch das Exekutionsgericht bewilligt werden.
Diese Ausführungen sind zutreffend.
Gemäß § 7 Abs 3 EO ist die gesetzwidrig oder irrtümlich erteilte Bestätigung der Vollstreckbarkeit von dem Gerichte, das sie erteilt hat, von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten durch Beschluß aufzuheben. Die Vollstreckbarkeitsbestätigung entspricht dann nicht dem Gesetz, wenn der Exekutionstitel dem Titelschuldner - wie im vorliegenden Fall - nicht rechtswirksam zugestellt worden war und daher die Vollstreckbarkeit des Titels tatsächlich nicht eingetreten ist (1 Ob 610/93 mwN).
Ist eine Vollstreckbarkeitsbestätigung bereits erteilt worden, so ist auch dann, wenn um die Exekutionsbewilligung beim Titelgericht angesucht wurde, über Antrag oder von Amts wegen ein Verfahren nach § 7 Abs 3 EO einzuleiten, wenn die Vollstreckbarkeitsbestätigung gesetzwidrig oder irrtümlich erteilt wurde, denn der betreibende Gläubiger kann ja auf Grund der mit der Vollstreckbarkeitsbestätigung versehenen Ausfertigung des Exekutionstitels überdies beim Exekutionsgericht um die Bewilligung einer weiteren Exekution ansuchen (EvBl 1954/451; 1 Ob 610/93; Heller/Berger/Stix 209).
Richtig ist zwar, daß in der Entscheidung EvBl 1957/92 ausgesprochen wurde, daß dann, wenn Abhilfe gegen eine vom Titelgericht gesetzwidrig erteilte Bestätigung der Vollstreckbarkeit eines der im § 1 Z 4 EO angeführten Exekutionstitel möglich ist, es nicht noch außerdem eines Verfahrens nach § 7 Abs 3 EO bedürfe. Dieser Entscheidung lag jedoch ein Exekutionstitel im Sinne des § 1 Z 4 EO zugrunde, bei dem gemäß § 4 Abs 1 Z 2 EO zur Bewilligung der Exekution ausschließlich jenes Gericht zuständig ist, bei dem die Aufkündigung überreicht oder der Antrag auf Erlassung eines Auftrages wegen Übergabe oder Übernahme des Bestandgegenstandes erster Instanz gestellt wurde. Ob nicht auch in einem solchen Fall ein Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit gestellt werden kann ist hier nicht zu beurteilen. Kann aber - wie im vorliegenden Fall - der Antrag auf Exekutionsbewilligung auch beim Exekutionsgericht gestellt werden, dann kann dem Verpflichteten ein schützenswertes Interesse an der Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung nicht abgesprochen werden.
Es war daher in Stattgebung des Revisionsrekurses der beklagten Partei der Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO, es ist vom Vorliegen eines Zwischenstreites auszugehen (1 Ob 610/93).
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