Spruch:
Zur Frage der Parteirolle des Heimfallärars im Verlassenschaftsverfahren.
Entscheidung vom 12. Oktober 1955, 2 Ob 560/55.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Mit dem Beschluß vom 29. Juni 1955 hat das Verlassenschaftsgericht seinen Beschluß vom 13. Juni 1955 über Vorstellung des erbserklärten Erben Friedrich Sch. aufgehoben, dem Erben die Verwaltung, Vertretung und Besorgung der Verlassenschaft gemäß §§ 145 AußStrG. und 810 ABGB. überlassen, ihn insbesondere zur Vorkehrung aller notwendigen Maßnahmen im Interesse der Verlassenschaft, wie Räumung der erblasserischen Wohnung und Verkauf der darin befindlichen inventierten erblasserischen Fahrnisse, ermächtigt und den Erbenmachthaber angewiesen, binnen 6 Wochen zweckdienliche Anträge zur Beendigung der Verlassenschaft zu stellen.
Diesen Beschluß haben der Verlassenschaftsgläubiger Hugo H. und die Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, angefochten, letztere unter Hinweis darauf, daß sie gegen den Erben Friedrich Sch. zu 31 Cg 86/55 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien namens des Heimfallärars eine Klage auf Feststellung der Ungültigkeit des Testamentes, auf Grund dessen sich Friedrich Sch. zum Nachlasse bedingt erbserklärt hatte, eingebracht habe.
Das Rekursgericht hat beide Rekurse als unzulässig zurückgewiesen.
Hinsichtlich des Rekurses der Republik Österreich vertrat es die Auffassung, daß der Finanzprokuratur eine Parteirolle im Verlassenschaftsverfahren so lange nicht zukomme, als der kaduke Nachlaß dem Ärar nicht überantwortet worden sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Republik Österreich nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Rekurs der Finanzprokuratur ist zulässig, aber unbegrundet.
Die Zulässigkeit ergibt sich daraus, daß es sich bei dem angefochtenen Beschluß nicht um einen bestätigenden Beschluß der zweiten Instanz handelt, § 528 Abs. 1 ZPO. daher nicht anwendbar ist.
Die Frage, ob und wann dem Heimfallärar Parteirolle im Verlassenschaftsverfahren zukommt, kann nur aus der Bestimmung des § 130 AußStrG. in Verbindung mit § 760 ABGB. gelöst werden. § 760 ABGB. läßt die Verlassenschaft als ein erbloses Gut dem Staate dann anheimfallen, wenn kein zur Erbfolge Berechtigter vorhanden ist oder wenn niemand die Erbschaft erwirbt. § 130 AußStrG. ordnet die Übergabe des erblosen Nachlasses an den Fiskus an, wenn eine Ediktalvorladung im Sinne des § 128 AußStrG. ergangen war und sich in der dort festgesetzten Frist niemand als Erbe gemeldet und sein Erbrecht ausgewiesen hat. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, daß grundsätzlich erst nach Durchführung des im § 128 AußStrG. vorgesehenen Ediktalverfahrens und wenn dieses erfolglos geblieben ist, das Heimfallärar eine Ingerenz auf die Durchführung der Verlassenschaftsabhandlung gewinnen kann. Lehre und Rechtsprechung haben auch ständig diesen aus dem Gesetze hervorleuchtenden Standpunkt vertreten. So hat insbesondere GlU. 13.200 ausgesprochen, daß die Anwendung des § 760 ABGB., wie sich aus § 130 AußStrG. ergebe, den vom Gerichte anerkannten Mangel eines Erbberechtigten zur unerläßlichen Voraussetzung habe, daß diese Voraussetzung nicht gegeben sei, wenn die Abhandlung mit der vom Gerichte als Erbe anerkannten Person durchgeführt werde, und daß bei Fehlen der Voraussetzung des § 760 ABGB. jede Grundlage für eine Ingerenz des Heimfallärars auf den Gang der Verlassenschaft fehle. Der Entscheidung folgen im wesentlichen Weiß in Klang 2. Aufl. III 795 sowie die Entscheidungen GlUNF. 5440, 5452, 5543, SZ. XXII 165 und 2 Ob 306/53. Nur in der Entscheidung 2 Ob 636/54 ist dieser strenge Standpunkt verlassen und die Parteirolle der Finanzprokuratur gemäß § 9 AußStrG. anerkannt worden. Aber auch dort war nicht, wie im gegenständlichen Falle, die von einer dritten Person abgegebene Erbserklärung rechtskräftig zu Gericht angenommen und ihr Erbrecht rechtskräftig für ausgewiesen erklärt worden, sondern es bestand noch Streit darüber, ob nicht unter der Voraussetzung, daß das gemäß § 128 AußStrG. bereits erlassene Edikt erfolglos bleibe, der Nachlaß heimfällig werde, nachdem abgegebene Erbserklärungen zunächst zurückgewiesen und erst über einen verspäteten Rekurs vom Rekursgerichte angenommen worden waren.
Im vorliegenden Falle ist die Erbserklärung des Friedrich Sch. rechtskräftig zu Gericht angenommen worden, sein Erbrecht wurde rechtskräftig für ausgewiesen erklärt. In diesem Falle fehlte es an der Voraussetzung für eine Kaduzitätserklärung im Verlassenschaftsverfahren, damit aber auch an der Voraussetzung für jede Einflußnahme der Finanzprokuratur auf den Gang des Verfahrens. Das Rekursgericht hat den Rekurs der Finanzprokuratur daher mit Recht als unzulässig zurückgewiesen.
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