OGH 2Ob557/84

OGH2Ob557/843.7.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Pflegschaftssache der am ***** ehelich geborenen mj Elisabeth V*****, infolge Rekurses des Vaters Franz V*****, vertreten durch Dr. Hans Nemetz, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 8. Februar 1984, GZ 43 R 122/84-42, womit der Rekurs des Vaters gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 31. Oktober 1983, GZ 10 P 334/83-33, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Rechtssache an das Rekursgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Mit Beschluss des Erstgerichts vom 31. 10. 1983, ON 33, wurde der Vater Franz V***** zuzüglich zu dem ihm mit Beschluss des Erstgerichts vom 4. 2. 1975 (54) bisher auferlegten Unterhaltsbetrag von monatlich 1.120 S ab 24. 9. 1982 zu weiteren monatlichen Unterhaltsleistungen in Höhe von 2.880 S, insgesamt sohin monatlich 4.000 S für die Minderjährige verpflichtet.

Den gegen diesen Beschluss vom Vater erhobenen Rekurs wies das Gericht zweiter Instanz als verspätet zurück. Das Rekursgericht führte aus, der angefochtene Beschluss sei dem Vater an die Adresse *****, am Mittwoch, dem 9. 11. 1983, durch postamtliche Hinterlegung zugestellt und zur Abholung bereitgehalten worden. Die Abfertigung der Zustellung sei am 7. 11. 1983 erfolgt. Gemäß § 17 Abs 3 Zustellgesetz gälten hinterlegte Sendungen als mit dem ersten Tag der Frist zugestellt, an dem die hinterlegte Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wurde. Die 14-tägige Rekursfrist (§ 11 Abs 1 AußStrG) sei demnach am Mittwoch, dem 23. 11. 1983, abgelaufen. Der erst am Montag, dem 5. 12. 1983, zur Post gegebene Rekurs des Vaters sei daher verspätet und aus diesem Grund zurückzuweisen gewesen. Daran ändere auch nichts, dass der Vater in seiner beim Erstgericht am 9. 11. 1983 eingelangten Stellungnahme (ON 34) und in seinem Rekurs eine neue Adresse, nämlich *****, angebe. Zunächst habe der Rekurswerber in seinem Rekurs selbst ausgeführt, den Beschluss ON 20, welcher ihm ebenfalls in die ***** zugestellt worden sei, nach Rückkehr vom Urlaub am 17. 10. 1983 behoben zu haben, und nicht einmal behauptet, dass die ***** keine richtige Zustelladresse gewesen wäre. Auch der Umstand, dass der Vater die Postsendung, mit der ihm der angefochtene Beschluss am 9. 11. 1983 durch postamtliche Hinterlegung zugestellt wurde, nicht behoben habe, ändere nichts an der ordnungsgemäßen Zustellung der Postsendung (§ 17 ZustG). Unabhängig davon hätte das Erstgericht bis zur Abfertigung der Zustellung am 7. 11. 1983 rechtens keine andere Möglichkeit gehabt, als die Zustellung an der Zustelladresse in der ***** vorzunehmen (§ 8 ZustG). Die Bekanntgabe einer neuen Adresse habe auf bereits vollzogene Zustellungen (der Vollzug sei jedenfalls mit der Abfertigung nach § 137 GeO durch die Kanzlei - Übergabe an die Post - gegeben) keinen Einfluss. Die Zustellung sei demnach im Zeitpunkte, als sie vorgenommen wurde, hinsichtlich des Adressaten und des Zustellorts dem Gesetz entsprechend gewesen. Die vom Erstgericht nachher veranlasste Zustellung an den Bevollmächtigten habe die Rechtsmittelfrist nicht neu in Gang zu setzen oder zu verlängern vermocht. Auf das verspätete Rechtsmittel habe auch nicht gemäß § 11 Abs 2 AußStrG Bedacht genommen werden können, weil sich die angefochtene Entscheidung nicht mehr ohne Nachteil eines Dritten, hier des unterhaltsberechtigten Kindes, abändern lasse.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts wendet sich der Rekurs des Vaters aus dem Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom Zurückweisungsgrund aufzutragen; „vorsichtshalber“ wird die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung des Rekurses gegen den Beschluss des Erstgerichts vom 31. 10. 1983 (ON 33) beantragt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, weil die Beurteilung verfahrensrechtlicher Voraussetzungen nicht zur Unterhaltsbemessung iSd § 14 Abs 2 AußStrG gehört (vgl JB 60, RZ 1968, 196 uva); er ist auch berechtigt.

Der Rekurswerber führt aus, er habe am 7. 11. 1983 zum Unterhaltsantrag des Bezirksjugendamtes für den 20. Bezirk als Einhebungskurators seiner mj Tochter Elisabeth V***** Stellung genommen und in dieser Stellungnahme seine Anschrift mit *****, angeführt. Dieser Umstand habe offensichtlich dazu geführt, dass das Erstgericht seinen Beschluss vom 31. 10. 1983 an seinen ausgewiesenen Vertreter zugestellt habe. Diese Zustellung sei am 25. 11. 1983 erfolgt. Der dagegen erhobene Rekurs sei innerhalb der 14-tägigen Rekursfrist eingebracht worden. Das Erstgericht habe die Änderung seines Wohnsitzes durch die neuerliche und wirksame Zustellung seines Rekurses vom 31. 10. 1983 iSd § 17 Abs 3 3. Satz des Zustellgesetzes zur Kenntnis genommen. Das Rekursgericht habe wohl die Änderung seines Wohnsitzes zur Kenntnis genommen - im angefochtenen Beschluss werde seine Anschrift auch richtig mit *****, wiedergegeben - jedoch hieraus nicht die verfahrensrechtlichen Folgerungen im Sinne der genannten Gesetzesstelle gezogen. Selbst wenn das Rekursgericht die aus der neuerlichen Zustellung des erstgerichtlichen Beschlusses vom 31. 10. 1983 ersichtliche Rechtsmeinung des Erstgerichts nicht geteilt habe, hätte dies nicht zu einer Zurückweisung seines Rekurses gegen den vorgenannten Beschluss, sondern zur amtswegigen Erhebung über seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt am 9. 11. 1983 führen müssen. Die Unterlassung dieser amtswegigen Erhebung stelle gleichfalls einen Verfahrensmangel dar.

Zu diesen Ausführungen ist Folgendes zu erwägen: Gemäß § 8 Abs 1 ZustG hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Nach Abs 2 ist, wenn diese Mitteilung unterlassen wird, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Gemäß § 17 Abs 3 ZustG ist die hinterlegte Sendung mindestens 2 Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereit gehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter iSd § 13 Abs 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnten, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte. Die Partei ändert ihre Abgabestelle, wenn sie diese dauernd verlegt, dh zB von ihrer bisherigen Wohnung in eine andere übersiedelt. Eine Änderung liegt aber nicht vor, wenn sie die Abgabestelle lediglich vorübergehend, zB wegen Urlaubs oder Krankenhausaufenthalts, verlässt (vgl Walter-Mayer, Zustellrecht, Anm 5 zu § 8 ZustG, 44). Unter der Voraussetzung, dass Franz V***** im Zeitpunkt des Zustellversuchs (9. 11. 1983) tatsächlich seine Abgabestelle geändert hatte, also von der Wohnung in *****, in die Wohnung *****, übersiedelt war, hätte er allerdings unter Umständen die ihn nach § 8 Abs 1 ZustG treffende unverzügliche Mitteilungspflicht verletzt. Die Rechtsfolgen des Abs 2 treten aber nur unter der weiteren Voraussetzung ein, dass eine (andere) Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Da Franz V***** bereits in seiner am 9. 11. 1983 beim Erstgericht eingelangten Stellungnahme die Anschrift *****, angegeben hat, konnte diese unter der Voraussetzung einer tatsächlichen Änderung der bisherigen Abgabestelle, als - wenn auch allenfalls nicht unverzüglich erstattete - Mitteilung iSd § 8 Abs 1 aufgefasst werden (1 Ob 1504/84) und hätte jedenfalls eine Feststellung der neuen Abgabestelle ohne Schwierigkeiten ermöglicht. Im Übrigen wurde ja ohnehin ein, allerdings vergeblicher, Zustellversuch an der Anschrift ***** vorgenommen.

Derzeit kann somit noch nicht abschließend beurteilt werden, ob die Hinterlegung des Beschlusses des Erstgerichts ON 33 am 9. 11. 1983 den gesetzlichen Vorschriften entsprochen hat und damit die Rechtsmittelfrist mit diesem Tage in Lauf gesetzt wurde. Es muss vielmehr durch ergänzende Erhebungen ermittelt werden, ob die Wohnung ***** am 9. 11. 1983 noch als Abgabestelle (§ 4 ZustG) hinsichtlich des Franz V***** anzusehen war, und diesfalls, ob er wegen Abwesenheit von der Abgabestelle rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte oder nicht, und ob allenfalls die Voraussetzungen des letzten Halbsatzes des § 17 Abs 3 ZustG vorlagen. Sollte die Zustellung an Franz V***** persönlich durch Hinterlegung weder am 9. 11. 1983 noch bis zum 25. 11. 1983 wirksam erfolgt sein, wäre die Zustellung an seinen Bevollmächtigten, RA Dr. Nemetz, wirksam (vgl SZ 23/337) und der von diesem am 5. 12. 1983 zur Post gegebenen Rekurs ON 36 rechtzeitig erhoben worden. In diesem Fall hätte das Rekursgericht über das Rechtsmittel sachlich zu entscheiden. Sollten die Ermittlungen aber die verspätete Erhebung dieses Rechtsmittels ergeben, wäre vorerst über den von Franz V***** erhobenen Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden.

Dem Rekurs war daher Folge zu geben und wie im Spruch zu entscheiden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte