OGH 2Ob552/94

OGH2Ob552/9430.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Knut Detlef H*****, vertreten durch Dr.Georg Hoffmann, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Brunhilde C*****, vertreten durch Dr.Josef Faulend-Klauser und Dr.Christoph Klauser, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, wegen S 156.636,05 sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 20.April 1994, GZ 2 R 59/94-29, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 17. Dezember 1993, GZ 22 Cg 456/93w-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben, die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Vater der Streitteile, Friedrich H*****, verstarb am 31.Dezember 1991 in Wien. In einem Depot des Erblassers bei der Creditanstalt-Bankverein befand sich ein mit Losungswort versehenes Überbringersparbuch, das zum Todeszeitpunkt einen Einlagestand von insgesamt S 316.235,34 aufwies. Die im Jahre 1926 geborene Beklagte entstammt der ersten Ehe des Erblassers, der im Jahre 1941 geborene Kläger der zweiten Ehe. Die Beklagte erstattete im Abhandlungsverfahren als erbserklärte Alleinerbin eine eidesstättiges Vermögensbekenntnis, in dem ua das erwähnte Sparbuch als Aktivum aufgenommen wurde. Der Beklagten wurde mit Einantwortungsurkunde vom 5. März 1992 der Reinnachlaß nach dem Erblasser in der Höhe von S 344.348,77 eingeantwortet.

Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Erbschaftsklage die Herausgabe des halben Reinnachlasses durch Zahlung eines Betrages von S 172.174,38 sA. Er führte hiezu aus, im Verlassenschaftsverfahren nicht beigezogen worden zu sein und erstmals am 2.Juni 1992 die Ansprüche gegenüber der beklagten Partei geltend gemacht zu haben.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage mit der Begründung, das Überbringersparbuch gehöre nicht zum Nachlaßvermögen. Die Eigentümerin der Spareinlage sei die am 7.Oktober 1990 verstorbene Ehegattin des Erblassers, Eleonore H*****, gewesen. Diese habe kurz vor ihrem Tod der Tochter der Beklagten, Eleonore K*****, ein Sparbuch mit einem Einlagestand von S 300.000 unter der Auflage geschenkt, nach ihrem Ableben für den hochbetagten Ehegatten zu sorgen. Nach dem Tod der Eleonore H***** habe Eleonore K***** mit dem Realisat der Einlage des ihr geschenkten und in Schenkungsabsicht übergebenen Sparbuches das dem Verlassenschaftsverfahren zugrunde gelegte Sparbuch eröffnet. Eleonore K***** habe dieses Sparbuch in der Wohnung ihres Großvaters in Wien belassen. Später sei es ohne ihr Wissen bei der Creditanstalt-Bankverein deponiert worden. Das Nachlaßvermögen habe überwiegend aus dem Sparguthaben bestanden, die restlichen Nachlaßaktiven seien durch Erbgangsschulden aufgezehrt worden.

Das Erstgericht sprach dem Kläger S 156.636,05 sA zu und wies das Mehrbegehren in der Höhe von S 15.538,33 (rechtskräftig) ab.

Es führte im Rahmen der Beweiswürdigung neben dem eingangs angeführten Sachverhalt noch aus, daß das in die Verlassenschaft einbezogene Sparbuch als zum Nachlaß gehörig anzusehen sei, da das von der Ehegattin des Erblassers der Tochter der Beklagten übergebene Sparbuch den Zweck hatte, dem Erblasser einen gesicherten Lebensabend zu ermöglichen. Die vorverstorbene Eleonore H***** habe den auf dem Sparbuch erliegenden Betrag ihrem Gatten zukommen lassen wollen, was der Beklagten und ihrer Tochter bekanntgewesen sei.

Es kam im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zum Ergebnis, daß das Sparbuch mit Recht in die Verlassenschaftsabhandlung einbezogen worden sei. Dem Kläger stehe aufgrund der gesetzlichen Erbfolge die Hälfte des Nachlaßvermögens zu, woraus sich unter Abzug der von der Beklagten bezahlten Erbgangsschulden der zugesprochene Betrag ergebe.

Das Berufungsgericht gab der dagegen wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Tatsachenfeststellung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge.

Auf die Mängelrüge sei nicht einzugehen, weil das Eigentum an der Spareinlage zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers in diesem Erbschaftsprozeß nicht zu prüfen sei. Der Einwand der Beklagten, daß das von ihr im Eidesstättigen Vermögensbekenntnis angegebene und der Verlassenschaftsabhandlung zugrunde gelegte Sparguthaben wegen Schenkung (durch Übergabe in Schenkungsabsicht) an Eleonore K***** vom Miterben mit Erbschaftsklage nicht verlangt werden könne, sei nämlich nicht berechtigt. Der Kläger erlange mit Rechtskraft des stattgebenden Urteils die Stellung eines eingeantworteten Erben und werde rückwirkend Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers. Die Beklagte sei verpflichtet, die in ihren Händen befindlichen Erbschaftssachen, aber auch fremde Sachen, die nur im Besitz oder in der Gewahrsame des Erblassers gewesen sind, herauszugeben. Da sich das Sparbuch im Besitz des Erblassers befunden habe, sei es zu Recht in das Eidesstättige Vermögensbekenntnis aufgenommen und der Verlassenschaftsabhandlung zugrunde gelegt worden. Es bleibe jedem unbenommen, sein Eigentum an einer Verlassenschaftssache im Rechtsweg geltend zu machen. Es bleibe daher der am vorliegenden Rechtsstreit nicht beteiligten Eleonore K***** unbenommen, den Kläger auf Herausgabe der Hälfte des Spareinlagenrealisates zu klagen. Deshalb müsse nicht geprüft werden, ob Eleonore K***** durch Schenkung Eigentümerin der später realisierten bzw einer aus dem Realisat in der Folge neu gegründeten Spareinlage gewesen sei.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil der Rechtsprechung zur Frage, ob aufgrund einer Erbschaftsklage des Miterben gegen die scheinbare Alleinerbin das Eigentum eines Dritten an Sachen, die zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers in seinem Besitz gewesen seien, zu prüfen sei, nicht vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne des Eventualantrages berechtigt.

Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes kommt der Behauptung der beklagten Partei, Eigentümer des Sparbuches bzw des Sparguthabens sei die Tochter der Beklagten, nicht aber der Erblasser gewesen, Relevanz zu.

Mit der Erbschaftsklage macht der Kläger gegenüber dem durch die Einantwortung ausgewiesenen vermeintlichen Erben ein Erbrecht geltend, das in der Einantwortung nicht nach Maßgabe des Erbanspruches, wie er ihn erhebt, berücksichtigt worden ist (Welser in Rummel2 Rz 1 zu §§ 823, 824). Er begehrt aufgrund seiner Berechtigung die Abtretung des seiner Berechtigung entsprechenden Teiles. Aktiv klagslegimitiert ist, wer ein Erbrecht behauptet; passiv legitimiert sind jene, die den Nachlaß aufgrund der Einantwortung erworben haben (Welser aaO Rz 10). Mit Rechtskraft des stattgebenden Urteils erlangt der Kläger die Stellung eines eingeantworteten Erben; er wird rückwirkend Universalsukzessor des Erblassers. Dies bedeutet, daß Eigentum, Forderungen und sonstige Rechte des Erblassers mit der Feststellung des Erbrechtes übergehen (Welser aaO Rz 12 und Rz 5 zu §§ 797, 798). Die materiellrechtlichen Wirkungen setzen aber voraus, daß das Recht dem Erblasser zustand (Welser aaO Rz 6 zu §§ 797, 798; Ehrenzweig2 Familien- und Erbrecht, 504; JBl 1932/427). Danach stellt die Einantwortung nur die Gesamtrechtsnachfolge am Nachlaß fest, schafft aber kein originäres Eigentum für die Erben. Soweit daher der Erblasser selbst nicht Eigentümer an Nachlaßgegenständen gewesen ist, können auch die Erben nicht Eigentümer werden (SZ 37/30). Daß das Sparbuch in das eidesstättige Vermögensbekenntnis aufgenommen wurde, ist ohne Bedeutung, weil sich dessen Wirkungen ausschließlich auf das Verlassenschaftsverfahren beschränken (NZ 1974,155).

Die beklagte Partei hat gegen den Anspruch eingewendet, das Sparbuch, dessen Realisat den Großteil des Nachlasses ausmachte, sei nicht im Eigentum des Erblassers, sondern der Tochter der Beklagten gestanden. Diese habe das Eigentum durch Schenkung und tatsächliche Übergabe erlangt.

Sollte diese Behauptung zutreffen, wären weder die Beklagte noch der Kläger Eigentümer des Sparbuches geworden, sodaß er die Herausgabe des Hälfteanteiles nicht begehren könnte.

Soweit das Berufungsgericht auf die Lehrmeinung Ehrenzweigs (in Familien- und Erbrecht, 617), stützt, wonach der Erbschaftskläger die Herausgabe der in Händen des Beklagten befindlichen Erbschaftssachen, aber auch fremder Sachen, die nur im Besitze oder nur im Gewahrsam des Erblassers gewesen sind, begehren könne, ist dem entgegenzuhalten, daß der Erbschaftskläger als Universalsukzessor des Erblassers berechtigt ist, die Rechte des Erblassers nur in jenem Umfange wahrzunehmen, als diese ihm zustanden. Stünde daher das Eigentumsrecht eines Dritten am Sparbuch fest, dann wäre es dem Kläger wie dem Erblasser verwehrt, als Eigentümer auf das Realisat des Sparbuches zu greifen. Der Kläger könnte allenfalls Besitzrechte, so wie sie dem Erblasser zugestanden wären, geltend machen.

Da das Berufungsgericht den geltend gemachten Verfahrensmangel erster Instanz infolge einer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsmeinung nicht wahrgenommen hat, zur Sachentscheidung aber die Klärung der Frage notwendig ist, ob die Tochter der Beklagten Eigentum am gegenständlichen Sparbuch erworben hat oder nicht, waren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und das Verfahren zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht Feststellung zu treffen haben, die die Beurteilung des allfälligen Eigentumserwerbs durch die Tochter der Beklagten ermöglichen.

Sollte Eigentümerin des Sparbuches nicht der Erblasser, sondern die Tochter der Beklagten gewesen sein, wird das Klagebegehren abzuweisen sein. Andernfalls ist zu berücksichtigen, daß die Beklagte - auch nach dem Zugeständnis in der Revisionsbeantwortung - offensichtlich redliche Erbschaftsbesitzerin war. Gemäß § 824 ABGB verbleiben dem redlichen Erbschaftsbesitzer alle bis zur Klagszustellung abgesonderten Nutzungen. Für Verbrauchtes haftet er nur, soweit daraus noch ein Vorteil vorhanden ist. Für Geld oder sonstige Sachen, die mit den Mitteln der Verlassenschaft erworben wurden, besteht, soweit sie noch vorhanden sind, bloß eine schuldrechtliche Herausgabepflicht (Welser in Rummel2 Rz 17 zu §§ 823, 824). Es wird daher weiters zu prüfen sein, wann das Sparbuch aufgelöst und wofür das Geld verwendet wurde.

Aus all diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

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