Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.695,04 (darin S 1.115,84 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 11.10.1994 ereignete sich auf der Bundesstraße 117 (folgend: B 117) im Gemeindegebiet von Weißenbach an der Enns im Bereich einer neu angelegten Kreuzung vor dem Haus Nr 6 ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger mit seinem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen PKW Audi 80 und der Erstbeklagte mit seinem bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten, in Österreich zugelassenen PKW Audi 80 TD beteiligt waren. Dabei entstand an beiden Fahrzeugen Sachschaden.
Im Jahr 1994 wurde die B 117 zwischen Weißenbach an der Enns und Altenmarkt auf eine neue Trasse verlegt. Am 6.10.1994 wurde der gesamte Verkehr in beiden Richtungen auf die neue Trasse geleitet. Die klagsgegenständliche Unfallskreuzung stellt die Einmündung der ehemaligen alten B 117 in die neue Trasse der B 117 dar. Es war vorgesehen, an dieser Einmündung ab Freigabe der neuen Trasse für den Verkehr auf der alten B 117 das Zeichen "Vorrang geben" aufzustellen. Am Unfallstag war dieses Zeichen jedoch nicht vorhanden. Bis zum 30.11.1994 wurden ständig Arbeiten im unmittelbaren Fahrbahnbereich durchgeführt, weshalb der neue Trassenbereich der B 117 als Baustelle gekennzeichnet und mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h versehen war. Bei der B 117 handelt es sich um eine in ihrem Verlauf gekennzeichnete Vorrangstraße. Das Vorschriftszeichen nach § 52 Z 25a StVO ist in Fahrtrichtung des Klägers in St. Gallen unmittelbar nach der Kreuzung mit der Erbsattel-Landesstraße aufgestellt.
Am 11.10.1994 gegen 14.30 Uhr war der Kläger mit seinem PKW von St. Gallen in Richtung Altenmarkt auf der B 117 unterwegs, die Fahrbahn war trocken, es herrschte Schönwetter. Er näherte sich der gegenständlichen Kreuzung als einziges Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von rund 30 km/h. Er wollte die Kreuzung auf der B 117 (neue Trasse) bleibend geradeaus überqueren. Dabei war er überzeugt, auf einer bevorrangten Bundesstraße zu fahren. Bei seiner Annäherung an die Kreuzung wurde er auf das im (aus seiner Sicht rechts gelegenen) Einmündungstrichter in Bewegung befindliche Fahrzeug des Erstbeklagten aufmerksam. Als er merkte, daß dieser PKW ohne anzuhalten in die Bundesstraße einbog, faßte er unverzüglich einen Bremsentschluß und lenkte noch nach links aus. Der Erstbeklagte war mit rund 15 km/h von der alten B 117 kommend zur Unfallskreuzung gefahren, um dort nach links Richtung St.Gallen einzubiegen. Er bemerkte das Fahrzeug des Klägers erst unmittelbar vor dem Zusammenstoß, bei seinem Einbiegemanöver wurde er von der Sonne geblendet. Es kam dann auf der aus der Sicht des Klägers gesehen linken Fahrbahnhälfte zum Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge, die in diesem Zeitpunkt etwa eine Geschwindigkeit von je 15 km/h einhielten, wobei das Klagsfahrzeug mit der rechten Frontecke gegen die rechte Frontpartie des Beklagtenfahrzeugs in einer Winkelstellung der Fahrzeuglängsachsen von etwa 80 Grad kollidierte. Der Erstbeklagte ist ortskundig und fuhr damals die Strecke über die Unfallskreuzung sehr oft. Er hatte Kenntnis von der Freigabe der neuen Trasse für den Durchzugsverkehr. Hätte er die Annäherung des Klagsfahrzeuges beobachtet (bemerkt), wäre er vor der Verschneidungslinie der alten B 117 mit der neuen Trasse der B 117 stehen geblieben.
Der Kläger begehrt von den beklagten Parteien den Ersatz des der Höhe nach nicht strittigen Fahrzeugschadens. Das Alleinverschulden treffe den Erstbeklagten, der beim Einfahren in die gekennzeichnete Vorrangstraße B 117 den von links kommenden PKW des Klägers übersehen und dessen Vorrang verletzt habe.
Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens, weil der Unfall auf das Alleinverschulden des den Rechtsvorrang des Beklagtenfahrzeuges verletzenden Klägers zurückzuführen sei, zumal im Unfallszeitpunkt das erst später vor der Kreuzung auf der alten B 117 aufgestellte Verkehrszeichen "Vorrang geben" nicht vorhanden gewesen sei. Sie wandten überdies Reparaturkosten und Spesen aufrechnungsweise gegen die Klagsforderung ein.
Die Vorinstanzen erkannten im Sinne des Klagebegehrens.
Das Erstgericht war der Ansicht, dem ortskundigen Erstbeklagten hätte bekannt sein müssen, daß der von ihm befahrene alte Abschnitt der B 117 in Zukunft nur mehr von lokaler Bedeutung (etwa als Zufahrt zum Bahnhof von Weißenbach an der Enns) sein werde, während dem Kläger bewußt und bekannt gewesen sei, auf einer gekennzeichneten Vorrangstraße zu fahren. Der Erstbeklagte sei in einem Zug in die neue und bereits für den Durchzugsverkehr freigegebene Trasse der B 117 eingefahren, ohne auf den von links (aus Richtung Westen wie der Kläger) herannahenden Verkehr zu achten. Hätte er das Klagsfahrzeug gesehen, wäre er stehengeblieben. Es könne keine Rede davon sein, daß im Unfallszeitpunkt eine Kreuzung von zwei Vorrangstraßen vorgelegen sei. Vielmehr liege eine grobe Vorrangverletzung des Erstbeklagten vor. Die Rechtsregel des § 19 Abs 1 StVO sei hier nicht anzuwenden.
Das Gericht zweiter Instanz führte aus, die B 117 sei eine gemäß § 52 Z 25a StVO gekennzeichnete Vorrangstraße, deren Verkehr ab dem 6.10.1994 auf der neuen Trasse geführt worden sei, die damit als "zur B 117, einer Vorrangstraße, zugehörig" anzusehen sei. Dem ortskundigen Erstbeklagten sei die Freigabe der neuen Trasse für den Durchzugsverkehr bekannt gewesen, weshalb er sich nicht darauf berufen könne, beim Befahren des aufgelassenen alten Bundesstraßenabschnitts, der nur mehr lokale Bedeutung habe und insbesondere als Zufahrt zum Bahnhof diene, ebenfalls auf einer Vorrangstraße zu fahren. Daß dem Erstbeklagten auch gar nicht bewußt gewesen sei, auf einer Vorrangstraße (in Richtung Unfallkreuzung) zu fahren, sondern daß er das Fahrzeug des Klägers aus mangelnder Aufmerksamkeit übersehen habe, zeige der Umstand, daß er sonst an der Verschneidungslinie der beiden Straßen angehalten hätte. Im übrigen sei für die "Einleitung der alten B 117" ein Nachrang gegenüber der neuen Trassenführung der B 117 verordnet gewesen. Der Kläger habe sich somit gegenüber dem Erstbeklagten im Vorrang befunden.
Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage des Weiterbestehens eines Vorrangs bei der Überführung einer Vorrangstraße in eine neue Trasse jüngere Rechtsprechung fehle.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen das zweitinstanzliche Urteil wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene Revision der beklagten Parteien ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zwar zulässig, im Ergebnis jedoch nicht berechtigt.
Gemäß § 43 Abs 3 lit c StVO hat die Behörde zum Zweck der Erleichterung oder Beschleunigung des Verkehrs, insbesondere des Durchzugsverkehrs, durch Verordnung Straßen zu Vorrangstraßen zu erklären. Dies ist nach der Sachlage für die B 117 im Unfallsbereich auch erfolgt. Die Kundmachung dieser Verordnung erfolgt(e) durch die entsprechenden Straßenverkehrszeichen, wie hier gemäß § 52 lit c StVO, wobei die vom Kläger vor dem Unfall befahrene B 117 mit dem Vorrangzeichen gemäß Z 25a leg cit "Vorrangstraße" gekennzeichnet war. Entgegen dem weiteren Verordnungsinhalt, nach der Freigabe der neuen B 117-Trasse für den Durchzugsverkehr am 6.10.1994 sogleich die einmündende alte B 117 durch das Vorrangzeichen gemäß Z 23 leg cit "Vorrang geben" gegenüber der neuen (Trasse der) B 117 abzuwerten, wurde dies (offenbar mangels entsprechender Baufertigstellung auch der Zufahrt der alten B 117, siehe dazu die Lichtbilder 4 und 6) bis zum Unfallszeitpunkt am 11.10.1994 unterlassen. Den beklagten Parteien ist daher insoweit beizupflichten, daß für den Erstbeklagten mangels dem § 44 StVO entsprechender Verordnungskundmachung am 11.10.1994 nicht der Nachrang im Sinne des § 19 Abs 3 oder 4 StVO vorlag (ZVR 1980/59 ua). Ein solcher Nachrang war auch nicht aus den bloß baulichen Besonderheiten der Unfallskreuzung zwischen der alten B 117 und der für den Durchzugsverkehr geöffneten neuen Trasse der B 117 für den Erstbeklagten erkennbar. Auf derartige, etwa aus der Ortskenntnis des Erstbeklagten ableitbare subjektive Kenntnisse oder gar Mutmaßungen eines Verkehrsteilnehmers ist hier nicht abzustellen. Mochte der Erstbeklagte daher aus seiner Sicht sich der Kreuzung auf einer gleichrangigen, also der Rechtsregel des § 19 Abs 1 StVO unterliegenden Straße genähert haben, so entband ihn dies - von den spezifisch fallbezogenen Umständen einmal abgesehen - keineswegs der Verpflichtung, beim Befahren dieser Kreuzung seine Aufmerksamkeit nicht bloß den auf der neuen Trasse der B 117 von rechts kommenden Fahrzeugen zuzuwenden, sondern auch den von links (aus der Annäherungsrichtung des Klägers) herannahenden Fahrzeugverkehr zu beachten, der von ihm im Unfallszeitpunkt wegen der möglicherweise bestehenden Sichtbehinderung durch "Sonnenblendung" nicht beobachtet wurde, aber nach den erstgerichtlichen Feststellungen ohne weitere Sichtbehinderung beobachtet hätte werden können (ZVR 1962/282; ZVR 1968/200 ua; vgl auch ZVR 1970/216; ZVR 1972/188). Weder eine allfällige Sichtbeeinträchtigung durch das Sonnenlicht noch der vermeintliche "Rechtsvorrang" konnten den Erstbeklagten berechtigen, in einem Zug ohne Bedachtnahme auf das auf der neuen Trasse der B 117 von links mit rund 30 km/h sich nähernde Klagsfahrzeug mit etwa 15 km/h nach links in die neue Trasse der B 117 einzubiegen. Ihn trifft daher im Sinne des jedenfalls insoweit zutreffenden klägerischen Schuldvorwurfes jedenfalls ein Verschulden am vorliegenden Unfall (s ZVR 1970/216).
Dem Kläger kann aber die ihm von den beklagten Parteien vorgeworfene Verletzung des Rechtsvorrangs des Beklagtenfahrzeuges schon deshalb nicht angelastet werden, weil er die aus seiner Annäherungsrichtung als Vorrangstraße gekennzeichnete B 117 in der Absicht, die Kreuzung in Geradeausfahrt zu übersetzen, benützte und im Vertrauen auf die Geltung der aufgestellten Verkehrszeichen ohne Schuldvorwurf davon ausgehen konnte, daß die in die B 117 mündenden Straßen ordnungsgemäß durch entsprechende Vorrangzeichen beschildert sind. Nach den Feststellungen hat der Kläger bei Einhaltung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit prompt auf das Verhalten des Erstbeklagten mit einer Bremsung und Linksauslenkung reagiert, weshalb ihn am Unfall kein Verschulden trifft.
Diese Erwägungen führen im Ergebnis zur Bestätigung des zweitinstanzlichen Urteils.
Die Kostenentscheidung beruht den §§ 50, 41 ZPO).
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