OGH 2Ob53/94

OGH2Ob53/9430.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Marktgemeinde W*****, vertreten durch Dr.Peter Wiesauer und Dr.Helmuth Hackl, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagten Parteien 1.Herbert G*****, und 2. I***** Versicherungs-AG, ***** beide vertreten durch Dr.Ewald Schmidberger und Dr.Gerwald Schmidberger, Rechtsanwälte in Steyr, wegen S 691.445,09 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 8.Februar 1994, GZ 4 R 166/93-36, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Steyr vom 29.März 1993, GZ 3 Cg 9/93m-25, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahingehend abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 33.916,62 (darin enthalten S 3.652,77 USt und S 12.000 Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 6.6.1988 kam es zwischen dem vom Erstbeklagten gelenkten und gehaltenen, bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten Pkw und dem von der klagenden Partei gehaltenen, von dem bei ihr beschäftigten Kraftfahrer Fritz P***** gelenkten Lkw dadurch zu einem Verkehrsunfall, daß der Erstbeklagte den dem Lkw zukommenden Vorrang mißachtete. Bei diesem Unfall wurde Fritz P***** schwer verletzt. Die klagende Partei hatte vom Unfallstag bis einschließlich November 1988 an Lohnfortzahlungen S 144.843,19 zu leisten. Am Lkw ist Totalschaden eingetreten, die Abschleppkosten betrugen S 8.310 und wurden von der zweitbeklagten Partei bezahlt.

Die Klägerin begehrt von den beklagten Parteien aus dem Titel des Schadenersatzes die Bezahlung von S 691.445,09, darin enthalten S 144.843,19 an Lohnfortzahlungskosten.

Die beklagten Parteien bestritten den Anspruch der klagenden Partei auf Ersatz der Lohnfortzahlungskosten, stellten aber die von der klagenden Partei geleistete Entgeltfortzahlung für den Kraftfahrer P***** in der Höhe von S 144.843,19 der Höhe nach außer Streit.

Das Erstgericht sprach der klagenden Partei einen Betrag von S 205.000 an Fahrzeugschäden, an Reisekosten einen solchen von S 1.500 und S 144.843,19 an Lohnfortzahlungskosten zu. Das Mehrbegehren von S 340.101,90 wurde abgewiesen.

Hinsichtlich der Lohnfortzahlungskosten führte das Erstgericht aus, es handle sich dabei um einen Schaden, der sich aus der Verletzung des absoluten Rechtes auf körperlichen Unversehrtheit ableite.

Lediglich gegen den Zuspruch des Betrages von S 144.843,19 erhoben die beklagten Parteien Berufung.

Das Berufungsgericht gab diesem Rechtsmittel Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahingehend ab, daß auch das Begehren von S 144.843,19 abgewiesen wurde.

Die ordentliche Revision wurde nicht für zulässig erklärt.

Das Berufungsgericht führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß § 77 Abs 1 oö Gemeindebedienstetengesetz 1982, LGBl Nr 1 idgF bezüglich der Vertragsbediensteten der Gemeinde auf die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften, die für die Vertragsbediensten des Landes gelten, verweise. Da aber solche besondere Vorschriften nicht bestünden, seien im Sinne der weiteren Verweisung in der genannten Norm die für Vertragsbedienstete des Bundes geltenden Vorschriften anzuwenden. § 24 Vertragsbedienstetengesetz 1948 regle die Dauer und die Voraussetzungen der gänzlichen bzw teilweisen Entgeltfortzahlung. Nach Abs 6 dieser Bestimmung könnten bei einem vom Vertragsbediensteten nicht selbst vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführten Dienstunfall die in den Abs 1 bis 3 dieser Bestimmung genannten Zeiträume gänzlicher oder teilweiser Entgeltfortzahlung überschritten werden. Das Entgeltfortzahlungsgesetz und insbesondere dessen § 10, der eine Legalzession bezüglich der von der Sozialversicherung getragenen Fortzahlungsansprüche enthalte, sei zufolge § 1 Abs 3 Z 2 und 3 EFZG nicht anzuwenden. Auch wenn Fritz P***** keine behördlichen Aufgaben zu besorgen hatte, sei sein Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch § 24 VBG 1948 zumindest genauso günstig geregelt wie im EFZG.

Demnach fehle es im vorliegenden Fall an einer Legalzessionsvorschrift, womit im Sinne der einhelligen oberstgerichtlichen Judikatur auch die Voraussetzungen dafür fehlten, daß die klagende Gemeinde als Dienstgeber des durch den Unfall verletzten Vertragsbediensteten den für die Entgeltfortzahlung aufgewendeten Betrag vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung verlangen könne.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben beziehungsweise dahingehend abzuändern, daß dem Klagebegehren hinsichtlich der begehrten Lohnfortzahlungskosten stattgegeben werde.

Die beklagten Parteien haben sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Urteil des Berufungsgerichtes von der (nach dieser Entscheidung ergangenen) Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 24.3.1994, 2 Ob 21/94, abweicht, sie ist auch berechtigt.

Die klagende Partei vertritt die Ansicht, eine Analogie zu den Versicherungsvorschriften und zu § 1358 ABGB gebiete den Zuspruch von Lohnfortzahlungskosten.

Wie der erkennende Senat in der schon zitierten Entscheidung 2 Ob 21/94 ausgeführt hat, liegt in einem Lohnfortzahlungsfall wie dem vorliegenden eine bloße Schadensverlagerung vor. Wird ein Verkehrsteilnehmer bei einem Verkehrsunfall verletzt, so ist es eine typische, vom Schutzzweck der Bestimmung der Straßenverkehrsordnung umfaßte Folge seiner hiedurch verursachten Arbeitsunfähigkeit, daß er einen Verdienstentgang erleidet. Ist der Verletzte Dienstnehmer und sein Dienstgeber gesetzlich (§ 24 VBG) zur Lohnfortzahlung verpflichtet, wird der Schaden auf dem Dienstgeber überwälzt. Die Lohnfortzahlungvorschriften haben nicht den Zweck, den Schädiger zu entlasten, sie sollen vielmehr den Dienstnehmer vor sozialen Härten schützen. Die Ersatzpflicht des Schädigers wird durch die Lohnfortzahlung daher nicht ausgeschlossen. Da der Schädiger den auf den Dienstgeber überwälzten Schaden des Dienstnehmers zu ersetzen hat und nicht etwa den eigenen Schaden des Dienstgebers aus dem Ausfall der Arbeitskraft, besteht auch die Gefahr einer unübersehbaren Ausweitung der Ersatzpflicht nicht. Was die Überleitung des Anspruches des Dienstnehmers auf dem Dienstgeber betrifft, liegt eine Legalzession vor. § 10 EFZG (Übergang von Schadenersatzansprüchen auf die Krankenversicherungsträger) ist im vorliegenden Fall freilich nicht heranzuziehen (§ 1 Abs 3 Z 2 und 3 EFZG). Auch das Vertragsbedienstetengesetz sieht eine Legalzession bei Lohnfortzahlung nicht vor. § 1358 ABGB ist nicht unmittelbar anzuwenden, weil der Dienstgeber jedenfalls formell eine eigene Schuld bezahlt. Ausgehend von der oben vorgenommenen Wertung ist aber eine Regelungslücke anzunehmen, die in Analogie zu § 1358 ABGB, § 67 VersVG zu schließen ist. Daraus folgt, daß der Ersatzanspruch gegen den Schädiger mit der Lohnfortzahlung auf den Dienstgeber übergeht.

Da im vorliegenden Fall die Lohnfortzahlung der Höhe nach außer Streit gestellt wurde, war in Stattgebung der Revision die Entscheidung des Erstgerichtes wieder herzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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