Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.871,04 (darin S 811,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 18.8.1913 geborene Klägerin zog sich im April 1989 in einem von der Beklagten betriebenen Hotel in R***** eine Salmonelleninfektion zu und war vom 10.4. bis einschließlich 6.6.1989 nicht in der Lage, ihren halbseitig gelähmten und pflegebedürftigen Ehegatten Ludwig B***** zu pflegen und zu betreuen. Vorher hatte sie die erforderlichen Pflegeleistungen weitgehend selbst erbracht; einmal täglich kam ein Pfleger, um Ludwig B***** zu waschen und anzuziehen.
Vom 10.4. bis 15.4.1989 übernahm ein gewerblicher Pfleger die Betreuung des Ludwig B*****. Die dafür aufgelaufenen Pflegekosten von DM 256 wurden von der Klägerin bezahlt. Danach war Ludwig B***** bis zum 22.4.1989 in stationärer Krankenhauspflege. Vom 22.4.1989 bis 6.6.1989 wurde Ludwig B***** von Verwandten gepflegt, die dafür von der Klägerin ein Entgelt von insgesamt DM 6.900 erhielten.
Die Klägerin begehrte Schadenersatz in Höhe von S 1.817,60 (Pflegeaufwand vom 10.4. bis 15.4.1989) und S 48.990 (Pflegeaufwand vom 22.4. bis 6.6.1989, d.s. 46 Tage) mit der Begründung, sie sei als Ehefrau rechtlich verpflichtet gewesen, ihrem schwer kranken Mann beizustehen. Die in diesem Rahmen aufgelaufenen Kosten seien als Schaden zu ersetzen, wobei die Klägerin ohnehin Verwandte beschäftigt und somit sparsamer vorgegangen sei als im Falle der Inanspruchnahme einer professionellen Krankenbetreuung.
Die Beklagte wendete ein, der Umstand, daß die Klägerin ihren Ehegatten nicht mehr pflegen habe können, habe die Interessenssphäre eines Dritten tangiert, die durch jene Schutznorm, deren Verletzung der Beklagten zur Last liege, nicht geschützt sei. Die Klägerin könne daraus keine Rechte ableiten. Das Begehren werde auch der Höhe nach bestritten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und führte in rechtlicher Hinsicht aus, durch den Ausfall der Klägerin als Pflegeperson sei nicht diese, sondern ihr Ehegatte Ludwig B***** geschädigt worden. Der für diesen entstandene erhöhte Pflegeaufwand sei zu dessen Lasten und nicht zu Lasten der Klägerin gegangen. Ludwig B***** sei als mittelbar Geschädigter anzusehen, der aus der Erkrankung der Klägerin keine Ersatzansprüche ableiten könne; aus diesem Grund sei es unerheblich, daß die Klägerin Alleinerbin nach Ludwig B***** sei. Der geltend gemachte Anspruch der Klägerin sei auch nicht als "Hausfrauenrente" aufzufassen, da darin die Ersatzleistung für die Minderung der Arbeitsfähigkeit einer haushaltsführenden Frau und somit ein konkreter Verdienstentgang zu erblicken sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge, verpflichtete die Beklagte zur Bezahlung von S 42.642,60 sA, wies das Mehrbegehren von S 8.165 sA ab und erklärte die ordentliche Revision für zulässig.
Vorweg sei aus kollisionsrechtlicher Sicht auszuführen, daß die Anwendung österreichischen Rechts auf den vorliegenden Fall unstrittig sei (§ 36 letzter Satz IPRG).
Die Klägerin leite ihren Anspruch aus dem Umstand ab, daß sie wegen ihrer von der Beklagten zu verantwortenden Erkrankung nicht mehr in der Lage gewesen sei, ihrer rechtlichen und früher tatsächlich ausgeübten Verpflichtung nachzukommen, ihren behinderten Ehemann zu pflegen, und deswegen Ersatzkräfte beschäftigt habe. Zu Recht verweise die Klägerin auf die von der Rechtsprechung für die sogenannte "Hausfrauenrente" entwickelten Grundsätze. Danach habe die Hausfrau, die wegen einer Verletzung in der Führung des Haushaltes beeinträchtigt sei, gegen den Schädiger einen als Verdienstentgang nach § 1325 ABGB zu beurteilenden Schadenersatzanspruch. Dieser Verdienstentgang sei ein effektiver Schaden, weil davon auszugehen sei, daß sich die in ihrer Tätigkeit verhinderte Hausfrau einer Hilfskraft im Haushalt bedienen dürfe und die Auslagen für eine solche Kraft für beide Ehegatten, also auch für die nicht im Erwerb stehende Gattin, eine Einkommensminderung bedeute. Ob tatsächlich Kosten für eine Hilfskraft aufgelaufen seien, sei unerheblich; entscheidend sei vielmehr Art und Ausmaß der Leistungen der Hausfrau und die Kosten einer erlangbaren Ersatzkraft. Soweit tatsächlich Kosten für eine Ersatzkraft aufgelaufen seien, komme dies zwar auch dem nicht verletzten Ehepartner zugute; der Ersatz solcher Kosten verstoße aber nicht gegen schadenersatzrechtliche Gundsätze (Ausschluß einer Drittschadensliquidation), da sich das Haushaltseinkommen in dem Ausmaß erhöhe, in dem die Leistungen des Ehegatten dem anderen zugute kämen; an diesem Haushaltseinkommen nehme wiederum der Verletzte teil. Insgesamt sei auf die tatsächlichen Verhältnisse des betreffenden Haushalts abzustellen.
Im vorliegenden Fall seien sowohl die Klägerin als auch ihr Ehemann nicht mehr erwerbstätig gewesen, sondern hätten jeweils Renten bezogen. Die Tätigkeit, die die Klägerin nicht mehr ausüben habe können, sei nicht primär die normale Führung des Haushalts, sondern die Pflege ihres betagten und schwer behinderten Ehegatten gewesen. Diese Tätigkeit sei aber - im hier gegebenen Rahmen - nicht anders zu beurteilen als normale Hausfrauenarbeit, da durch die Bereitschaft und Fähigkeit der Klägerin, die Pflegeleistungen zu erbringen, Ausgaben erspart worden seien und somit das verfügbare Haushaltseinkommen erhöht worden sei. Unabhängig vom Umstand, daß die Klägerin nicht mehr im allgemeinen Erwerbsleben gestanden sei, sondern eine Rente bezogen habe, habe sie somit durch eine objektiv bewertbare Tätigkeit einen zusätzlichen, auch ihr zukommenden "Verdienst" erarbeitet. Der - wenngleich zeitlich begrenzte - Wegfall dieser Verdienstmöglichkeit führe nach den oben dargelegten, im Rahmen des Begriffs der "Hausfrauenrente" erarbeiteten Grundsätze zu einem konkreten Verdienstentgang der Klägerin, sodaß sich die Frage, ob ein nicht ersatzfähiger Drittschaden vorliege, unabhängig davon, aus welchem Vermögen die Kosten allfälliger Ersatzkräfte bezahlt worden seien, nicht stelle.
Zur Höhe des Anspruchs der Klägerin sei folgendes auszuführen: Nach ständiger Rechtsprechung stelle sich der Anspruch auf Ersatz der Kosten einer durch die Verletzung einer Hausfrau notwendig gewordenen Haushaltshilfe primär als Ersatz für verminderte Erwerbsfähigkeit und erst sekundär als Ersatz der Kosten für den Ausgleich dieser Fähigkeit dar. In erster Linie sei somit der objektive Wert der entgangenen Tätigkeit festzustellen; dieser bilde die Grundlage zur Bemessung der Höhe des Schadens auch dann, wenn keine oder nicht die vollen üblichen Kosten begehrende Hilfskräfte eingesetzt würden; der Verzicht eines helfenden Dritten auf das ihm objektiv zustehende Entgelt solle nicht dem Schädiger zugute kommen. Andererseits werde in der Beschäftigung einer Hilfskraft zu überhöhten Kosten in der Regel eine Verletzung der Schadensminderungspflicht liegen.
Im vorliegenden Fall stehe nicht genau fest, welcher Teil des von der Klägerin an die Verwandten bezahlten Entgelts von DM 6.900 auf reine Pflegemaßnahmen entfallen sei, also jene Tätigkeit, die Grundlage für den begehrten Schadenersatz sei. Die zur Pflege eingesetzten Verwandten hätten nämlich daraus nicht nur die Kosten der Anreise aus dem Urlaub, sondern auch der Verpflegung und des Sonderbedarfs für den behinderten Ehegatten der Klägerin in nicht festgestellter Höhe bezahlt. Andererseits könne dem Vorbringen der Klägerin entnommen werden, daß sie den Wert der ihr krankheitsbedingt nicht möglichen Tätigkeit jedenfalls in Höhe der begehrten Beträge ansetze. Zur Festsetzung der Höhe ihres Anspruches sei daher eine objektive Betrachtungsweise erforderlich. Die Höhe des Anspruches der Klägerin richte sich demnach nach jenen objektiven Kosten, die die Beschäftigung einer Hilfskraft erfordert hätte. Dabei kämen nur solche Hilfskräfte in Betracht, die zu Pflegeleistungen imstande seien. Davon abzuziehen seien jene Kosten, die bereits vor der Erkrankung der Klägerin für die Vornahme von Pflegemaßnahmen an ihrem Ehegatten aufgelaufen seien. Genaue Feststellungen über diese (fiktiven) Kosten könnten nur nach Durchführung umfangreicher, auf das Preisniveau in der Bundesrepublik Deutschland Rücksicht nehmender Beweisaufnahmen getroffen werden. Es sei daher zweckmäßig, die Höhe des Anspruches nach § 273 ZPO festzusetzen.
Das Berufungsgericht gehe davon aus, daß die Kosten einer professionellen Pflege des Ehegatten der Klägerin pro Tag DM 150 betragen hätten (AS 75). Die Kosten jener Pflegemaßnahmen, die bereits vor der Erkrankung der Klägerin durch einen professionellen Pfleger durchgeführt worden seien (einmal täglich waschen und anziehen), würden - für eine Stunde täglich - mit DM 25 festgesetzt. Der objektive Wert jener Leistungen, die die Klägerin vor ihrer Krankheit für ihren Ehemann erbracht habe, betrage somit DM 125 pro Tag. Der für die Zeit vom 10.4. bis 15.4.1989 geltend gemachte Betrag erreiche diesen Wert nicht und sei daher ungekürzt zuzusprechen (S 1.817,60). Für den zweiten von der Klage umfaßten Zeitraum (22.4. bis 6.6.1989, 46 Tage) ergebe sich ein Gesamtbetrag von DM 5.750, somit S
40.825. Insgesamt errechne sich somit ein berechtigter Anspruch der Klägerin von S 42.642,60.
Die ordentliche Revision sei zuzulassen gewesen, weil über die im vorliegenden Fall zu lösenden erheblichen Rechtsfragen (Verdienstentgang einer den behinderten Ehegatten pflegenden Rentnerin) soweit ersichtlich keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.
Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der vollständigen Klagsabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Die Beklagte führt aus, daß durch die Pflege des kranken Ehegatten keineswegs für die Klägerin ein zusätzlicher "Verdienst" entstanden sei. Einzig und allein habe sich der Ehegatte der Klägerin durch die von ihr durchgeführte kostenlose bzw kostengünstigere Pflege und Betreuung gegenüber der Betrauung eines professionellen Pflegers etwas erspart. Daß nun diese kostengünstigere Variante der Pflege und Betreuung des Ehegatten durch die Salmonellenvergiftung der Klägerin weggefallen sei, betreffe in finanzieller Hinsicht somit nur ihren Ehegatten, welcher dadurch einen Schaden erlitten habe. Nach herrschender Ansicht seien nur Personen schadenersatzberechtigt, deren absolute Güter verletzt worden seien, deren Schutz von einer konkreten Verhaltensnorm bezweckt werde und denen gegenüber eine schuldrechtliche Verpflichtung bestanden habe, welche nicht eingehalten worden sei. Nicht schadenersatzberechtigt seien die sogenannten mittelbar Geschädigten. Zur Hausfrauenarbeit sei im Hinblick auf die von der Rechtsprechung entwickelte "Hausfrauenrente" nur auf die normale und übliche Haushaltsführung (Waschen, Putzen etc.) abzustellen. Die unentgeltliche Pflege eines Ehegatten könne nicht unter dem Begriff der Haushaltsarbeit hinsichtlich der Bemessung der Hausfrauenrente gewertet werden. Selbst wenn man unter dem Begriff der Haushaltsführung alle Tätigkeiten, die für die Familie verrichtet werden, verstehe, so könne die Ersparnis für die Pflege des Ehegatten durch die "Hausfrau" nur eine Ersparnis für diesen bedeuten und nicht als Einkommen für die pflegende Hausfrau angesehen werden. Die Hausfrauenrente sei nur die Entschädigung für den konkreten Verdienstentgang der unmittelbar geschädigten Hausfrau und sei nicht aus dem mittelbaren Schaden des Ehepartners bzw allenfalls der gesamten Familie abzuleiten.
Der Höhe nach ergebe sich, daß für sechs Tage (10.4. bis 15.4.1989) die Kosten der Pflege durch einen Professionisten DM 256 betragen hätten. Es errechneten sich hieraus durchschnittliche Tageskosten von DM 42,67. Das Berufungsgericht gehe jedoch im Rahmen der Pflegegeldfestsetzung unter Anwendung des § 273 ZPO von täglich DM 125 aus. Es sei sohin nicht nachvollziehbar, warum der Klägerin täglich DM 125 für die durch sie verrichtete Pflege ihres Ehegatten zugesprochen werden sollten, wenn für dieselbe Pflege durch einen Professionisten nur etwa ein Drittel bezahlt habe werden müssen.
Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.
Richtig ist zwar, daß die Pflege des behinderten Ehegatten nicht schlechthin unter Haushaltsführung fällt, worunter die Erledigung der Alltagsversorgung der Familie, insbesondere der Nahrungsbeschaffung und -zubereitung sowie der Wartung und Reinigung von Wohnung und Bekleidung zu verstehen ist (vgl Schwimann in Schwimann § 94 ABGB Rz 16). Sowohl Krankenpflege ("Beistand" im Krankheitsfall) als auch Haushaltsführung sind aber Teilpflichten im Rahmen der umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, zu der Ehegatten einander gemäß § 90 ABGB verpflichtet sind (Schwimann aaO § 90 Rz 2, 9). Gerade der vorliegende Fall macht im übrigen deutlich, daß die Krankenpflege nicht nur immaterieller, sondern - wie die Haushaltsführung - materieller Natur ist und Geldwert hat (vgl Pichler in Rummel2 § 90 ABGB Rz 9; anders Koziol-Welser II9 199).
Der erkennende Senat ist daher der Ansicht, daß dem verletzten Ehegatten nicht nur im Falle der verletzungsbedingten Behinderung der Haushaltsführung, sondern auch der familiären Krankenpflege Schadenersatz zusteht. Hiebei können grundsätzlich die zur Haushaltsarbeit entwickelten Regeln herangezogen werden (vgl hiezu die Judikaturhinweise bei Reischauer in Rummel2 § 1325 ABGB Rz 39; Harrer in Schwimann § 1325 ABGB Rz 36; Apathy, EKHG § 13 Rz 13).
Danach ist dem Einwand der Beklagten, die Klägerin habe durch die Pflege ihres kranken Ehegatten keinen "Verdienst" erzielt, entgegenzuhalten, daß die Krankenpflege eine vermögenswerte Tätigkeit ist, durch die "Verdienst" im Sinne der Rechtsprechung (vgl Reischauer aaO sowie Rz 24, 38) geschaffen wird. Zutreffend hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß die Pflegeleistungen der Klägerin eine Ausgabenersparnis und eine Erhöhung des verfügbaren Haushaltseinkommen bewirkten. Kann demnach ein Ehegatten wegen seiner Verletzung Pflegeleistungen nicht mehr wie bisher erbringen, steht ihm dafür Verdienstentgangersatz zu. Anspruchsberechtigt ist der verletzte und nicht der zu pflegende Ehegatte; entgegen der Ansicht der Beklagten liegt daher kein Fall eines nicht ersatzfähigen, bloß mittelbaren Schadens vor.
Die Beklagte wendet in ihrer Revision gegen die Höhe des Zuspruchs lediglich ein, daß die durchschnittlichen Tageskosten im Zeitraum 10.4. bis 15.4.1989 trotz professioneller Betreuung wesentlich niedriger waren, als im Zeitraum 22.4. bis 6.6.1989. Hiebei vernachlässigt sie, daß nach dem von der Klägerin vorgelegten Beleg für Pflegeaufwendungen im Zeitraum 10.4. bis 15.4.1989 (in Beilage ./A), dessen Echtheit und Richtigkeit unbestritten blieb (AS 57), ein privater Pflegedienst pro Tag lediglich 0,5 bis 3 Stunden in Anspruch genommen wurde. Es haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die in der Zeit vom 22.4. bis 6.6.1989 für die Betreuung des halbseitig gelähmten Ehegatten der Klägerin mit einem ähnlichen Zeitaufwand das Auslangen gefunden werden konnte.
Im übrigen begegnet die gemäß § 273 ZPO erfolgte Betragsfestsetzung durch das Berufungsgericht zumindest im Ergebnis keinen Bedenken.
Der Revision der Beklagten war somit ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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