Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind schuldig, den beklagten Parteien die mit S 12.381,56 (darin keine Barauslagen und S 1.125,56 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Übergabsvertrag vom 6.10.1979 übergaben die Kläger - die Zweitklägerin ist nach dem Schluß der Verhandlung erster Instanz verstorben - den Beklagten, ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn, die Liegenschaft "Wegmacherhäusl auf der Haid Hausnummer 13 zu Leithen" EZ 99 der KG Marchtrenk im Gesamtausmaß von 3.812 m2, wobei sie sich folgende Wohn- und Ausgedingsrechte vorbehielten:
1) Das Recht auf die auschließliche Benützung des gesamten Wohnhauses Marchtrenk, Robert Koch-Straße Nr. 9, welches die Übernehmer im stets gut wohn- und heizbaren Stand zu halten und falls dieses einem Naturereignis zum Opfer fallen sollte, wieder neu aufzubauen haben. Mit diesem Wohnungsrecht ist die Benützung der Wasser- und Klosettanlage sowie des freistehenden Garagengebäudes und das Recht auf den freien Ein- und Ausgang sowie den Umgang auf dem gesamten Besitz tagsüber verbunden.
2) Das Recht auf Zubereitung der Speisen und Getränke zu allen Mahlzeiten, wobei die hiezu erforderlichen Lebensmittel die Übergeber selbst beizustellen haben.
3) Das Recht auf Reinigung und Herhaltung der Kleidung und Wäsche und das Putzen der Schuhe, nicht jedoch die Nachschaffung all dieser Sachen im Bedarfsfall.
4) Das Recht auf häusliche Pflege und häusliche Wartung sowie überhaupt auf vollständige Betreuung in gesunden und kranken Tagen, nicht jedoch die Kosten eines Arztes und der Heilmittel, da all diese Leistungen durch die bestehende Krankenkasse ihre Deckung finden; endlich das Recht auf Besorgung der erforderlichen Botengänge.
5) Das Recht auf Nutzung des vorhandenen Gemüsegartens. Gleichfalls am 6.10.1979 übergaben die Kläger ihrem Sohn Heinrich S*** jun. das Grundstück 3068/3 Acker (aus dem Gutsbestand der EZ 99 KG Marchtrenk) im Gesamtausmaß von 2.926 m2. Die vom Übernehmer zu erbringenden Gegenleistungen stimmen hinsichtlich der Zubereitung von Speisen und Getränken sowie der vollständigen Betreuung der Übergeber in gesunden und kranken Tagen mit den Pflichten der Beklagten vollkommen überein. Der Übergabsvertrag mit Heinrich S*** jun. enthält jedoch folgenden Nachsatz:
"Die zu 1) und 2) ausbedungenen Auszugsleistungen (sie sind im Übergabsvertrag der beklagten Parteien unter 2) und 4) angeführt) sind jedoch vom Übernehmer, Herrn Heinrich S***, nur dann zu tragen, wenn die Schwester des Übernehmers, Frau Anna S***, im Falle ihres Ablebens, aus gesundheitlichen oder aus beruflichen Gründen nicht in der Lage ist, diese Leistungen selbst zu vollbringen."
Die Beklagten waren bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses berufstätig (der Erstbeklagte als Bundesbahnbeamter, die Zweitbeklagte als Vertragsbedienstete bei der Gemeinde Marchtrenk) und sind es auch heute noch. Sie wohnen in unmittelbarer Nähe des Auszugshauses, sind jedoch aus beruflichen Gründen nicht in der Lage, die Kläger ohne fremde Hilfe vollständig zu betreuen, falls einer von ihnen (wie z.B. lange Zeit hindurch die schwer erkrankte Zweitklägerin) ständiger Pflege bedarf. Einen wesentlichen Teil des Pflegeaufwandes für die Zweitklägerin hat daher der am 3.7.1909 geborene Erstkläger Heinrich S*** getragen.
Mit der Behauptung, die Beklagten vernachlässigten ihre Vertragspflichten, insbesondere die Pflicht zur vollständigen häuslichen Pflege und Wartung der Übernehmer, begehrten, die Kläger die Aufhebung des Übergabsvertrages vom 6.10.1979 und die grundbücherliche Löschung des Eigentumsrechtes der Übernehmer; ein erstes Eventualbegehren ging dahin, den Übergabsvertrag aufzuheben und die Beklagten schuldig zu erkennen, in die Einverleibung des Eigentumsrechtes der Übergeber einzuwilligen. Dazu brachten die Kläger vor, daß die beiderseits vorausgesetzte Geschäftsgrundlage, nämlich die Bereitschaft und Fähigkeit der Beklagten, die ausbedungenen Betreuungsleistungen persönlich zu erbringen, weggefallen sei. In Einzelfällen sei es sogar zu provokanten Leistungsverweigerungen gekommen. Dadurch sei die Vertrauensbasis zwischen den Vertragsparteien zerstört und die Aufrechterhaltung des Übergabsvertrages unzumutbar. Schließlich dokumentiere sich im Verhalten der Beklagten grober Undank, der beachtlich sei, weil der Wert der Ausgedingsleistungen nicht dem Wert der Liegenschaft entspreche.
Ein zweites, ebenfalls mit der Nichterfüllung übernommener Vertragspflichten begründetes Eventualbegehren ging dahin, die Beklagten schuldig zu erkennen, den Klägern die vertraglich festgelegten Ausgedingsleistungen zu erbringen. Schließlich wurde dieses Eventualbegehren noch durch das Verlangen des Erstklägers "ergänzt bzw. ausgedehnt", daß ihm die Beklagten zur ungeteilten Hand S 55.500,-- s.A. zu zahlen hätten. Begründet wurde dies damit, daß der Erstkläger von Anfang März 1985 bis Ende Dezember 1985 Pflegeleistungen erbracht habe, die eigentlich von den Beklagten zu erbringen gewesen wären, und die er deshalb von ihnen ersetzt verlange.
Die Beklagten beantragten die Abweisung des gesamten Klagebegehrens. Es sei allen Beteiligten von Anfang an klar gewesen, daß die Beklagten (vor allem die Zweitbeklagte) berufstätig bleiben werde, und daß daher Pflegeleistungen nur insoweit verlangt werden könnten, als sie sich mit dieser Berufstätigkeit (und der Tatsache getrennter Haushalte) vereinbaren lassen. Daran gemessen hätten die Beklagten ihre Vertragspflichten voll erfüllt. Das Vorkochen von Mahlzeiten hätten die Kläger ebenso abgelehnt wie die Beistellung einer Hilfskraft. Persönliche Dienstleistungen an den Erstkläger seien überdies wegen dessen feindseliger Haltung unzumutbar. Schließlich sei zu berücksichtigen, daß Heinrich S*** jun. im zweiten Übergabsvertrag vom 6.10.1979 sämtliche Betreuungspflichten für den Fall übernommen habe, daß die Zweitbeklagte aus gesundheitlichen oder beruflichen Gründen zur Betreuung ihrer Eltern nicht in der Lage sei. Daraus ergebe sich die mangelnde Passivlegitimation des Erstbeklagten in Ansehung der Leistungsbegehren. Das Hauptbegehren der Kläger, den Übergabsvertrag vom 6.10.1979 aufzuheben, sei überhaupt verfehlt.
Das Erstgericht wies das Haupt- und Eventualbegehren ab, wobei es im wesentlichen außer den eingangs wiedergegebenen noch folgende weitere Feststellungen traf:
Als der Erstkläger im Jahre 1979 plante, das ihm und seiner Frau gehörende und von ihnen bewohnte Haus an die Beklagten bzw. ein Ackergrundstück (aus dieser Liegenschaft) an den Sohn Heinrich zu übergeben wurde von diesem der Notar Dr. Walter P*** eingeschaltet. Dr. P*** hat den Inhalt der abzuschließenden Übergabsverträge vor allem mit Heinrich S*** sen., Heinrich S*** jun. und Anna S*** besprochen. Die Zweitklägerin war schon damals kränklich und hat die schließlich vom Notar verfaßten Vertragsurkunden erst nach den übrigen Vertragsparteien im Krankenhaus unterschrieben. Von den an der Festlegung der Vertragsinhalte aktiv beteiligten Personen wurde Dr. P*** schließlich beauftragt, zwei Übergabsverträge zu verfassen. Darin sollte - gemäß den mündlichen Absprachen - sichergestellt bzw. schriftlich festgehalten werden, daß die Übergeber (also die Kläger) in erster Linie von ihrer Tochter Anna S*** betreut und gepflegt werden müssten, aber nur soweit, als ihr dies aus beruflichen und gesundheitlichen Gründen selbst möglich sei. In dem darüber hinausgehenden Ausmaß sollte eine diesbezügliche Verpflichtung des Heinrich S*** jun. (bzw. seiner Ehefrau) begründet werden. Im Sinne dieses Auftrages formulierte Notar Dr. P*** die Vertragspunkte und glaubte, damit den oben festgestellten Parteienwillen zweifelsfrei dokumentiert zu haben. Die Zweitbeklagte erbringt (im großen und ganzen) die von ihr gegenüber den Klägern übernommenen Pflegeleistungen, soweit ihr solche aus beruflichen und gesundheitlichen Rücksichten zumutbar sind. Die Zweitbeklagte ist nämlich zu folgenden Zeiten berufstätig:
Am Montag, Dienstag und Donnerstag von 7 Uhr bis 17.30 Uhr bei einer einstündigen Mittagspause (von 13 Uhr bis 14 Uhr); am Mittwoch von 7 Uhr bis 13 Uhr und am Freitag von 7 Uhr bis 12.30 Uhr. Sie schaut jeden Tag um 6 Uhr früh (auf ca. 15 bis 20 Minuten) nach ihren Eltern und wäscht bei dieser Gelegenheit ihre Mutter. Dann kommt sie nach Dienstschluß, um zu fragen, ob sie irgendetwas erledigen kann, und kommt dann noch einmal am (späteren) Abend, und zwar soweit die Haustür durch die Kläger nicht bereits um ca. 19 Uhr versperrt wird. Bei diesen Gelegenheiten kleidet die Zweitbeklagte erforderlichenfalls ihre bettlägerige Mutter um, wäscht sie und wechselt auch die Bettwäsche. An den Wochenenden schaut sie nicht nur vier- bis fünfmal nach ihren Eltern, sondern bereitet auch die Mahlzeiten zu, wobei der Erstkläger Vorbereitungsarbeiten macht. Die Zweitbeklagte wäre bereit, auch unter der Woche für ihre Eltern zu kochen (wobei sie aber nur vorkochen könnte), was aber vom Erstkläger mit dem Hinweis abgelehnt wird, daß die Kläger nur frischgekochte Speisen haben wollten und aus medizinischen Gründen auch nur solche benötigen. Das Wäschewaschen für die Kläger besorgt (mit ganz wenigen Ausnahmen) ebenfalls die Zweitbeklagte. Sie kommt auch dann, wenn sie von ihrem Vater in der Nacht geholt wird, was aber bisher nur einmal oder zweimal der Fall war. Auf Grund ihrer beruflichen Belastung, aber auch auf Grund ihres Gesundheitszustandes (sie befand sich im Herbst 1985 im Krankenhaus) ist es der Zweitbeklagten nicht zumutbar, Pflegeleistungen in einem deutlich größeren Umfang für die Kläger zu erbringen als derzeit. Der Erstbeklagte erbringt keine Pflegeleistungen und es wurden solche von ihm auch noch nie verlangt. Die Mithilfe des Heinrich S*** jun. (bzw. dessen Ehefrau Sieglinde) beschränkt sich im wesentlichen darauf, daß einmal wöchentlich die Wohnung der Kläger von Sieglinde S*** geputzt wird. Der Erstkläger hat - ohne ausreichenden Grund - die (zeitweilige) Betreuung durch eine von den Beklagten beigestellte Pflegeperson abgelehnt. Somit trägt der Erstkläger einen wesentlichen Teil (wenn nicht überhaupt die Hauptlast) der Pfleger für die schwerkranke und voll pflegebedürftige Zweitklägerin, was naturgemäß eine starke Belastung darstellt.
Zur Rechtsfrage führt das Erstgericht aus, daß das Hauptbegehren und das erste Eventualbegehren der Kläger schon deshalb abzuweisen seien, weil ein bereits vollzogener Übergabsvertrag nicht aufgehoben werden könne. Um den streitgegenständlichen Vertrag als Schenkung zu qualifizieren und ihn wegen Undanks der Übernehmer aufzuheben, fehle es an einem ausreichenden Vorbringen der Kläger. Von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage könne schließlich schon deshalb keine Rede sein, weil die Kläger schon beim Vertragsabschluß die Berufstätigkeit ihrer Tochter gekannt und sich damit abgefunden hätten, Betreuungsleistungen nur nach Maßgabe ihrer beruflichen und gesundheitlichen Möglichkeiten verlangen zu können. Dieser richtig verstandenen Pflicht zur Erbringung von Ausgedingsleistungen sei die Zweitbeklagte nachgekommen. Da das zweite Eventualbegehren der Kläger fälschlicherweise von einer unbeschränkten Leistungverpflichtung der Beklagten ausgehe und die Nichterfüllung dieser Vertragspflichten voraussetze, sei auch insoweit mit einer Klagsabweisung vorzugehen gewesen. Der Umstand, daß der Erstkläger erhebliche Pflegeleistungen für seine Gattin erbracht habe, könne allenfalls einen Anspruch gegen Heinrich S*** jun., nicht jedoch gegen die Beklagten begründen.
Die Berufung der Kläger blieb erfolglos; das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, hinsichtlich jedes der Begehren - beim zweiten Eventualbegehren zusammen mit dem eingeklagten
Geldbetrag - S 300.000,-- übersteigt; es erachtete das erstgerichtliche Verfahren für mängelfrei, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und billigte auch die rechtliche Beurteilung der ersten Instanz.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der Kläger aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der gänzlichen Klagsstattgebung.
Die Beklagten beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Kläger führen in ihrem Rechtsmittel aus, gemäß Punkt 2 Z.2 des Übergabsvertrages hätten die Kläger gegenüber den Beklagten Anspruch auf Zubereitung der Speisen und Verabreichung der Getränke zu allen Mahlzeiten und gemäß Z.4 das Recht auf häusliche Pflege und Wartung, sowie überhaupt auf vollständige Betreuung in gesunden und kranken Tagen. Die Leistungen hätten die Beklagten keinesfalls erbracht. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Kläger mit einer Einschränkung der im Übergabsvertrag von den Streitteilen vereinbarten Pflege- und Ausgedingsleistungen einverstanden gewesen seien, vielmehr habe eine unbeschränkte Leistungverpflichtung beider Beklagten gegenüber beiden Klägern bestanden. Aus dem mit dem Sohn Heinrich abgeschlossenen Übergabsvertrag, der mit jenem, der zwischen den Streitteilen abgeschlossen wurde, in keinerlei Zusammenhang stehe, könne ausschließlich eine diesem Sohn zugute kommende Einschränkung der Ausgedingsleistungen abgeleitet werden, nicht aber eine solche zugunsten der Beklagten. Die Kläger wollten durch den Übergabsvertrag mit den Beklagten eine sehr umfangreiche Absicherung ihres Lebensabends erreichen. Eine Einschränkung der vertraglichen Leistungspflicht des Erstbeklagten sei weder behauptet noch nachgewiesen worden. Der Erstbeklagte habe aber überhaupt keine Leistungen erbracht. Sollte die Zweitbeklagte aus beruflichen Gründen zur Erbringung der vertraglich festgesetzten Leistungen nicht in der Lage gewesen sein, hätte eben an ihrer Stelle der Erstbeklagte diese Leistungen zu erbringen gehabt. Durch die Nichterfüllung der Leistungen durch die Beklagten sei die Geschäftsgrundlage des Übergabsvertrages, nämlich die Sicherung des Lebensabends durch vollständige Pflege und Betreuung der Kläger in gesunden und kranken Tagen, weggefallen und die Kläger wären zur Aufhebung des Vertrages berechtigt gewesen. Anders als bei bäuerlichen Übergabsverträgen sei die übergebene Liegenschaft nicht Existenzgrundlage für die Beklagten gewesen. Selbst wenn das Aufhebungsbegehren nicht zu Recht bestehen sollte, bestünde jedenfalls die Eventualbegehren zu Recht, da die Beklagten ihren Verpflichtungen aus dem Übergabsvertrag nicht nachgekommen seien. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.
Gemäß § 914 ABGB ist bei der Auslegung von Verträgen nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdruckes zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Ziel jeder Vertragsauslegung ist es, ohne am buchstäblichen Sinn des Ausdruckes haften zu bleiben, die Absicht der Parteien festzustellen (Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 914; Gschnitzer, Allg.Teil des bürgerlichen Rechts 136; Gschnitzer in Klang2 IV/1 404;
vgl. SZ 52/18; SZ 50/32 u.a.). Die Bedeutung jeder abgegebenen Erklärung ist am Empfängerhorizont zu messen. Entscheidend ist der objektive Erklärungswert der Willensäußerung (ZAS 1966/8;
RdW 1984, 317 uva, Koziol-Welser7 I 84; Rummel aaO; Gschnitzer in Klang aaO; Larenz, Allg.Teil des deutschen bürgerlichen Rechts4 328). Bei der Auslegung sind auch außerhalb des Erklärungsaktes liegende Begleitumstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluß auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (MietSlg 35.100; Heinrichs in Palandt45 106). Die Auslegung des Inhaltes einer Urkunde ist nur dann eine Frage der rechtlichen Beurteilung, wenn der Parteiwille allein auf Grund der Auslegung einer in ihrem Wortlaut feststehenden Urkunde ermittelt wurde. Hingegen liegt eine Tatsachenfeststellung vor, wenn die Absicht der Parteien auch aus anderen Beweismitteln abgeleitet wird. In diesem Fall ist der Oberste Gerichtshof an die Tatsachenfeststellungen gebunden und kann nicht den Inhalt der Urkunde für sich allein und selbständig würdigen (JBl 1985, 97, JBl 1979, 267, MietSlg 32.729 u.a.).
Werden diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewendet, ist darauf Bedacht zu nehmen, daß nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes der Notar Dr. P*** von dem an der Festlegung des Vertragsinhaltes beteiligten Personen, insbesondere dem Erstkläger, der Zweitbeklagten und Heinrich S*** jun. beauftragt worden ist, zwei Übergabsverträge zu verfassen. Darin sollte - gemäß den mündlichen
Absprachen - sichergestellt bzw. schriftlich festgehalten werden, daß die Übergeber (also die Kläger) in erster Linie von ihrer Tochter Anna S*** betreut und gepflegt werden müßten, aber nur soweit, als es dieser aus beruflichen und gesundheitlichen Gründen selbst möglich sei. In dem darüber hinausgehenden Ausmaß sollte eine diesbezügliche Verpflichtung des Heinrich S*** jun. (bzw. seiner Ehefrau) begründet werden. Im Sinne dieses Auftrages formulierte Notar Dr. P*** die Vertragspunkte und glaubte, damit den oben festgestellten Parteiwillen zweifelsfrei dokumentiert zu haben. An diese insbesondere auf die Zeugenaussage des Notars Dr. P*** gegründete Tatsachenfeststellungen über den Parteiwillen bei Abschluß des Vertrages ist, wie dargelegt, der Oberste Gerichtshof gebunden. Soweit die Bewerber daher argumentieren, nach dem Parteiwillen seien beide Beklagten zu einer uneingeschränkten Erbringung aller Ausgedingsleistungen insbesondere auch der Pflege und Betreuung der Kläger verpflichtet gewesen, und daraus rechtliche Schlußfolgerungen ziehen, geht die Revision nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und die Rechtsrüge entbehrt in diesem Umfang der gesetzmäßigen Ausführung. Auf das diesbezügliche Vorbringen war daher nicht weiter einzugehen. Ausgehend vom festgestellten Parteiwillen kann aber in der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß die Kläger bei der Festlegung der Ausgedingspflichten die Berufstätigkeit der Zweitbeklagten nicht nur bedacht haben, sondern auch berücksichtigt haben wollten, und daher der Übergabsvertrag in dem Sinn auszulegen ist, daß die Beklagten gegenüber den Klägern nur zu jenen Ausgedingsleistungen verpflichtet waren, die sich mit der Berufstätigkeit der Zweitbeklagten vereinbaren lassen, keine Fehlbeurteilung erblickt werden. Ohne Rechtsirrtum hat das Berufungsgericht auch erkannt, daß unter Berücksichtigung der genannten Einschränkung davon auszugehen ist, daß nach den Feststellungen die Beklagten alle ihren bei Bedachtnahme auf die Berufstätigkeit der Zweitbeklagten zumutbaren Leistungen, zu denen sie auf Grund des Übergabsvertrages verpflichtet waren, erbracht haben. Schon dadurch ist aber dem Begehren auf Aufhebung des Übergabsvertrages die Grundlage entzogen, abgesehen davon, daß wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, nach ständiger Rechtsprechung bei Übergabsverträgen dem Übergeber nach vollzogener Übergabe der Liegenschaft ein Rücktrittsrecht vom Vertrage selbst für den Fall der nicht gehörigen Erfüllung der dem Übernehmer obliegenden Verpflichtungen nicht zusteht (vgl. EvBl 1972/38 u.a.). Mangels einer Vertragsverletzung durch die Beklagten hat das Berufungsgericht aber auch dem Leistungsbegehren der Kläger auf Zuhaltung des Vertrages durch Erbringung bestimmter im einzelnen aufgezählter Leistungen bzw. auf Bezahlung von S 55.000,-- s.A. an den Erstkläger als Ersatz für die von diesem für die Zweitklägerin anstelle der Beklagten erbrachten Pflege- und Betreuungsleistungen ohne Rechtsirrtum die Berechtigung abgesprochen.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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